Simbabwe: Staatschef Mugabe unter Hausarrest
15. November 2017Die Information zum Hausarrest stammt vom südafrikanischen Staatschef Jacob Zuma, der mit Präsident Robert Mugabe (93) telefoniert habe. Mugabe versicherte demnach, wohlauf zu sein.
Aus Zumas Büro hieß es weiter, um bei der friedlichen Beilegung der Krise zu helfen, würden die südafrikanische Verteidigungsministerin Nosiviwe Mapisa-Nqakula und Sicherheitsminister Bongani Bongo nach Simbabwe reisen. Sie würden sich mit dem Präsidenten und der Militärführung besprechen.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin sagte, die Lage sei noch zu unübersichtlich, um zu beurteilen, ob es sich um einen Militärputsch handele. Er rief alle Seiten auf, von Gewalt abzusehen und stattdessen in den Dialog zu treten.
Der Präsident der oppositionellen ZPD-Partei und Ex-Finanzminister Tendai Biti sagte der Deutschen Welle (DW), er verurteile die illegale Machtenteignung durch das Militär. "Wir erkennen an, dass es keinen Verlust von Leben und kein massives Eingreifen im Leben von Simbabwern gegeben hat", erklärte er im Hinblick auf die Rolle des Militärs. Er räumte ein, dass es in seinem Land "echte Probleme" gebe, "die angegangen werden müssen". Biti fügte hinzu: "Es gibt eine Wirtschaftskrise, eine politische Krise um Präsident Mugabe und die Nachfolgefrage. Es besteht die ernsthafte Gefahr einer dynastischen Übernahme durch Präsident Mugabes Ehefrau. Es gibt eine soziale Krise, eine Krise des moralischen Zusammenbruchs des Staates."
Fernsehansprache mitten in der Nacht
Der Generalmajor Sibusiso Moyo erklärte in einer Ansprache im staatlichen Fernsehen - hier verlinkt im genauen Wortlaut -, es gehe darum, eine "sich verschlimmernde politische, soziale und wirtschaftliche" Krise zu überwinden. Es handele sich nicht um einen Militärputsch, betonte er. Es gehe "nur" darum, "Verbrecher im Umfeld" des Präsidenten zur Strecke zu bringen. Mugabe und seine Familie seien in Sicherheit. "Sobald wir unsere Mission erfüllt haben, erwarten wir eine Rückkehr zur Normalität", sagte Moyo.
Der Militärvertreter forderte alle Sicherheitskräfte auf, mit dem Militär zu kooperieren. Auf Provokationen würde angemessen reagiert werden, warnte er. An die Justiz gerichtet sagte Moyo: "Die eingeleiteten Maßnahmen zielen darauf ab sicherzustellen, dass Sie als unabhängiger Zweig des Staates in der Lage sind, Ihre unabhängige Autorität ausüben zu können - ohne Angst behindert zu werden."
Der Amtssitz des Präsidenten in der Hauptstadt Harare und das Parlament sind nach Angaben eines Reporters der Deutschen Presse-Agentur von Soldaten abgeriegelt. Auch das staatliche Fernsehen ZBC soll unter Militärkontrolle stehen. Augenzeugen zufolge wurde der Finanzminister Ignatius Chombo festgenommen. Er gilt als Unterstützer der First Lady Grace Mugabe.
DW-Mitarbeiter verprügelt
Ein Korrespondent der Deutschen Welle berichtete, dass er vergangene Nacht von Soldaten zusammengeschlagen wurde. Er sei zu einem als Pressekonferenz deklarierten Treffen gegangen, das vorgeblich vom Militär in einer Baracke einberufen worden war. Zwar habe er keine Knochenbrüche, aber schwerwiegende Probleme mit dem Sitzen und Gehen. "Ich werde tagelang nicht arbeiten können", so der Korrespondent, der nur noch mit einem Finger tippen kann. Mindestens ein Kollege eines Lokalradios sei noch im Krankenhaus.
