Rückt Bayern weiter nach rechts?
25. März 2018Pittoresk, wohlhabend, konservativ. In vielerlei Hinsicht steht Ansbach stellvertretend für Bayern. Eine Stadt, in der früher die CSU, die bayrische Schwesterpartei von Angela Merkels CDU, bei Wahlen jeder Art Mehrheiten erzielte. Das ist vorbei. Bei der Bundestagswahl im September 2017 bekam die Christlich-Soziale Union lediglich 40 Prozent der Stimmen. Knapp 12 Prozent der Wähler entschieden sich für die Alternative für Deutschland (AfD) - das entspricht fast dem nationalen Durchschnittsergebnis der Rechtspopulisten.
Einige Ansbacher seien enttäuscht von der gemäßigten Politik der Bundeskanzlerin und ihrer bayrischen Partnerpartei, der CSU, sagt der katholische Dekan und Pfarrer Hans Kern.
"Manche Leute finden sich nicht wieder in Frau Merkel", erklärt Kern. "Die Leute sind heute schon kritischer und wählen eine Partei nicht aus Tradition, sondern fragen sich: Kann ich diese Partei überhaupt noch wählen?"
Als Hauptsorge nennt Kern nicht die Angst vor Einwanderung, sondern die Schere zwischen Arm und Reich. Viele Ansbacher, sagt Kern, bangten um ihre Zukunft, es gebe "viel versteckte Armut". Die beiden Caritas-Missionen und die "Tafel" seien zurzeit sehr in Anspruch genommen. Einige Gebäude in der sonst so hübschen Innenstadt stehen leer. Das Schild des heimischen Trachtenladens hat einen großen Riss. Symbol eines angeknacksten, AfD-anfälligen Bayerns?
Und dann sind da noch die Asylbewerber.
Nach dem Selbstmordanschlag
Am 24. Juli 2016 sprengte ein psychisch labiler Flüchtling, dessen Antrag auf Asyl abgelehnt worden war, mitten in der Ansbacher Altstadt einen Rucksack voller Sprengstoff in die Luft. Außer dem Attentäter starb niemand, aber 15 Menschen wurden verletzt, einige schwer. Ein Schock, sagt Kern, den die Ansbacher aber mittlerweile überwunden hätten.
Angesichts eines solchen Attentats ist mancher schon fast erstaunt, dass die einwanderungsfeindliche AfD es nur auf 11,8 Prozent in Ansbach brachte. Fremdenfeindliche Pegida-Demos wie in Dresden zum Beispiel gab es in Ansbach jedenfalls nicht.
Aber dass die Veränderungen im Stadtbild durch Migration soziale Spannung erzeugen, will auch Pfarrer Kern nicht leugnen. Die Grundschule neben seinem Büro, früher eine katholische Konfessionsschule, werde heute zu 60 bis 80 Prozent von Kindern mit Migrationshintergrund besucht. Das ist die neue bayrische Realität, auf die der neue deutsche Innenminister Horst Seehofer, der neue bayerische Ministerpräsident Markus Söder und andere führende CSU-Politiker vor der Landtagswahl im Oktober reagieren müssen.
Konservatismus in der Turnhalle
Will die CSU den Zulauf zur AfD eindämmen, sagen manche in der Partei, muss sie sich viel überzeugender als eine wirklich konservative Partei verkaufen. Dafür streitet der Ansbacher CSU-Mann Andreas Schalk, zum Beispiel bei einer Podiumsdiskussion mit Vertretern anderer Parteien vor Erstwählern.
"Wir müssen die Grenzen und Begrenzungen, die wir haben, wieder klar durchsetzen", sagt Schalk der DW vor der Veranstaltung. "Ich bin auch ganz zuversichtlich, dass wir mit dem Bundesinnenminister Horst Seehofer Glaubwürdigkeit zurückgewinnen können. Es ist gut, wenn wir bei den schwarzen Schafen klare Kante zeigen."
Klar definierte konservative Positionen - wie zum Beispiel eine restriktivere Haltung Migranten und Flüchtlingen gegenüber - das ist für viele CSUler das Rezept gegen die AfD. Schalk beruft sich auf den oft zitierten Spruch des CSU-Übervaters Franz Josef Strauß aus dem Jahr 1986: "Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben!"
Um solche Dinge sorgt man sich in den Ansbacher Turnhallen eher nicht. Zwischen Basketballkörben fragen sich die anwesenden Teenager eher, ob Handynutzung in der Schule und Marihuanakonsum erlaubt sind. Aber immerhin schneidet Schalk bei den Teenagern besser ab als sein Kontrahent von der AfD, als eine Schülerin mit Kopftuch und andere die Politiker nach ihrer Meinung zu Rassismus befragen. Das wird der CSU bei der Landtagswahl wenig helfen. Die Wahlbeteiligung bei Jugendlichen ist bekanntlich nie hoch.
Verprellt durch nicht eingehaltene Versprechen
Und die AfD? Fürchten die Rechtspopulisten einen Schwenk der CSU in ihre Richtung?
"Ich mache mir keine Sorgen", sagt der AfD-Funktionär Siegfried Lang in Berlin. "Als Strauß seinen Spruch gebracht hat, war ich in der CSU. Ich bin auf meinen Positionen geblieben, nur die Partei hat sich wegbewegt."
Lang sagt, dass Deutschland strenger "zwischen Kriegsflüchtlingen und Wirtschaftsflüchtlingen differenzieren" solle. Den rassistischen Sprachduktus mancher AfD-Parteifreunde benutzt er nicht. Der Vertreter der moderaten Gruppe der "Alternativen Mitte" ist eines der freundlicheren AfD-Gesichter.
"Ich habe ein gutes Leben gehabt und will, dass meine Enkelkinder das auch sagen können", resümiert Lang. Im Herbst will er für einen Sitz im Bayerischen Landtag kandidieren. Dann wird sich zeigen, ob es der bayrischen AfD gelingt, sich rechts von der CSU zu etablieren, und ob die Gemäßigten oder die Hardliner das Sagen bekommen. Dass auch in der CSU der Ton um einiges rauer werden wird im Kampf um Stimmen im rechten politischen Spektrum, das bezweifelt niemand.