1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Rückkehr nach Montauk" kommt ins Kino

Jochen Kürten
10. Mai 2017

Die Welturaufführung von "Rückkehr nach Montauk" fiel beim Berlinale-Publikum durch. Seitens der Presse hagelte es Verrisse. Dabei hat Volker Schlöndorffs neuer Film viel zu bieten. Jetzt kommt er ins Kino.

https://p.dw.com/p/2cecM
Berlinale 2017 - Return to Montauk
Bild: Wild Bunch Germany 2017 / Ann Ray

Seine jüngste Berlinale-Teilnahme bedauert der Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff inzwischen. In einem Radiointerview sagte Schlöndorff kurz vor dem deutschen Kinostart von "Rückkehr nach Montauk" am 11. Mai.: "Es war eine Fehlentscheidung, auf die Berlinale zu gehen." Eine überraschende, wie ehrliche Feststellung. Die negative Berlinale-Berichterstattung hat den Regisseur verletzt. Ein wenig Verständnis zeigte er aber: Bei den Filmfestspielen erwarte man "zu recht sozialkritische Filme, etwa über Flüchtlinge", so der Regisseur. Darüber kann man natürlich streiten.

Deutsche Filme haben es auf der Berlinale oft schwer

"Auch der Seelenschmerz gehört nun mal zum Leben", räumte Schlöndorff dann auch ein. Das ist richtig. "Rückkehr nach Montauk" handelt von Seelenschmerz. Davon hat der Film reichlich. Schlöndorff hat bei der Berlinale aber nur die Erfahrung gemacht, die vor ihm schon so manche Kollegen machen mussten.

Berlinale | Eröffnungsgala und Filmpremiere "Django" | Volker Schloendorff
Nur bei der abendlichen Gala-Premiere in Berlin war die Stimmung gut: Schlöndorff und seine Frau AngelikaBild: picture alliance/AP Photo/M. Sohn

Im Wettbewerb des größten deutschen Filmfestivals werden einheimische Beiträge immer besonders kritisch beurteilt. Es hat in der Geschichte der Berlinale schon legendär-vernichtende Premieren gegeben. Premieren, die in Buh-Rufen, Pfiffen und hämischen Kommentaren untergegangen sind. Das hat schon bei so manch anderen Filmemachern Spuren hinterlassen.

Schlöndorffs Ex-Frau, die Regisseurin Margarethe von Trotta, musste 1983 lautstarke Unmutsäußerungen während der Vorstellung ihres Films "Heller Wahn" bei der Berlinale-Premiere über sich ergehen lassen. Ein aktuelleres Beispiel ist Romuald Karmakar, dessen Film "Die Nacht singt ihre Lieder" 2004 im Wettbewerb der Festspiele heftig niedergemacht wurde. Deutsche Filme im Rennen um den Goldenen Bären - das ist ein Kapitel für sich.

Schlöndorff liegen Romanverfilmungen

Margarethe von Trotta wird 75
Auch Schlöndorffs Ex-Frau Margarethe von Trotta hatte ihr "Berlinale-Erlebnis"Bild: picture-alliance/dpa/C. Gus

Doch zurück zum Film, der jetzt in die deutschen Kinos kommt. Die meisten Zuschauer dürften beim Filmtitel "Rückkehr nach Montauk" erst einmal an "Homo Faber" denken. Schließlich hatte Schlöndorff mit seiner Kinoadaption 1991 schon einmal einen literarischen Welterfolg des berühmten Schweizer Autors Max Frisch für die Leinwand verfilmt. Und gilt Schlöndorff, der Heinrich Böll und Margaret Atwood, Bertolt Brecht, Arthur Miller und Robert Musil ins Kino brachte, nicht als der filmische Literaturexperte in Deutschland? Auch die Goldene Palme und den Oscars gab's 1979/80 für eine Romanverfilmung: Günter Grass' "Die Blechtrommel".

Hommage an Max Frisch

Max Frisch hatte "Montauk" 1975 geschrieben. Der Roman gilt unter Experten als dessen autobiografischstes Buch. "Rückkehr nach Montauk" von Schlöndorff ist aber keine Kino-Adaption von Frischs Text. "Wenn man dieses Buch verfilmen könnte, hätte ich das längst getan", hat Schlöndorff in einem Interview vor der Berlinale gesagt: "Ich hatte mit Max Frisch darüber diskutiert, als wir an 'Homo Faber' gearbeitet haben, und wir waren uns einig: viel zu autobiografisch, zu essayistisch. Das ist keine Filmerzählung."

Berlinale Filmstill Return to Montauk | Rückkehr nach Montauk von Volker Schlöndorff
Nina Hoss und Stellan Skarsgård in "Rückkehr nach Montauk"Bild: Wild Bunch Germany 2017/Ann Ray

Und doch hat der neue Schlöndorff-Film sehr viel mit Max Frisch zu tun: "Ein paar Jahrzehnte später, dachte ich: Wie wäre es denn, wenn man nur die Grundkonstellation übernimmt? Ein Schriftsteller kommt nach New York, um seinen neuen Roman vorzustellen. Dabei begegnet er Menschen aus seiner Vergangenheit und Gegenwart, und es ergibt innerhalb einer Woche oder eines Wochenendes eine im Grunde einfache Geschichte - ohne Aussage, wie bei Max Frisch."

