Rückkehr zum Bürgerkrieg
22. Oktober 2013Während des Bürgerkrieges in Mosambik von 1976 bis 1992 war die "Tete-Run" genannte Straßenverbindung zwischen Malawi und dem mosambikanischen Hafen in Beira legendär. Die Straße galt als extrem gefährlich, denn immer wieder attackierten die RENAMO-Rebellen Lastwagen und Automobile.
Nach 21 Jahren Frieden könnte es demnächst auf den Straßen in die mosambikanische Stadt Tete wieder sehr gefährlich werden. Denn die RENAMO (Resistência Nacional Moçambicana) hat das Friedensabkommen mit der von der FRELIMO (Frente de Libertação de Moçambique) geführten Regierung von 1992 gekündigt.
Regierungssoldaten hatten am Montag (21.10.2013) das RENAMO-Hauptquartier bombardiert und eingenommen. Der Führer der RENAMO, Afonso Dhlakama, hatte sich bereits vor einem Jahr zusammen mit mehreren hundert bewaffneten Männern in den Ort Satunjira im Gorongosa-Gebirge in Zentralmosambik zurückgezogen. Dort hatte die RENAMO bereits während des Bürgerkrieges ihre "Casa Banana" genannte Basis unterhalten.
Afonso Dhlakama konnte entkommen, beantwortete den Angriff der Regierung allerdings damit, das Friedensabkommen zu kündigen. "Der Angriff auf die Basis von Parteipräsident Afonso Dhlakama ist eine Kriegserklärung, da es eine Offensive der Armee war", sagte RENAMO-Sprecher Fernando Mazanga im Interview mit der DW. "Afonso Dhlakama kämpft angesichts des Armeeangriffs um sein Überleben. Und deshalb sagen wir der Welt: Wir beenden das Friedensabkommen!", so Mazanga weiter.
Krise mit Ankündigung
Seit den Feiern zum 20. Jahrestag des Friedensabkommens im Oktober 2012 haben sich die Spannungen zwischen der größten Oppositionspartei des Landes, der RENAMO, und der Regierung der FRELIMO verschärft. Bereits im April hatten RENAMO-Kämpfer eine Polizeistation in der Provinz Sofala, der RENAMO-Hochburg in Mittelmosambik, angegriffen. Dabei hatte es fünf Tote gegeben. Außerdem töteten Kämpfer der Partei zwei Zivilisten bei einem Angriff auf einen Bus und einen Lastwagen auf einer der Hauptverkehrsrouten. Seitdem kann ein Abschnitt der einzigen Nord-Süd-Straßenverbindung Mosambiks nur noch mit von Militärs bewachten Konvois befahren werden.
Die RENAMO kritisiert die Dominanz der FRELIMO im Staatsapparat und verlangt mehr Teilhabe an den politischen Entscheidungen. Der deutsche Entwicklungsberater Rainer Tump war in diesem Jahr mehrfach in Mosambik unterwegs und ist überrascht über das große Verständnis in der Bevölkerung gegenüber den zum Teil sehr brutalen Aktionen der größten Oppositionspartei: "Die Sätze beginnen immer damit: 'Ja, es ist nicht gut, was die RENAMO macht, aber wir haben Verständnis dafür, weil die RENAMO von der Regierung mit dem Rücken an die Wand gestellt wurde. Die RENAMO hatte keine wirkliche Chance, da sie immer wieder mit Betrug bei Wahlen zu tun hatte.'" berichtet Rainer Tump. "Ich denke, dass vor allem der Staatspräsident einen ganz erheblichen Teil an Schuld an der Lage trägt."
Unter dem seit 2005 amtierenden Präsidenten Armando Guebuza hat sich der Zugriff auf den Staatsapparat durch die FRELIMO deutlich erhöht. Staatsbeamte werden zum Eintritt in die Partei gezwungen, Medien immer stärker kontrolliert. Das sind zwei Kritikpunkte, die nicht nur von RENAMO-Anhängern vorgebracht werden, sondern auch von der Zivilgesellschaft.
