Russische Truppen in Syrien auf dem Vormarsch
16. April 2016Eine Auswertung der Nachrichtenagentur Reuters von öffentlich zugänglichen Daten zeigt, dass die Versorgung der russischen Streitkräfte auf dem Luft- und Wasserweg unverändert fortgesetzt wird. Auch in den vergangenen Wochen wurden demnach weiter russische Soldaten nach Syrien verlegt. Einzig erkennbar sei, dass die Zahl russischer Kampfflugzeuge in dem Bürgerkriegsland zurückgegangen ist, so die Analysten. Stattdessen werden aber mehr Hubschrauber gezählt.
"Es gibt keinen nennenswerten Rückgang", erklärte der für Europa zuständige Herausgeber des Militärfachblatts "IHS Janes's Defense Weekly", Nick de Larrinaga. "Russlands Militärpräsenz in Syrien ist genauso gewaltig wie Ende 2015." Experten ziehen daraus den Schluss, dass Russlands Engagement dort offenbar stärker ist als Präsident Wladimir Putin zugeben will.
Mit der Ankündigung eines teilweisen Abzugs hatte sich der vom Westen für das militärische Engagement in Syrien kritisierte Putin am 14. März etwas Luft verschafft. Über das Ausmaß des Abzugs hat er sich aber nie öffentlich geäußert. Russland ist der engste Verbündete von Präsident Baschar al-Assad und unterhält in Syrien neben dem Marinestützpunkt Tartus auch die Luftwaffenbasis Hmejmim.
Russen nehmen IS vermehrt unter Beschuss
Den russischen Streitkräften wurde vorgeworfen, hauptsächlich Stellungen von gemäßigten Rebellen anzugreifen, die einen Sturz Assads betreiben. Laut westlichen Diplomaten hat sich dies aber inzwischen geändert. Mittlerweile gerieten immer häufiger Stellungen der Extremistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) und Al-Kaida-Ableger ins Visier der Russen, bestätigen sie. Dabei kommen den russischen Einheiten auch die vermehrt eingesetzten Kampfhubschrauber zugute. Sie erlauben den direkten Eingriff in Bodenkämpfe anstatt den Abwurf von Bomben aus Tausenden Metern Höhe. Die russischen Streitkräfte hätten sich in Syrien noch nie so unmittelbar eingeschaltet wie mit den Hubschraubern, erklärte auch De Larrinaga.
Auf Satellitenbildern, die "IHS Jane's" veröffentlicht hat, sind mehr als 30 in Syrien stationierte russische Hubschrauber zu erkennen. Anderen Aufnahmen zufolge befinden sich auf dem Stützpunkt Hmejmim 22 Kampfjets und 14 Hubschrauber. Anfang Februar seien es noch 29 Flugzeuge und sieben Helikopter gewesen, sagte Justin Brook vom Royal United Services Institute.
Die zusätzlichen Hubschrauber kommen aber auch der Strategie Assads entgegen. Sein Fokus liege nicht mehr so stark auf dem Angriff belagerter Städte, die von Rebellen befreit werden sollten, erklärte Bronk. Die Hubschrauber seien mobiler und flexibler einsetzbar. "Weil sich die Taktik der Assad-Truppen verändert hat, muss sich auch die russische Unterstützungsmethode verändern."
Dschihadisten schlagen zurück
Der "IS" hat nach Angaben von Aktivisten im Norden Syriens Gebiete von den Regierungstruppen und rivalisierenden Rebellengruppen zurückerobert. IS-Kämpfer hätten am Samstag ein Dorf an der Grenze zur Türkei von anderen Aufständischen erobert, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die Rebellen in der Ortschaft Dudjan seien damit von den Dschihadisten praktisch eingeschlossen.
Laut den für Medien nur schwer überprüfbaren Angaben der oppositionsnahen Beobachtungsstelle eroberte die IS-Miliz auch mehrere Hügel in der Nähe der Ortschaft Chanasser, durch die eine wichtige Verbindungsstraße zwischen den von Regierungstruppen gehaltenen Gebieten in und um Aleppo und dem Rest des Landes verläuft. Chanasser wechselte im Laufe des Konflikts bereits mehrfach die Hände.
Die IS-Miliz hatte in der Provinz Aleppo zuletzt größere Gebiete an Regierung und Rebellen verloren, startete kürzlich aber eine Gegenoffensive. In der vergangenen Woche wurden mehr als 200 Kämpfer in der Provinz Aleppo getötet. Seit Ende Februar gilt in Syrien eine Waffenruhe zwischen Regierung und den moderaten Rebellen, doch werden die IS-Miliz und die islamistische Al-Nusra-Front nicht einbezogen.
Neues Hilfspaket für Flüchtlinge
Unter Führung der Weltbank haben unterdessen Deutschland und sieben weitere Nationen sowie die Europäische Kommission ein Hilfspaket zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge im Libanon und in Jordanien aufgelegt. 141 Millionen Dollar sollen als Zuschüsse fließen, eine Milliarde Dollar in Krediten und weitere 500 Millionen Dollar als Bürgschaften. Zu den Unterstützern gehören neben der Bundesrepublik und der EU-Kommission auch die USA, Kanada, Japan, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Norwegen. "Das heutige starke Zeichen von Unterstützung für die Völker des Nahen Ostens und Nordafrikas ist ein Beispiel, wie die internationale Gemeinschaft zusammenkommen kann und Herausforderungen angehen kann", sagte Weltbank-Präsident Jim Yong Kim. Die Initiative wird auch von den UN unterstützt.
cgn/qu (afp, dpa, rtr)