"Jedermann" im Investmentbankermilieu
21. Juli 20192020 feiern die Salzburger Festspiele ihr 100. Jubiläum. Wahrscheinlich ist das auch der Grund dafür, sich die großen Leckerbissen für nächstes Jahr aufzuheben. Intendant Markus Hinterhäuser scheint bei seinen dritten Festspielen kein Risiko eingehen zu wollen: Die Premiere am Samstagabend war eine Wiederaufnahme der Neuinszenierung des Mysterienspiels "Jedermann". Der österreichische Regisseur Michael Sturminger hatte Hugo von Hofmannsthals Werk bereits 2017 modern uminterpretiert - er hatte den Text gekürzt und umgeschrieben.
Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt und Richard Strauss waren 1920 die Initiatoren der Salzburger Festspiele, die heute als weltweit bedeutendstes Kulturfestival für Oper, Schauspiel und klassische Musik gelten.
"Jedermann"-Premiere bleibt 2019 vom Regen verschont
Die Aufführung des "Jedermann" auf dem Salzburger Domplatz ist eines der markantesten Markenzeichen der Festspiele. Anders als in den Vorjahren konnte die Premiere diesmal auch tatsächlich auf dem Domplatz stattfinden - Regen setzte erst nach dem letzten Akt ein.
Der österreichische Theater- und Filmschauspieler Tobias Moretti ist, wie schon 2017, in der Titelrolle zu sehen (im Bild oben neben Valery Tscheplanowa), sein Bruder Gregor Bloéb in einer Doppelrolle als "Jedermanns guter Gesell" und Teufel. Regisseur Sturminger verlagert die Handlung ins Investmentbankermilieu: Bei einer Party an modischen Stehtischen ereilen die Hauptfigur Wahnvorstellungen - es sind die Vorboten einer tödlichen Krankheit.
Es geht um ein zeitloses Thema: um den Tod, der jede und jeden jederzeit treffen kann. Gespielt wird der Sensenmann vom deutschen Schauspieler Peter Lohmeyer als punkig-androgynes Mischwesen mit Körperbemalung und Stöckelschuhen.
Neu ist die Besetzung der "Buhlschaft": Erstmals ist die Russin Valery Tscheplanowa in der Rolle zu sehen - in einem gewagten, teils durchsichtigen Hosenanzug. Mit ungewohnt rauchiger Stimme, im Stil der zwanziger Jahre, singt sie ihrem Geliebten "Jedermann" ein Ständchen. Tscheplanowa spielt den emanzipierten Vamp.
Über den Kleidungsstil von Jedermanns Lebensabschnittsgefährtin wird jedes Jahr aufs Neue spekuliert und berichtet. Der Hype ist zuletzt allerdings etwas abgeklungen. Pflichtbewusst wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der Buhlschaft eigentlich um eine sehr kleine Nebenrolle handelt.
Peter Sellars inszeniert "Idomeneo"
Am 27. Juli feiert in Salzburg Mozarts "Idomeneo" Premiere, in der Inszenierung des für seine politischen Statements bekannten US-Regisseurs Peter Sellars. Die Oper um den Kreterkönig Idomeneo, der seinen eigenen Sohn opfern soll, ist musikalisch wie szenisch äußerst turbulent: Es gibt ein mächtiges Seeungeheuer, zwei fürchterliche Stürme sowie alles verschlingende Wasserfluten. Gut möglich, dass man Sellars Inszenierung am Ende als Oper über den Klimawandel wird deuten können. Dirigiert wird sie vom Griechen Teodor Currentzis.
Insgesamt werden in Salzburg bis zum 31. August fast 200 Aufführungen geboten, darunter Luigi Cherubinis selten gespielte "Médée", die noch seltener gespielte Oper "Oedipe" des rumänischen Komponisten George Enescu, Verdis "Simon Boccanegra" und Jacques Offenbachs Operette "Orpheus in der Unterwelt". In den sechs Festspielwochen mit fünf Opern- und vier Schauspiel-Neuinszenierungen werden mehr als 250.000 Gäste erwartet.