Der mosambikanische Journalist Rui Lamarques, Nachrichtenchef der Online-Zeitung @Verdade, sieht in der Jagd der Armee auf Afonso Dhlakama einen Versuch der FRELIMO, den Staat noch stärker zu kontrollieren. "Mit dem Ende von Afonso Dhlakama würde die RENAMO auseinanderfallen und wir würden schnell in Richtung der in Angola herrschenden Verhältnisse schreiten, wo es nur sehr wenige Freiheiten gibt."
Lamarques traut es den anderen Oppositionsparteien oder auch neuen Parteien nicht zu, die FRELIMO ernsthaft herauszufordern. Diese hätten nicht die Wählerbasis der RENAMO. "Sollte Dhlakama sterben, würden die anderen Parteien zwar Wahlen legitimieren, aber durch ihre Schwäche es der herrschenden Partei so ermöglichen, ihre Macht auf ewig festzuschreiben."
Streitpunkt: Wahlen
Entzündet hatten sich die Konflikte zwischen RENAMO und Regierung an den für November 2013 geplanten Kommunalwahlen. Die RENAMO hatte verlangt, die Nationale Wahlkommission paritätisch mit Vertretern der beiden größten Parteien zu besetzen. Die FRELIMO und auch andere Oppositionsparteien wie die von RENAMO-Dissidenten gegründete "Bewegung für Demokratischen Wandel", MDM (Movimento Democrático de Moçambique) hatten sich dem widersetzt. Daraufhin hatte die RENAMO angekündigt, die Wahlen zu boykottieren.
Rainer Tump sieht die RENAMO bei Wahlen in der Vergangenheit mehrfach benachteiligt. Für ihn hätte die internationale Gemeinschaft spätestens beim zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen 1999 einschreiten müssen: "Da hat es massive Manipulationen des Wahlergebnisses gegeben: Hunderttausende Stimmen wurden in RENAMO-Hochburgen für ungültig erklärt", so Tump.
Tump kritisiert weiter, dass bis auf einige skandinavische Länder damals kaum ein Staat - auch Deutschland nicht - mit Nachdruck gefordert habe, das Ergebnis zu überprüfen. "Damals hat die FRELIMO gelernt: Wir können uns so etwas erlauben, wir sind ein wirtschaftlich aufstrebender Staat. Die internationale Gemeinschaft will Stabilität, also können wir auch weiter manipulieren."
Militärischer Angriff mit wirtschaftlichen Folgen
Zwar ist kaum vorstellbar, dass die RENAMO militärisch an ihre Stärke während des 1992 zu Ende gegangenen Bürgerkriegs anknüpfen kann. In dem Konflikt, der etwa 900.000 Menschen das Leben gekostet hat, wurden die Rebellen von den inzwischen abgelösten Apartheid-Regimen in Rhodesien (heute Simbabwe) und Südafrika unterstützt.
Doch für die Volkswirtschaft Mosambiks, die mit etwa 7 Prozent jährlichem Wachstum zu den am schnellsten expandierenden der Welt gehört, könnte der Konflikt durchaus großen Schaden zur Folge haben.
Das gilt vor allem für die Kohleindustrie. In der Provinz Tete haben Rohstoffkonzerne wie das brasilianische Unternehmen Vale und die britische Firma Rio Tinto mehrere Milliarden Dollar investiert. Sie sind für den Export der Kohle auf die Straßen und Eisenbahnlinien durch die RENAMO-Hochburgen in der Provinz Sofala angewiesen. Angesichts der gesunkenen Weltmarktpreise für Kohle, könnte die Fahrt über von Rebellen bedrohte Straßen wie den "Tete-Run" und Schienen wie die "Linha de Sena" bald zu gefährlich und zu teuer werden, um Kohle gewinnbringend zu exportieren.