In der Nacht hatte es Augenzeugen zufolge mindestens drei laute Explosionen in Harare gegeben. Ein Anwohner sagte der Nachrichtenagentur AFP, kurz nach 2.00 Uhr (Ortszeit) seien aus Richtung von Mugabes Wohnsitz in kurzer Zeit 30 bis 40 Schüsse zu hören gewesen. Seit Dienstag war es zu einer verstärkten Militärpräsenz in der Hauptstadt gekommen.
Botschaften schließen
Mehrere Botschaften westlicher Länder sowie das Auswärtige Amt ermahnten ihre Staatsbürger in Simbabwe wegen der unklaren Situation zu großer Vorsicht und forderten sie auf, zu Hause zu bleiben. Die US-Botschaft sowie die niederländische Botschaft sollten am Mittwoch geschlossen bleiben.
Der Hintergrund: Massive Kritik des Armeechefs
Die Zuspitzung der Krise ergab sich, nachdem Militärchef General Constantino Chiwenga der Regierung von Langzeitpräsident Mugabe am Montag öffentlich gedroht hatte, die Armee sei angesichts der Krise im Land bereit "einzuschreiten".
Mugabe hatte vergangene Woche seinen Vizepräsidenten Emmerson Mnangagwa gefeuert, einen Verbündeten von Armeechef Chiwenga. Die beiden kämpften mit Mugabe zusammen in den 1970er Jahren gegen das weiße Minderheitsregime im damaligen Rhodesien.
Chiwenga kritisierte die von Mugabe angestrebten Entlassungen von weiteren Politikern der alten Garde in Folge der Absetzung des Vizepräsidenten. "Das muss aufhören", forderte der Armeechef. Er kritisierte auch, dass sich die wirtschaftliche Lage in Simbabwe wegen Grabenkämpfen der Regierungspartei ZANU-PF seit Jahren nicht verbessert habe.
Die Partei erklärte daraufhin am Dienstagabend, die Äußerungen Chiwengas kämen einem Verrat und der Anstachelung zur gewaltsamen Auflehnung gegen die verfassungsrechtliche Ordnung gleich.
First Lady will vorrücken
Sowohl der Armeechef Chiwenga als auch der abgesetzte Vizepräsident Mnangagwa gelten als Kritiker von First Lady Grace Mugabe (52). Beobachter gehen davon aus, dass der Vizepräsident entlassen wurde, damit Mugabes Frau an diese Stelle rücken kann. Innerhalb der ZANU-PF lieferten sich in den vergangenen Jahren die beiden Fraktionen um Grace Mugabe und Mnangagwa einen Machtkampf um die Nachfolge des 93-jährigen Präsidenten. Mnangagwa genoss - anders als die First Lady - den Rückhalt des Militärs.
Robert Mugabe ist Afrikas ältester Staatschef und regiert Simbabwe seit 37 Jahren mit harter Hand. Er wird wegen der schweren Wirtschaftskrise und Übergriffen auf Journalisten, weiße Farmer und Oppositionelle kritisiert. Trotz seines hohen Alters weigerte er sich bisher, einen Nachfolger zu benennen. Bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr will er erneut antreten. Allgemein wird damit gerechnet, dass sein Amt erst mit seinem Tod frei wird.
Simbabwe mit seinen etwa 15 Millionen Einwohnern gehört einem UN-Index zufolge zu den ärmsten Staaten der Welt. Mugabe hat die frühere Kornkammer des südlichen Afrikas heruntergewirtschaftet. Das Land hat sich bislang noch nicht von einer schweren Wirtschaftskrise erholt, in Folge derer es 2008 zu einer extremen Inflationsrate und dem Zerfall der Landeswährung kam.
ust/sti/kle (dpa, afp, epd, rtr, ap, DW, auswaertiges-amt.de, zbc.co.zw)