Buchmesse im Zeichen der Meinungsfreiheit
15. Oktober 2015
Noch vor der offiziellen Eröffnung setzt diese 67. Frankfurter Buchmesse ein unmissverständliches Zeichen. Sie hat den britisch-indischen Autor Salman Rushdie zur Auftakt-Pressekonferenz geladen. Der plädiert leidenschaftlich für den weltweiten Kampf für die Meinungsfreiheit. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass dieser Kampf längst gewonnen sei, sagte der 68-jährige Rushdie, der wegen seines Buches "Die satanischen Verse" 1989 mit einer Fatwa belegt worden war und jahrelang im Untergrund leben musste. Das Todesurteil, das radikale Muslime über ihn verhängt haben, wurde bis heute nicht aufgehoben. Trotzdem ist Rushdie nach Frankfurt gekommen. Aber weil er kam, hat der Iran seine Teilnahme an der Messe abgesagt. Das sei bedauerlich, sagt Messedirektor Jürgen Boos. Denn so verpasse man eine Gelegenheit, um sich auszutauschen - über die vielen Herausforderungen unserer Zeit und mit den Mitteln der Sprache. Aber es gebe einen zentralen Aspekt der menschlichen Zivilisation, der für ihn nicht verhandelbar sei. "Das ist die Freiheit des Wortes, die freie Meinungsäußerung."
Allerdings haben sich wohl zehn iranische Verlage nicht dem Kulturministerium ihres Landes angeschlossen, das wegen Rushdies "Islam-beleidigender Bücher" absagte. Eine Sprecherin der Buchmesse sagte, die Verlage wollten beim weltgrößten Branchentreff dabei sein.
Angriff auf ein Grundrecht
Die schlimmste Bedrohung sei, so Rushdie in seiner Rede, dass manche Länder die Meinungsfreiheit nicht für universell hielten, obwohl die Fähigkeit sich auszudrücken, zu erzählen, doch das sei, was Menschen aller Kulturen und Religionen eint. Dieser Angriff auf ein menschliches Grundrecht komme aus Ländern, in denen es keine Meinungsfreiheit gibt. Dort müssen Autoren und Verleger Gewalt und oft auch um ihr Leben fürchten.
Subtile Formen, die Meinungsfreiheit einzuschränken, hat Salman Rushdie indes auch in der westlichen Welt ausgemacht: An einer englischen Universität dürfen die Gastredner eines Seminars über Meinungsfreiheit nicht auftreten, weil sie einer studentischen Gruppierung nicht gefallen; an amerikanischen Universitäten werden Studierende vor der Lektüre mancher Bücher gewarnt, sie könnten Gedanken enthalten, die Dinge infrage stellen - und an der Duke Universität haben sich Studenten geweigert, ein Buch über Lesben zu lesen, weil das nicht im Einklang mit ihrer religiösen Erziehung stehe. Wir könnten heute frei miteinander reden, weil im Zuge der Aufklärung vor rund 200 Jahren die Übermacht der Kirche gebrochen wurde, sagt Salman Rushdie. Wir sollten nicht zulassen, dass Religionen wieder so stark werden. Intoleranz betreffe jeden, überall auf unserer kleiner gewordenen, vernetzten Welt.
Publishing und Literatur waren immer schon Störenfriede, haben am vorherrschenden Konsens gerüttelt, erinnert Messedirektor Jürgen Boos. "Literatur hat die Aufgabe, Zustände zu benennen, scheinbare Selbstverständlichkeiten zur Diskussion zu stellen." Und dabei Respekt für das jeweils andere herzustellen.
Möglichkeiten dazu gibt es den kommenden Tagen in Frankfurt mehr als genug. Mehr als 7000 Aussteller aus rund 100 Ländern präsentieren hier ihre Neuerscheinungen, Autoren aus dem In- und Ausland stehen für Gespräche und Diskussionen zur Verfügung, und das Gastland Indonesien präsentiert seine facettenreiche Literatur- und Kulturlandschaft unter dem Titel "17.000 Inseln der Imagination" auf einer stimmungsvollen Sonderfläche.
Handelsplatz Messe
Es wird um Inhalte gehen. Und ums Geschäft. Für Literaturagenten ist die Frankfurter Buchmesse das wichtigste Treffen des Jahres. Und Verlage sollen hier die Möglichkeit erhalten, neue Trends frühzeitig zu erkennen und zu nutzen. Das Prinzip der Rekombination etwa, bei dem traditionelle Inhalte mit digitalen Technologien kombiniert werden, wobei die Grenzen zwischen dem Buch und anderen Medien zusehends verschwimmen. Inhalte werden in Spielen, Filmen, Magazinen, E-Books, Audiobüchern oder Apps verwertet, neuerdings sogar in smarten Uhren und Autos. So werde, heißt es seitens der Messe, "das Publishing immer mehr zum internationalen Handel mit Content als geistigem Eigentum". Wie sehr das geschützt werden muss, hat Salman Rushdie deutlich gemacht.