Russland kündigt Hilfskorridore für Aleppo an
28. Juli 2016Russland hat nach eigenen Angaben eine Hilfsaktion für Zivilisten in der umkämpften syrischen Stadt Aleppo gestartet. Zusammen mit syrischen Regierungstruppen seien drei Versorgungsrouten geschaffen worden, um die Einwohner mit Lebensmitteln und medizinischem Material zu beliefern, sagte Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Russland ist die wichtigste Schutzmacht des syrischen Machthabers Baschar al-Assad.
Ein vierter Korridor werde im Norden Aleppos eingerichtet - für Regierungsgegner, die ihre Waffen niederlegten. "Ich betone, dass wir diesen Schritt nur deshalb gehen, um die Sicherheit der Bewohner von Aleppo zu schützen", so Schoigu weiter. Die Rebellenviertel der einstigen Wirtschaftsmetropole sind seit drei Wochen von humanitärer Hilfe abgeschnitten, nachdem vorrückende Regierungstruppen die letzte verbliebene Versorgungsroute gekappt hatten. Bis zu 300.000 Menschen sind in Aleppo eingekesselt und hoffen auf Rettung.
Errichtung von Hilfskorridoren offenbar nicht abgesprochen
Die Vereinten Nationen wussten nach eigenen Angaben nichts von dem russischen Plan der humanitären Korridore. Der Sonderbeauftragte für Syrien, Staffan de Mistura, sagte in Genf, dass die UN nicht konsultiert wurden. Man wolle vor einer Beurteilung weitere Informationen Russlands abwarten. De Mistura rief Russland und die USA zur Zusammenarbeit auf, um die Kämpfe zu verringern.
Der UN-Chefberater de Misturas, Jan Egeland, sagte der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik, dass es immer gut sei, Zivilisten zu erlauben, freiwillig das Schlachtfeld zu verlassen. Notwendig sei aber auch eine 48-stündige Waffenruhe jede Woche, um dringend benötigte Hilfsgüter nach Aleppo bringen zu können.
Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International wird die Eröffnung von Fluchtwegen aus Aleppo eine humanitäre Katastrophe nicht verhindern. Die Menschenrechtler verweisen darauf, dass ungehinderte und unparteiliche Hilfe für die Bewohner, deren Vorräte in Kürze zur Neige gehen, dringend notwendig sei.
Nahrung, Wasser und Benzin wird knapp
Nicht allein die Nahrungsmittelreserven schwinden dahin. Auch Benzin - im Kriegsgebiet unabdingbar für den Betrieb medizinischer Einrichtungen und von Wasserpumpen - wird nach Angaben eines Bündnisses von 24 Hilfsorganisationen allmählich knapp. Die NGOs, darunter Care, Oxfam, Safe the Children und die Welthungerhilfe, hatten am Mittwoch nachdrücklich verlangt, die Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen.
Syriens Präsident Assad versprach erneut denjenigen Rebellen, die ihre Waffen abgeben, eine Amnestie. Wer sich in den kommenden drei Monaten stelle, bleibe von jeglicher Strafe verschont, zitiert die amtliche Nachrichtenagentur Sana aus einem Dekret des Staatschefs. Assad hatte seinen Gegnern bereits im März eine "volle Amnestie" in Aussicht gestellt, um sie zum Ende ihres Aufstands zu bewegen.
Tod von Zivilisten wird untersucht
Die US-geführte Militärkoalition gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien leitete unterdessen eine Untersuchung ein, um den Tod von Zivilisten durch eigene Luftangriffen zu klären. Nach der Auswertung "interner und externer Informationen" gebe es genügend Anhaltspunkte dafür, dass bei Bombardements am 19. Juli Unbeteiligte getötet wurden, sagte der Sprecher der Anti-IS-Koalition, Chris Garver. Zuvor hatte er den IS beschuldigt, Zivilisten als "menschliche Schutzschilde" zu missbrauchen.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien hatte nach den Angriffen nahe der Stadt Manbidsch nordöstlich von Aleppo von mindestens 56 zivilen Todesopfern gesprochen, unter ihnen elf Kinder. Sie waren demnach auf der Flucht vor IS-Kämpfern. Die Angaben der Beobachtungsstelle, die sich auf ein Netz von Informanten stützt, können nicht unabhängig überprüft werden.
jj/pv/cr/sti (dpa, afp, rtr, epd)