Russland greift massiv Energieinfrastruktur der Ukraine an
11. April 2024Russische Truppen haben in der Nacht zum Donnerstag wieder gezielt die Energieversorgung in der Ukraine angegriffen. Betroffen waren nach Angaben der Behörden Anlagen zur Stromerzeugung und -Verteilung in den Regionen Charkiw, Saporischschja, Odessa, Lwiw und der Hauptstadt Kiew.
Der größte Stromproduzent des Landes, DTEK, teilte im Onlinedienst Telegram mit, zwei seiner Wärmekraftwerke seien beschädigt worden. Das Energieunternehmen war erst Ende März von den schwersten russischen Luftangriffen seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 getroffen worden. Dabei waren laut Betreiber rund 80 Prozent der verfügbaren Betriebskapazität zerstört worden.
Der staatliche Öl- und Gaskonzern Naftogaz berichtete bei Telegram von Angriffen auf zwei unterirdische Gasspeicher. Die Speicheranlagen seien aber weiterhin in Betrieb.
Südlich von Kiew wurde das Wärmekraftwerk von Trypilje zerstört, wie der staatliche Betreiber Zentrenerho der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine mitteilte. Ein Brand habe das Turbinenhaus erfasst, die Löscharbeiten dauerten an. Das Werk könne keinen Strom generieren.
"Heute Nacht ist das Gebiet massiv mit Kamikaze-Drohnen und Raketen angegriffen worden", schrieb der Verwaltungschef des Kiewer Gebietes, Ruslan Krawtschenko, bei Telegram. "Der Luftalarm dauerte mehr als fünf Stunden."
In und um die besonders gefährdete ostukrainische Millionenstadt Charkiw nahe der russischen Grenze wurden mindestens zehn Infrastrukturanlagen mit Raketen angegriffen, wie Gouverneur Oleh Synjehubow mitteilte. Mindestens 200.000 Menschen sei notgedrungen der Strom abgeschaltet worden, erkläre das Militär.
Russland griff auch mit Kinschal-Hyperschallraketen an
Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe setzte Russland mehrere seiner Hyperschall-Luft-Boden-Raketen vom Typ Kinschal ein. Von 40 angreifenden Shahed-Kampfdrohnen iranischer Bauart seien 37 abgefangen und zerstört worden, hieß es weiter.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj appellierte nach dieser dritten schweren Angriffswelle innerhalb kurzer Zeit auf die kritische Infrastruktur nochmals an die westlichen Partner, mehr Waffen zu liefern. Seit Mitte März sind mehr als ein Dutzend Kraftwerke zerstört oder lahmgelegt worden. "Wir brauchen Flugabwehr und andere Hilfen zur Verteidigung, kein Wegschauen und keine langwierigen Diskussionen", schrieb Selenskyj im sozialen Netzwerk X.
Neues Gesetz zur Mobilmachung ist unterschriftsreif
Das ukrainische Parlament in Kiew verabschiedete unterdessen den umstrittenen Gesetzentwurf zur Mobilisierung der Streitkräfte. Mit dem Gesetz werden die Strafen für Kriegsdienstverweigerer erhöht. Verschärft werden die Regelungen zur Erfassung von Wehrfähigen. Zudem sind nun alle Männer im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren verpflichtet, während des geltenden Kriegsrechts ihren Wehrpass bei sich zu führen. Präsident Selenskyj muss das Gesetz noch unterzeichnen.
Nach mehr als zwei Jahren Krieg verzeichnet das ukrainische Militär massive Verluste. Die Streitkräfte haben Schwierigkeiten, zusätzliche Soldaten zu rekrutieren.
se/kle (dpa, rtr, afp)