Rückkehr des "Boxers"
4. April 2004
Bei der Präsidentenwahl in der Slowakei haben die Kandidaten des rechtsliberalen Regierungslagers eine schwere Niederlage erlitten. Mit 32,7 Prozent erhielt der frühere Ministerpräsident Vladimir Meciar nach Angaben der Wahlkommission vom Sonntag (4.4.2004) die meisten Stimmen. In der Stichwahl tritt Meciar gegen seinen früheren Weggenossen Ivan Gasparovic an, der auf 22,3 Prozent kam. Der in den Umfragen favorisierte Außenminister Eduard Kukan landete mit 22,1 Prozent nur auf dem dritten Platz.
Beteiligung unter 50 Prozent
Gescheitert ist jedoch das von der Opposition und den Gewerkschaften initiierte Referendum über eine vorzeitige Parlamentswahl noch in diesem Jahr, weil die Beteiligung unter dem erforderlichen Quorum von 50 Prozent blieb. Mit 47 Prozent lag auch die Beteiligung an der Präsidentenwahl nach einer Meldung der amtlichen Nachrichtenagentur TASR weit unter den Erwartungen. Unter Meciars Regierung der zentristischen Bewegung für eine Demokratische Slowakei (HZDS) war die Slowakei lange Zeit international isoliert. Der ehemalige Boxer löste das Land 1993 aus dem gemeinsamen Staat mit der Tschechischen Republik und regierte bis 1998. Seine Gegner warfen ihm einen autoritären Regierungsstil und Korruption vor.
Erst nach Ablösung der HTDS wurden die Reformen eingeleitet, die der Slowakei in diesem Jahr den Beitritt zur NATO und in die Europäische Union geebnet hat. 1999 kandidierte Meciar bei der ersten Direktwahl für das auf repräsentative Aufgaben beschränkte Präsidentenamt, unterlag aber dem bisherigen Amtsinhaber Rudolf Schuster in der Stichwahl. Schuster erhielt als parteiloser Politiker bei der Wahl am Samstag nur 7,4 Prozent und wurde damit vierter der elf Kandidaten.
Opposition kritisiert Sozial- und Steuerpolitik
Der überraschend für die Stichwahl qualifizierte Gasparovic gehörte bis 2002 Meciars Partei HZDS an und gründete danach seine eigene Partei, Smets. Diese war die treibende Kraft hinter den Bemühungen um eine vorgezogene Neuwahl des Parlaments. Die Opposition beschuldigt die Regierung von Ministerpräsident Mikulas Dzurinda und seiner Slowakischen Demokratischen und Christlichen Union (SDKU), dass ihre Wirtschafts- und Steuerreformen sozial unausgewogen seien.
Auch wenn das Amt des Präsidenten eher zeremonieller Natur ist, könnte Meciar nach Einschätzung von Analysten durch seine Veto-Möglichkeiten viel Sand ins Getriebe der auf strikte Reformen ausgerichteten Regierung Dzurindas bringen. "Ich kann meine persönliche Enttäuschung nicht verbergen", sagte der Regierungschef. "Ich werde über die Zukunft der Partei nachdenken, über ihre Struktur, und über mich selbst."
Ab 2009 wird Euro eingeführt
Die Slowakei will 2009 den Euro einführen und muss deshalb ihr Haushaltsdefizit an der in der Euro-Zone geltenden Richtschnur von drei Prozent orientieren. Derzeit liegt es bei knapp vier Prozent. Seit Anfang des Jahres gilt in dem Land eine umfangreiche Steuerreform, durch die die Mehrwertsteuer auf die meisten Güter auf 19 Prozent erhöht sowie Einkommens- und Unternehmenssteuern auf niedrige 19 Prozent gesetzt wurden, um ausländische Investoren anzuziehen. Mit dieser Entscheidung hat sich auch die Slowakei die Kritik ihrer reichen Nachbarn zugezogen, vor allem Deutschlands, das den Osteuropäern ein Abwerben von Arbeitsplätzen vorhält. (ali)