Show oder Schwergewicht?
14. Oktober 2008"Peter der Große" überquert zurzeit die Weltmeere - 15.000 Seemeilen unterwegs nach Venezuela. Der atomar getriebene Schlachtkreuzer ist eines der größten Kriegsschiffe der Welt und der ganze Stolz der russischen Marine.
In diesem Fall ist "Peter der Große" aber noch mehr: eine kalkulierte Provokation gegen die USA und ein willkommenes Bühnenbild für die Selbstinszenierung des populistischen Präsidenten Venezuelas Hugo Chávez. Im November wird Russland gemeinsam mit der venezolanischen Marine eine Militärübung in der Karibik absolvieren. Es wird das erste große Manöver seit dem Ende des Kalten Krieges in der Nähe der USA sein.
Gemeinsame Rhetorik gegen die USA
"Sie haben unterschiedliche politische Ideen, aber die Rahmenbedingungen ähneln sich", sagt Jorge Gordin, Südamerika-Experte beim Giga-Institut in Hamburg. "Beide wollen die einzig verbleibende Supermacht USA mit solchen Aktionen ärgern", so Gordin.
Auch Alexander Rahr, Russlandexperte von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, sieht in der Militärübung "eine Retourkutsche der Russen". Nachdem sich die Amerikaner durch das US-Rakentenabwehrschild in Tschechien im Hinterhof der Russen positioniert haben, zahlt Russland es Washington mit gleicher Münze zurück. Chávez lässt seinerseits keine Gelegenheit aus, seine anti-amerikanische Haltung kundzutun und bedient damit offene Ressentiments in der venezolanischen Bevölkerung.
"Kein zweites Kuba"
Vielfach wird da die Parallele zur Kuba-Krise 1962 gezogen, als Moskau Flugkörper auf Kuba stationierte, als Antwort auf US-Raketen in der Türkei. Doch der historische Vergleich hinkt. "Der Kalte Krieg ist vorbei. Venezuela wird kein zweites Kuba werden", sagt Rahr entschieden. Das gemeinsame Manöver gleiche eher einem Schauspiel, als dass es wirklich eine militärische Bedrohung darstelle. Das neue Bündnis zeige vielmehr, dass sich die Weltpolitik verändere, die Multipolarität immer deutlichere Formen auspräge, so Rahr.
Für Russland ist Venezuela ganz pragmatisch auch ein wichtiger Handelspartner. Der Waffennarr und Ex-Militär Hugo Chávez hat seit 2005 von Russland Waffen im Wert von 4,4 Milliarden US-Dollar gekauft. Und er hat jüngst Interesse an weiteren russischen Waffen signalisiert. Denn trotz der regen Ölgeschäfte mit den USA, ist Venezuela von Washington mit einem Waffenembargo belegt.
Biltaterale Gespräche
Am Donnerstag und Freitag (16. und. 17.10. 2008) wird der russische Vize-Präsident Igor Sechin in Caracas mit seinem venezolanischen Counterpart über den Ausbau der bilateralen Beziehungen beraten, wie offizielle venezolanische Quellen schreiben. Es gebe viele gemeinsame Interessen, heißt es dazu auf der Internetseite der venezolanischen Präsidentschaft. Vor allem in den Bereichen Energie, Militärtechnik und im Bau von Schiffen.
Erst Ende September hatte der russische Ministerpräsident Putin bei Chávez' Besuch in Moskau eine Zusammenarbeit auf nukleartechnischem Gebiet verabredet. Venezuela will mit russischer Hilfe einen Atomreaktor bauen.
Kommt ein Gas-Kartell?
Ob die bilateralen Besuche ein machtpolitisches Schauspiel bleiben, oder ob sich doch zukünftig eine gewichtige Achse entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Südamerika-Expertin Susanne Gratius, die am Madrider Institut für Internationale Politik und Externen Dialog (FRIDE) forscht, will die Beziehungen nicht überbewertet wissen. Venezuela sei trotz der Erdölvorkommen nicht einmal eine Mittelmacht in der Region und mit seinen knapp 30 Millionen Einwohnern ein zu kleiner Partner für Moskau.
Auch Alexander Rahr glaubt nicht, dass Venezuela das Einfallstor für russische Interessen in Südamerika werden könne. Eine neue weltpolitisch gewichtige Achse sieht er auch trotz der regen gegenseitigen Besuche der Staatsmänner und seiner Vertreter nicht. Noch nicht, merkt der Russlandexperte allerdings an. Das könne sich ändern, falls sich die beiden Staaten in energiepolitischen Fragen besser absprächen und sich international organisierten. Wenn es Venezuela und Russland gelänge, ein Gaskartell mit Partnern wie dem Iran zu gründen und als eine Art Gas-Opec Preisabsprachen zu treffen, könne sich das Blatt doch wenden.