Was wird aus russischen Museumsleihgaben?
2. April 2022Picasso, Gauguin oder Renoir, um nur einige zu nennen - die "Sammlung Morozov" umfasst insgesamt rund 200 Werke einiger der bekanntesten europäischen Maler. Zudem wichtige Werke russischer Künstler. Erstmalig war diese außergewöhnliche Sammlung außerhalb Russlands zu sehen. Der Publikumsansturm war enorm: Laut Angaben der privaten Louis Vuitton Stiftung besuchten bis Anfang Februar mehr als eine Million Menschen das Museum am Rande von Paris, um die Werke zu bestaunen.
Am 3. April endet nun die bereits verlängerte Ausstellung "Die Sammlung Morozov: Ikonen der modernen Kunst" und stellt die französischen und russischen Kuratoren vor diplomatische und in erster Linie logistische Probleme: Wie sollen die Werke in die russischen Museen - die staatliche Eremitage in Sankt Petersburg, das staatliche Puschkin-Museum der Schönen Künste und die staatliche Tretjakow-Galerie in Moskau - zurückgebracht werden? Einzelne Werke stammen zudem aus Museen in der Ukraine und in Belarus. Seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine haben die meisten europäischen Länder russischen Fluggesellschaften den Zugang zu ihrem Luftraum untersagt, und auch Russland hat Flugverbote gegenüber dem Westen verhängt.
Rückgabe durch Sanktionen erschwert
Auch eine Rückführung per LKW sei kompliziert, hieß es seitens der Fondation Louis Vuitton. In Abstimmung mit den jeweiligen russischen Institutionen prüfe man, was zu tun sei, wenn es "ein Problem" beim Grenzübertritt gäbe, so Jean-Paul Claverie, Sonderberater von Bernard Arnault, dem Vorsitzenden der Louis Vuitton Stiftung im Interview mit der New York Times. Olga Ljubimowa, die Leiterin des russischen Kulturministeriums, sagte bei einer Pressekonferenz in dieser Woche, dass ein "Fahrplan" für die Rückgabe der in Europa befindlichen Kunstgegenstände aufgestellt worden sei. Zu den näheren Umständen ist jedoch nichts bekannt. Es sei gut möglich, dass die Werke zunächst in den Räumlichkeiten der Louis Vuitton Stiftung zur Aufbewahrung blieben, hieß es von beiden Seiten. Die Sicherheit der Gemälde stehe an oberster Stelle.
Die Gemälde stammen aus einer historischen Privatsammlung: Um die Wende des vergangenen Jahrhunderts kauften die Brüder Mikhail und Ivan Morozov Werke bedeutender europäischer Künstler wie Gauguin oder Cézanne an. Als das russische Zarenreich 1918 zusammenbrach, wurde die Sammlung verstaatlicht. Zunächst sollte sie Teil des Museums für moderne westliche Kunst werden, doch Stalin, der europäische Kunst verachtete, ließ es 1948 schließen. Die Werke wurden auf das Moskauer Puschkin-Museum und die Eremitage in Leningrad - heute Sankt Petersburg - verteilt. Aus wirtschaftlichen Gründen veräußerte der sowjetische Staat auch mehrere Werke, darunter Van Goghs "Café de Nuit" (heute in der Sammlung der Yale University) und Cézannes "Porträt von Madame Cézanne" (heute im Metropolitan Museum in New York).
Die Ausstellungseröffnung im vergangenen September wurde als diplomatisches Großereignis gefeiert: Der französische Präsident Emmanuel Macron sowie die russische Kulturministerin Olga Ljubimowa wohnten der Eröffnung bei.
Kulturelles Dilemma auf beiden Seiten
"Die Sammlung Morozov" ist nicht die einzige Ausstellung, bei der nicht klar ist, wie und wann die Werke nach Russland zurückgebracht werden können. Das Victoria and Albert Museum in London zeigt noch bis zum 8. Mai eine Ausstellung über den Juwelier Carl Fabergé. Darunter sind 13 Objekte aus russischen Museen, wie etwa ein Fabergé-Ei, das Putin der Staatlichen Eremitage in St. Petersburg geschenkt hat, sowie Gegenstände aus dem Besitz der Link of Times Foundation, deren Gründer Viktor Vekselberg auf der Sanktionsliste der britischen Regierung steht.
Auch russische Museen sind mit ähnlichen Problemen konfrontiert. So musste etwa die in der Moskauer Tretjakow-Galerie gezeigte Ausstellung "Diversity United" vorzeitig schließen. Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zog kürzlich seine Schirmherrschaft für die von dem Bonner Verein "Stiftung für Kunst und Kultur" um den Kulturmanager Walter Smerling organisierte Schau zurück. "Unsere Absicht, Brücken zu bauen mit Hilfe der Kunst jenseits politischer Schwierigkeiten, hat in diesem Falle nicht funktioniert", sagte Smerling im Interview mit der Deutschen Welle. Auch stehe "zu befürchten, dass auf absehbare Zeit Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in Russland unter diesen Bedingungen der Unfreiheit und des kriegerischen Handelns keine Chance haben und nicht stattfinden können."
Angesichts der Tragödien, die sich aktuell in der Ukraine anspielen, mögen die Probleme in der Kunstwelt wenig relevant erscheinen. Doch in der Vergangenheit erwies sich die Zusammenarbeit zwischen russischen und europäischen Museen als wichtiger diplomatischer Pfeiler.