Sabotageakte auf iranisches Atomprogramm
1. Dezember 2010In zwei separaten Vorfällen machten die Angreifer sich das Verkehrschaos auf Teherans Straßen zu Nutzen: Mit dem Motorrad fuhren sie an die Fahrzeuge ihrer Opfer heran, zündeten einen Sprengsatz und entkamen unentdeckt. Für Vizepräsident Mohamad Reza Rahimi stand gleich fest, dass die Angriffe aus dem Ausland gesteuert waren: "Diejenigen, die vorgeben, gegen den Terror zu kämpfen, haben selbst zur Waffe des Terrors gegriffen", schäumte der Vizepräsident vor Wut. "Und wir werden die teuflische Verkleidung von ihrem Gesicht reißen und ihre Identität aufdecken."
Iranische Atomphysiker leben gefährlich
Niemand glaubt an Zufall, auch nicht an die Aktion einer inneriranischen Opposition: Innerhalb von weniger als einem Jahr sind zwei iranische Atomwissenschaftler bei solchen Anschlägen umgekommen. Ein dritter wurde schwer verletzt. Ein weiterer Atomphysiker war unter ebenso rätselhaften Umständen während einer Reise nach Saudi-Arabien verschwunden. Er tauchte in den USA wieder auf und kehrte dann in den Iran zurück, wo man seitdem nichts mehr von ihm gehört hat. Vieles deutet darauf hin, dass das iranische Atomprogramm und seine Mitarbeiter unter immer massiveren Druck kommen. Und es scheint, als seien die Urheber tatsächlich dort zu suchen, wo auch Präsident Mahmud Ahmadinejad sie ausmacht: im Westen und in Israel.
Israel im Verdacht
Beweise für diese These gibt es bisher nicht; sie werden sich auch wohl so rasch nicht finden lassen. Denn wer im Herzen der iranischen Hauptstadt solche Anschläge durchführen kann, der ist wohl Profi genug, sich dem staatlichen Zugriff Teherans zu entziehen. Und man muss Israel gar nicht so tief hassen wie Ahmadinedschad, um es für den Hauptverdächtigen zu halten: Immer wieder hat Israel im Laufe seiner Geschichte gezeigt, dass es jenseits der Landesgrenzen operiert und dort wirkliche wie vermeintliche Feinde ausschaltet. Dabei nimmt es herzlich wenig Rücksicht darauf, ob hierbei die Souveränität befreundeter oder verfeindeter Staaten verletzt wird.
Bereits in den 1960er Jahren hatte der israelische Geheimdienst zum Beispiel eine Gruppe deutscher Raketenspezialisten in Kairo ausgemacht. Als politischer Druck auf Bonn nichts nutzte, schickte Israel ein Sprengstoff-Päckchen. Eine Mitarbeiterin, die das Päckchen öffnete, erblindete, die Raketenbauer verließen das Land am Nil. Vertreter der PLO wurden vom israelischen Geheimdienst systematisch weltweit verfolgt und nicht nur im Libanon, Syrien und Jordanien umgebracht, sondern auch in befreundeten europäischen Staaten.
Keine einzige Verurteilung
Nachdem die PLO sich in Oslo zum Frieden mit Israel bereit erklärte, wurden Angehörige von Hamas und Hisbollah zur Zielscheibe. Das letzte Mal im Frühling dieses Jahres, als ein Trupp von israelischen Agenten mit falschen Pässen nach Dubai reiste. Dort brachten sie den Hamas-Funktionär Mahmoud al-Mabhouh um und reisten unbehelligt wieder ab. Für all diese Morde wurde bislang kein einziger Agent des israelischen Geheimdienstes zur Rechenschaft gezogen. Nur im Fall Dubais wurde ein Verdächtiger in Warschau festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert. Die deutschen Behörden aber wollten ihn nur wegen Passvergehens belangen und setzten ihn auf freien Fuß. Er ist längst zurück in Israel und wird natürlich zu keinem Gerichtstermin nach Deutschland kommen.
Dies mögen alles noch Indizien sein, die auf eine israelische Täterschaft hindeuten. Das Bild wird jedoch noch deutlicher, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, was der in wenigen Wochen scheidende Chef des "Mossad", Meir Dagan, bereits vor geraumer Zeit gegenüber dem Iran empfahl: Wenn es unmöglich sei, die iranischen Atomanlagen anzugreifen und zu zerstören – wie 1981 den irakischen Atomreaktor "Ossirak" -, wenn auch die internationalen Sanktionen gegen den Iran wirkungslos blieben, dann müsse man eben zu "verdeckten Operationen" übergehen. Ein Ausdruck, der ebenso für Sabotage benutzt wird wie für Mord, Entführung, Abwerbung und ähnliches. Der Mossad, so scheint es, versteht sich darauf besser als die britischen oder amerikanischen Kollegen. Teheran wird sich dagegen wappnen müssen.
Autor: Peter Philipp
Redaktion: Thomas Latschan