Russischer Oligarch ist portugiesischer Staatsbürger
11. Januar 20222015 erließ die portugiesische Regierung ein Gesetz, das es den Nachkommen sephardischer Juden ermöglichte, die portugiesische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Rund 32.000 haben bis jetzt davon Gebrauch gemacht, etwa 54.000 warten noch auf eine Entscheidung der Behörden.
Den Einbürgerungsprozess bereits hinter sich gebracht hat auch der russische Milliardär Roman Abramowitsch - seit April vergangenen Jahres ist der Oligarch, dem enge Verbindungen zum russischen Präsidenten Putin nachgesagt werden, portugiesischer Staatsbürger.
Heuchelei und Korruption?
Mit dem Einbürgerungsgesetz wollte die portugiesische Regierung historisches Unrecht wiedergutmachen: Vor 500 Jahren wurden die sephardischen Juden durch die Inquisition von der iberischen Halbinsel und damit auch aus Portugal vertrieben, sie flohen vor allem nach Osteuropa. Doch was wohl ursprünglich als menschliche Geste gedacht war, entwickelt sich in Zeiten sich schließender Grenzen und wachsender politischer Spannungen zum medialen Ereignis.
Der russische Regimekritiker Alexej Nawalny twitterte kurz vor Jahresende: "Der Westen ist erschrocken wegen Putins Angriff auf die Ukraine, gibt dessen vertrautem Oligarchen jedoch die Staatsbürgerschaft." Nawalny unterstellte, portugiesische Beamte hätten Koffer voller Geld erhalten. Das sei Heuchelei und Korruption. Beweise für diese Vorwürfe gibt es nicht. Portugiesische Medien fragten, ob bei der Einbürgerung von Abramowitsch wirklich alles mit rechten Dingen zugegangen sei.
Selbstverständlich, erklärte der portugiesische Außenminister Augusto Santos Silva und verwies darauf, dass Abramowitsch alle Bedingungen erfüllt habe; seine sephardische Abstammung sei von der Israelitischen Gemeinde der Stadt Porto überprüft und bestätigt worden - die Grundvoraussetzung für die Ausstellung eines portugiesischen Passes. Die Einbürgerung sei also rechtens und unanfechtbar. Die Kritik Nawalnys wies er entschieden als beleidigend und unbegründet zurück. Sie entbehre jeder Grundlage.
Umstrittener Verwaltungsakt
Zufrieden dürften die portugiesischen Behörden trotzdem nicht sein: Schon 2020 wollte die Sozialistische Partei das Einbürgerungsgesetz ändern, weil es als Hintertürchen in den Schengen-Raum missbraucht werden könnte. Nach massiven Protesten ließen sie den Plan jedoch wieder fallen. So blieb es bei recht großzügigen Regelungen. Von den Antragstellern wird weder ein portugiesischer Sprachnachweis gefordert, noch müssen sie vorher in Portugal gelebt haben. Und die Kriterien der Prüfung, die von den israelitischen Gemeinden von Lissabon oder Porto durchgeführt werden, sind erstens unterschiedlich und zweitens für einen laizistischen Rechtsstaat alles andere als transparent.
Prompt meldete die Tageszeitung Público, der Wikipedia-Eintrag über Abramowitschs sephardische Abstammung sei erst vor Kurzem ausgerechnet von einem Mitglied der Israelitischen Gemeinde Portos hinzugefügt und das kürzlich eröffnete Holocaust-Museum der Gemeinde von Abramowitsch mitfinanziert worden. Dessen Direktor wiederum sei Mitglied der Kommission, die die sephardische Abstammung der Antragsteller bearbeite.
Antisemitische Hetze nennt das die Gemeinde in einer schriftlichen Erklärung gegenüber der DW. Das belege schon die Tatsache, dass der Artikel an einem Samstag, einem Schabbat, veröffentlicht worden sei und damit der Gemeinschaft die Möglichkeit genommen worden sei, sofort zu reagieren. Selbstverständlich seien keine Bestechungsgelder geflossen. Abramowitsch habe lediglich 250 Euro Bearbeitungsgebühr bezahlt. Er sei, wie allgemein bekannt, ein großer Wohltäter, der zu Unrecht verteufelt werde.
Tatsache ist, dass Abramowitsch neben seiner russischen und israelischen Staatsbürgerschaft jetzt auch die portugiesische besitzt. Und mit seinem neuen EU-Pass auch dorthin reisen kann, wohin er mit dem eines russischen Oligarchen nicht gekommen wäre.