Beziehungsgeflechte in "Rückkehr nach Montauk"

Der schwedische Schauspieler Stellan Skarsgård spielt in "Rückkehr nach Montauk" nun jenen Schriftsteller Max Zorn, der sein neues Buch auf einer Lesereise in New York vorstellt. Dabei wird er von seiner wesentlich jüngeren deutschen Freundin Clara (Susanne Wolff) begleitet. Eher zufällig trifft Zorn in New York einen alten Weggefährten aus früheren Zeiten. Durch ihn gelangt er an die Adresse seiner verflossenen großen Liebe Rebecca (Nina Hoss). Mit ihr verbringt Max ein Wochenende, in Montauk am Meer. Danach kehrt Zorn zurück zu Clara und reist ohne sie wieder nach Deutschland.

Berlinale Filmstill Return to Montauk | Rückkehr nach Montauk von Volker Schlöndorff
Jung und Alt treffen sich in New York: Susanne Wolff und Stellan SkarsgårdBild: Wild Bunch Germany 2017/Franziska Strauss

"Rückkehr nach Montauk" ist eine Hommage an Max Frisch, in der sich Schlöndorff von dem Schriftsteller sowie eigenen Erlebnissen inspirieren ließ. Hinzu kam ein weiteres literarisches Schwergewicht. "Max Frisch hat sinngemäß einmal gesagt: 'Jeder, der auf sein Leben zurückblickt, hat das Gefühl, es sei ein Roman'", so Schlöndorff. "Um diesen Roman zu schreiben, habe ich mir einen Schriftsteller an meine Seite geholt: Colm Tóibín, den ich seit Jahren persönlich kenne."

Dreigestirn: Frisch, Schlöndorff und Tóibín

Max Frisch und der irische Autor Colm Tóibín, dazu der Literaturliebhaber Schlöndorff  - ist das nicht möglicherweise zu viel Intellekt für einen Film? Kann das gut gehen? Es ist gut gegangen.

Deutschland München Filmpremiere "Rückkehr nach Montauk"
Volker Schlöndorff bei der offiziellen Deutschland-Premiere in München im Mai 2017Bild: picture-alliance/AAPimages/Marx

"Rückkehr nach Montauk" ist ein sehr wehmütiger Film geworden, langsam in seinem dramaturgischen Rhythmus, ein wenig traurig, melancholisch von der Grundstimmung her. Skarsgård und Hoss spielen eindringlich und überzeugend das Paar, das einer Vergangenheit nachhängt, aber keine Zukunft hat. Die Musik, die der deutsche Filmkomponist Max Richter eigens für die "Rückkehr nach Montauk" geschrieben hat, unterstützt die Stimmung des Films.  

"Ich habe seit Jahren nur historische Filme gedreht, noch dazu über den Zweiten Weltkrieg oder mit politischem Inhalt", sagt Schlöndorff. Er könne sich gar nicht mehr erinnern, wann er die letzte zeitgenössische Geschichte erzählt habe, die "im Hier und Heute spielt".

Vielleicht ist "Rückkehr nach Montauk" ein altmodischer Film geworden über Menschen, die mit der Vergangenheit hadern, die verpassten Möglichkeiten nachhängen. Ein Alterswerk auf jeden Fall. Schlöndorff ist inzwischen 77 Jahre alt. 

Volker Schlöndorff: "Der große Digitalrausch ist vorbei"

Und doch ist "Rückkehr nach Montauk" auch ein moderner Film, der Geschichten über Menschen "im Hier und Jetzt" erzählt. Mit viel psychologischem Feingefühl dringt der Regisseur in das Wesen seiner Protagonisten vor. Mit wenigen, aber markanten Strichen erzählen er und seine Schauspieler von Verlust und Lebensängsten, von Sehnsüchten sowie neuen und alten Hoffnungen: "Nachdem der große Digitalrausch nun langsam vorbei ist, kann man wieder auf einfachste Mittel zurückgreifen und einen Film nicht um der technischen Möglichkeiten willen machen", sagt Schlöndorff. Das sei ihm sehr wichtig gewesen.

Filmplakat - Rückkehr nach Montauk von Volker Schlöndorff
Elegische Bilder, viele Dialoge, melancholische Stimmung: "Rückkehr nach Montauk"Bild: Wild Bunch

Hinzu kommen die magischen Bilder, die Schlöndorffs französischer Kameramann Jérôme Alméras auf die Leinwand gezaubert hat. Zugegeben, die Schauplätze, die der Regisseur und sein Team an der Ostküste der USA vorgefunden haben, sind phantastisch. Schlöndorff erinnert daran, dass es damals Max Frisch war, der diesen magischen Ort selbst vielen Amerikanern erst nahegebracht hätte: "Vorher hat kein Mensch auf diesen Leuchtturm in Long Island geachtet, in den USA war Montauk überhaupt kein Begriff. Und plötzlich hat Max Frisch durch seine Erzählung diesen Ort in einen Mythos verwandelt." 

Ein Ort, so Schlöndorff, "wo man losgelöst ist von allem - nur der hohe Himmel und der endlose Strand - und überwältigt wird von Erinnerungen. Auf einmal tauchen am Strand die Geister auf, aus dem eigenen Unterbewusstsein."

Erfolg an der Kinokasse?

Bleibt abzuwarten, wie sich "Rückkehr nach Montauk" jetzt beim Publikum schlägt. Es ist durchaus möglich, dass die Namen Schlöndorff und Frisch die Zuschauer anziehen - und dass sich viele von den schlechten Kritiken nicht abschrecken lassen. Sein Film sei "wahrscheinlich am falschen Ort" zur Aufführung gekommen, sagt der Regisseur heute zur missratenen Berlinale-Premiere im Februar. Die Häme der Kritik habe ihn verletzt. Ein großer Publikumszuspruch könnte Volker Schlöndorff sicherlich trösten.