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"Russland will auf gleicher Augenhöhe mitspielen"

30. August 2007

Im Interview mit DW-WORLD spricht Sergej Jastrschembski, der EU-Beauftragte des Kreml, über die russische Außenpolitik und seine Ansichten über das US-Raketenabwehrsystem und dessen Folgen für die Weltsicherheit.

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"Russland weiß genau, was es will."Bild: DW

DW-WORLD.DE: Herr Jastrschembski, in der letzten Zeit lässt sich beobachten, dass Moskau seine Außenpolitik verändert hat.

Sergej Jastrschembski:

Der Anlass, der die Europäische Gemeinschaft aufrüttelte, war die Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin in München. Viele Politiker räumen ein, dass nach dieser Rede die Welt anfing, Russland als ein Land zu betrachten, das angesichts des gestiegenen Wirtschafts- und Finanzpotenzials mit dem Westen gleichziehen will. Das Hauptziel dieser Rede jedoch war, Russlands Besorgnis im Zusammenhang mit Prozessen zum Ausdruck zu bringen, die in Europa von Nicht-Europäern in Gang gebracht wurden. Ich meine damit die US-Pläne, Raketenabwehrsysteme in Polen und Tschechien zu stationieren. Darüber musste man offen reden, weil die diplomatischen Kontakte, verborgenen Andeutungen und Gespräche unter vier Augen in diesem Fall nicht mehr halfen.

Warum ist

Moskau gegen die US-Pläne für eine Raketenabwehr in Tschechien und Polen?

Das befremdet uns, weil alle in Europa davon überzeugt sind, dass keine Bedrohung von Russland ausgeht. Wovor also muss ein Raketenabwehrsystem schützen, wenn es gar keine Bedrohung gibt? Das bringt einen auf den Gedanken, dass das eigentliche Ziel der amerikanischen Pläne ist, das russische Atomwaffenarsenal zu kontrollieren. Außerdem betrübt uns sehr, dass siebzehn Jahre nach dem Mauerfall in Europa erneut Schranken aufgebaut werden sollen und dass die Initiative dabei auch noch von Nichteuropäern ausgeht.

Welche Argumente hat Russland gegen die Stationierung eines Raketenabwehrsystems in Europa?

Wir betrachten die Begründung für ein solches System als unglaubwürdig. Weder der Iran noch Nordkorea verfügen über die Raketen, vor denen das System angeblich schützen soll. Die maximale Reichweite der iranischen Raketen beträgt 1.300 Kilometer. Die Entfernung zwischen dem Iran und Europa ist 4.000 bis 5.000 Kilometer. Faktisch können iranische Raketen deshalb Europa nicht erreichen. Wofür braucht die USA ihre Abfangraketen und Radargeräte in Polen und Tschechien, wenn diese nur dazu geeignet sind, den Start der iranischen Raketen erst nach ein paar Minuten zu fixieren? Die Radarstation Gabala in Aserbaidschan, deren gemeinsame Nutzung Russland vorschlug, deckt im Unterschied dazu die gesamte Region ab und kann den Start der iranischen Raketen sofort fixieren. Unserer Meinung nach ist die Stationierung des Raketenabwehrsystems keine Militäraktion, sondern eine politische Aktion, deren Ziel es ist, die Beziehungen zwischen Europa und Russland zu beeinträchtigen.

Deshalb hat Moskau eine so harte Position bezüglich der Weltsicherheit?

Nicht Russland hat den Anti-Raketen-Abwehr-Vertrag gekündigt. Diese Entscheidung wurde in Washington getroffen. Nicht Russland hat sich geweigert, den KSE-Vertrag über eine Begrenzung der konventionellen Streitkräfte in Europa zu ratifizieren. Nicht Russland hatte vor, Raketenabwehrsysteme in Osteuropa zu installieren und neue Militärbasen in Bulgarien und Rumänien einzurichten. Wir möchten nicht, dass die Welt sich in diese Richtung entwickelt. Wir müssen auf die veränderten Positionen unserer Partner reagieren, um russische Nationalinteressen zu wahren.

Man wirft Russland häufig imperialistische Politik vor. Der Kreml behauptet, dass seine Politik auf Pragmatismus gegründet ist.

Vielleicht realisiert Europa es noch nicht ganz, aber die Zeit, als die Sowjetunion ihre wirtschaftlichen Interessen einer ideologisierten Außenpolitik nachordnete, ist vorbei. Wir fangen an, das Geld zu zählen und unsere wirtschaftlichen und finanziellen Interessen in den Fokus zu rücken. Unsere Außenpolitik ist heutzutage absolut unpolitisiert und nicht ideologisch. Wir vermitteln anderen Ländern keine Demokratie. Wir behaupten nicht, dass wir die einzigen sind, die den Verlauf der Weltgeschichte verstehen. Und unsere Bestimmung ist es nicht, Demokratie in der Welt zu entwickeln. Russland weiß genau, was es will. Es will auf gleicher Augenhöhe in der internationalen Arena mitspielen. Es will nicht diskriminiert werden, nur weil es Russland ist, wie es zum Beispiel bei dem Beitritt zur WTO der Fall war. Wir wollen nicht im Kielwasser der anderen Länder segeln.

Das Interview führte Sergej Morozow
DW-WORLD/Russisch, 28.8.2007, Fokus Ost-Südost