Mané soll Senegals Traum wahr machen
17. Juli 2019Seine Emotionen schäumten über, als Sadio Mané von seinen senegalesischen Teamkollegen vom Feld geführt wurde. Seine Tränen flossen in Strömen. Trotz eines 1:0-Siegs gegen Äquatorialguinea im November 2018 in der Qualifikation zum Afrika Cup hatten die eigenen Fans Mané vom Platz gebuht, nachdem er eine hundertprozentige Chance hatte liegen lassen. Es war eine weitere Wendung in der turbulenten Beziehung zwischen Senegals Star und den einheimischen Fans, die seit Manés Wechsel 2016 zum FC Liverpool irgendwie gestört ist.
"In den vergangenen drei Jahren waren die senegalesischen Fans ziemlich hart zu Sadio Mané. Sie erwarten von ihm, dass er alles in der Mannschaft erledigt", erklärt Senegal-Fan Babacar der DW. "Sie wollen, dass er verteidigt, sie wollen, dass er Tore macht. Wenn es gut läuft, schenken sie ihm Anerkennung, aber wenn das Team schlecht ist, geben sie Mané die Schuld. Das macht es richtig schwierig für ihn. Er muss eine Menge Kritik einstecken, wenn er nicht trifft."
Senegal träumt vom ersten Afrika-Cup-Titel
90 Minuten, vielleicht auch 120 plus Elfmeterschießen sind die "Löwen der Teranga", wie die Nationalmannschaft genannt wird, vom möglichen ersten Afrika-Cup-Titel in der Fußballgeschichte des Senegal entfernt. An diesem Freitag (Anpfiff 21 Uhr MESZ) trifft das Team um Mané im Endspiel im "Cairo International Stadium" auf Algerien. Der Gewinn des Turniers sei sein "größter und verrücktester Traum", hatte Mané vor Beginn der Endrunde in Ägypten dem französischen Magazin "France Football" gesagt. Der frischgebackene Champions-League-Sieger ging sogar so weit zu behaupten, dass er bereit wäre, jenen Triumph mit dem FC Liverpool einzutauschen, "um wenigsten einmal den Afrika Cup zu gewinnen" - und die anspruchsvollen Fans seines Heimatlandes ein für alle Mal zufriedenzustellen.
"Es ist wie ein Traum", sagt Senegal-Fan Babacar. "Wir sind voller Hoffnung nach Ägypten gekommen. Alle sagten, wir seien die Favoriten. Wir haben so lange auf diesen Moment gewartet." Babacar spielt damit auf die schmerzliche Niederlage im bisher einzigen Final-Auftritt des Landes im Afrika Cup an: 2002 verlor die Nationalmannschaft des Senegal im Elfmeterschießen gegen Kamerun.
Gegen denselben Gegner scheiterte das Team auch beim Afrika Cup 2017 – wieder im Elfmeterschießen. Mané war es, der den entscheidenden Elfmeter verschoss. "Es war hart für ihn", meint Babacar, der zugibt, nach der Niederlage geweint zu haben. "Er war unser Kapitän und der beste Spieler in unserer Mannschaft. Die ganze Hoffnung, der ganze Druck lasteten auf ihm."
Finale ohne Koulibaly
Doch die Mannschaft hat sich in den vergangenen beiden Jahren weiterentwickelt. Mehrere Spieler stehen jetzt bei besseren Klubs unter Vertrag. Mané trägt die Last der Verantwortung nicht mehr alleine. Spieler wie Kalidou Koulibaly, brillianter Verteidiger des italienischen Erstligisten SSC Neapel, oder Idrissa Gueye, Mittelfeldspieler des englischen Premier-League-Klubs FC Everton, haben auch ihren Teil dazu beigetragen, dass die Mannschaft die hohen Erwartungen bisher erfüllt hat. Im Finale muss Senegal allerdings ohne Koulibaly auskommen, der nach seiner zweiten Gelben Karte in den K.o.-Runden gesperrt ist.
Babacar ist einer wenigen glücklichen senegalesischen Fans, die trotz der Schwierigkeiten, Visa für Ägypten zu bekommen, und ungeachtet der teuren Reise beim Finale in Kairo live dabei sein werden. Ein klein wenig bedauert er es aber doch, dass er nicht in der Heimat mit seinen fußballverrückten Landsleuten feiern kann. "Der Fußball ist etwas, woran sich die Leute festhalten können", sagt Babacar der DW. "Sie mögen kein Geld, kein Essen oder kein Wasser haben. Aber wenn sie Fußball gucken, können sie ihren Problemen für eine Weile entkommen." So könne der Sieg beim Afrika Cup zu einem Segen für den Senegal werden. "Wenn sie den Titel holen, wird Dakar Kopf stehen." Und die Senegalesen werden vielleicht endlich Sadio Mané ins Herz schließen.