Römische Schätze am Rhein
24. Mai 2012"Die spinnen, die Römer!“, zitiert ein Junge den Standardsatz von Obelix – und drückt sich die Nase platt an der großen Fensterfront des Römisch-Germanischen Museums. Um ihn herum eine Gruppe von Kindern, aber auch Erwachsene, offensichtlich Touristen, die genauso wie er gebannt in das Museum schauen. Und das hat einen ganz besonderen Grund: einige Meter tiefer liegt das Dionysos-Mosaik, eines der faszinierendsten Mosaike, die bis heute erhalten sind. Hier hat um 220 n.Chr. eine römische Villa gestanden.
"Das Dionysosmosaik ist überhaupt die Ursache, dass das Museum an dieser Stelle steht", erklärt Museumsleiterin Friederike Naumann. "Es wurde im Krieg beim Bau eines Bunkers gefunden. Nach dem Krieg hat man entschieden, dieses Mosaik, das ursprünglich den Boden einer Prachtvilla zierte, zu belassen und das Museum darüber zu bauen.“ Museumsdirektor Marcus Trier ergänzt, dass das Herzstück des Hauses gleich nach dem Krieg der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Selbst in der kriegszerstörten Stadt hätten die Kölner ein offenes Auge für ihre Geschichte gehabt. Aber nicht nur das Mosaik zieht die Blicke der Besucher auf sich. Noch eine andere Attraktion ist schon von draußen zu sehen: oberhalb des Mosaiks steht das rekonstruierte Grabmonument des Legionsveteranen Lucius Poblicius aus der Zeit um 40 n. Chr., eines der größten Grabdenkmäler nördlich der Alpen.
Glas und Schmuck
Das Interesse der Besucher ist geweckt. Der Hauptteil der Sammlungen wird im weitläufigen Obergeschoss gezeigt, das in der Art römischer Häuser um einen Innenhof angelegt ist. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Dom dokumentieren einmalige Schätze den Reichtum der Römer. Staunend stehen die Gäste vor Vitrinen mit etwa 1000 ausgestellten Glasgefäßen, die als Beigaben in Kölner Gräbern gefunden wurden. Bunte Glasfäden oder fein eingeschliffenes Dekor zeugen von dem herausragenden Können der Glasbläser der damaligen Zeit. Die Kölner Sammlung gilt als die weltweit größte römischer Glaskunst. Nur wenige Schritte weiter dann der nächste Publikumsmagnet: römische und frühmittelalterliche Schmuckstücke, gold-schimmernde Schätze, die den Wohlstand ihrer ursprünglichen Besitzer nur erahnen lassen. Die Funde stammen aus Köln, dem Rheinland und von einigen ausgewählten europäischen Fundplätzen.
Archäologische Spurensuche
Das Römisch-Germanische Museum schöpft aus dem archäologischen Erbe der Stadt und des Umlandes von der Urgeschichte bis ins frühe Mittelalter. Ein dritter Themenkreis zeigt Alltagsgegenstände und Objekte der Jäger- und Sammler-Kulturen aus dem Zeitraum 100.000 – ca. 6000 v. Chr., die in der Region gefunden worden sind. Es seien die ersten 100.000 Jahre menschlicher Sesshaftigkeit, die hier dokumentiert werden. "Wir erfassen einen wahnsinnigen Zeitraum, über den es keine schriftlichen Quellen gibt, darüber kann allein die Archäologie berichten", so der Wissenschaftler Marcus Trier. Diese zahlreichen Ausgrabungsstücke verdankt das Römisch-Germanische Museum einer rund 100-jährigen Arbeit der Archäologen. Tausende von römischen Gräbern habe man freigelegt, ganz aktuell seien jetzt im Bereich des Kölner Stadtzentrums über 150 römische Bestattungen ans Tageslicht gekommen, und beim Bau einer neuen Stadtbahn habe man in den letzten zehn Jahren etwa 2,5 Millionen Objekte geborgen. Selbst kleinste Scherben werden dokumentiert, die Fundzusammenhänge fotografisch und in schriftlichen Notizen festgehalten.
Forschergeist contra Stadtplanung
Das geht allerdings nicht immer ganz reibungslos ab. Bauherren, die Projekte in Köln planen, müssen mit einem plötzlichen Baustopp rechnen, wenn beim Ausheben des Fundaments auch nur Bruchstücke von Tonscherben auftauchen, die von historischer Bedeutung sein könnten. Aber der Museumsdirektor nimmt's gelassen. Die Kölner Bodendenkmalpflege sei fester Bestandteil der gesamten Stadtentwicklung. "Wenn man in Köln baut, wird man sehr frühzeitig von uns kontaktiert", erklärt Trier. "Planungsicherheit für die Bauherren: Das ist uns ein ganz wichtiges Anliegen. Die Akzeptanz der Archäologie in Köln ist außerordentlich. Unsere Partner sehen dann ganz deutlich, was dort im Sinne der Öffentlichkeit geschaffen wird."
Die Götter sind unterwegs
Seit der Eröffnung des Museums 1974 gibt es immer wieder spannende Ausstellungen. Derzeit lädt die komplette griechische Götterfamilie nach Köln ein: von Gottvater Zeus und Göttermutter Hera bis zu den Geschwistern Athena, Aphrodite und Apollon – alle sind dabei. Von der Spree sind sie an den Rhein gekommen und ganz uneigennützig sind sie auch nicht unterwegs.
"Diese Ausstellung kommt aus Berlin. Jedes Museum, das diese Skulpturen zeigen möchte, muss eine Figur für die Berliner restaurieren, hat dann aber die Gelegenheit, diesen wirklichen Schatz an Marmorfiguren, griechischen Vasen, Bronzestatuen, bemalten Figuren zeigen zu dürfen“, berichtet Museumsleiterin Friederike Naumann.
Zeitreise in die Antike
Drei Millionen Fundobjekte von Großgrabmälern über Tonscherben bis zu feinstem Glas und zu exklusiven Schmuckstücken aus einem Zeitraum von 100.000 Jahren, da kann man schon mal den Überblick verlieren. Damit die Besucher sich im antiken Köln zurecht finden, gibt es virtuelle Rundgänge durch das römische Köln. Das Römisch-Germanische Museum hat zusammen mit der Fachhochschule Köln das Projekt "Colonia 3D" entwickelt, das den Besucher an die Hand nimmt und in das antike Köln führt. Wenn man dann durch das Museum gehe und die Ausstellungsstücke auf der rechten und linken Seite sehe, dann werde das Leben im römischen Köln schon sehr lebendig, so Friederike Naumann. Offen für alle solle das Römisch-Gemanische Museum sein, das sei ihr das Wichtigste. Schon allein deshalb, weil man durch die großen Fensterscheiben von außen alles sehen könne, was drinnen geschieht.