1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Rund 10.000 Flüchtlingskinder verschwunden

31. Januar 2016

Die Kinder machen sich mit ihren Eltern auf den Weg oder werden in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa vorausgeschickt. Laut Europol sind Tausende nicht mehr auffindbar. Die Fahnder fürchten das Schlimmste.

https://p.dw.com/p/1HmYv
Flüchtlingsjunge - allein auf der Balkanroute im mazedonisch-serbischen Grenzgebiet (Archivbild: AFP/Getty Images)
Flüchtlingsjunge - allein auf der Balkanroute im mazedonisch-serbischen Grenzgebiet (Archivbild)Bild: Getty Images/AFP/A. Nimani

In einer aktuellen Analyse kommt die Europäische Polizeibehörde Europol zu dem Schluss, dass in den vergangenen 18 bis 24 Monaten etwa 10.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus den Kriegs- und Krisengebieten vor allem im Nahen und Mittleren Osten nach ihrer Ankunft in Europa verschwunden sind. Die europäische Polizeibehörde befürchtet, ein Teil von ihnen könnte Opfer von Verbrechern geworden sein. Nicht alle seien in Gefahr, viele dürften bei Verwandten untergekommen sein - aber wo sind die anderen abgeblieben. Die Befürchtung der Europol-Beamten: Ein Teil der Kinder und Jugendlichen könnte in die Hand professioneller Menschenhändler gefallen sein.

Versklavt und sexuell ausgebeutet

Europol-Stabschef Brian Donald sagte der britischen Zeitung "The Observer", die Spur von Tausenden Minderjährigen verliere sich nach ihrer Registrierung in verschiedenen europäischen Staaten. "Wir wissen einfach nicht, wo sie sind, was sie tun oder bei wem sie sind."

Laut Donald hat Europol inzwischen Beweise, dass einige unbegleitete Kinderflüchtlinge sexuell missbraucht wurden. Banden, die bisher als Schleuser aufgetreten seien, seien dazu übergegangen, junge Flüchtlinge für Sexarbeit und Sklaverei auszunutzen. Es gebe inzwischen eine regelrechte paneuropäische "kriminelle Infrastruktur" zur Ausbeutung von Flüchtlingen. Menschenhändler hätten sich beispielsweise darauf spezialisiert, illegale Einwanderer als Arbeitssklaven oder Prostituierte zu missbrauchen.

Allein in Italien sind nach Europol-Recherchen 5000 Minderjährige verschwunden. Im schwedischen Hafen Trelleborg seien 1000 unbegleitete Kinder angekommen, doch seien sie dann verschwunden. Die Behörden wüssten nicht, wo die Kinder sind. Zahlen aus anderen Ländern könne er nicht nennen, sagte ein Sprecher von Europol. Auch Deutschland wird in den Europol-Recherchen nicht erwähnt.

Vorsichtige Schätzung

Laut dem Bericht des "Observer" schätzt die Organisation "Save the Children", dass allein im vergangenen Jahr ungefähr 26.000 unbegleitete Minderjährige in Europa angekommen sind. Europol gehe jedoch noch von deutlich höheren Zahlen aus, schreibt der "Observer". Demnach seien 27 Prozent der ankommenden Flüchtlinge minderjährig. Auf eine Million Flüchtlinge insgesamt wären das 270.000 Menschen unter 18 Jahren. "Nicht alle von ihnen sind unbegleitet, doch wir haben Hinweise, dass es ein großer Anteil von ihnen ist", sagte Stabschef Donald. Deshalb sei die Zahl von 10.000 verschwundenen unbegleiteten Jugendlichen eine vorsichtige Schätzung, es könnten auch deutlich mehr sein. Hilfsorganisationen entlang der sogenannten Balkanroute hätten ebenfalls auf das "große Problem" der Ausbeutung von Flüchtlingskindern hingewiesen, sagte Donald dem Blatt.

Schutzlosigkeit macht Kinder zu wehrlosen Opfern

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) warnt, unbegleitete Minderjährige aus Konfliktregionen seien "die mit Abstand gefährdetste Gruppe unter den Flüchtlingen". OSZE-Sprecherin Mariyana Berket sagte dem "Observer": "Sie sind ohne elterliche Fürsorge, sie wurden entweder von ihren Familien geschickt, um als erste nach Europa zu gelangen, oder sie sind gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern geflüchtet." Ihre Schutzlosigkeit mache sie zu leicht zu Opfern Opfern.

qu/jj (afp, dpa, The Observer)