Rumänien: Klappt’s im vierten Anlauf?
29. Januar 2018Es ist das vierte Mal seit dem Wahlsieg der postkommunistischen PSD vor gut einem Jahr, dass Parteichef Liviu Dragnea sein Glück mit einer neuen Regierung versucht. Sein erster Vorschlag mit einer engen Vertrauten, gleich nach den gewonnenen Wahlen im Dezember 2016, war vom liberalen Präsidenten Klaus Iohannis wohl aus Gründen der Staatsräson abgelehnt worden. Beobachter vermuteten, dass die Muslima Sevil Shhaideh das Amt nicht übernehmen durfte, weil ihrem syrischen Mann enge Kontakte nach Damaskus nachgesagt wurden.
Marionetten spielen nicht mit
Doch die Regierungskoalition aus PSD und ihrem Juniorpartner ALDE einigte sich schnell auf einen neuen Vorschlag: Sorin Grindeanu. Der junge sozialdemokratische Regierungschef ordnete sich von Anfang an der Parteiführung unter und führte brav die Anweisungen des Parallel-Kabinetts aus, das von Parlamentspräsident Dragnea in der sozialdemokratischen Parteizentrale eingerichtet worden war. Nur allzu gern hätte der PSD-Chef selbst regiert, nur: Eine Verurteilung wegen Wahlmanipulation sowie weitere Gerichtsverfahren wegen Amtsmissbrauchs und Korruption erlauben es ihm laut Verfassung nicht.
Kaum sechs Monate im Amt, überwarf sich Grindeanu mit Dragnea, als dieser mit aller Macht das Korruptionsstrafrecht aufweichen wollte, was zu den größten Protesten auf der Straße seit der Wende (1989) führte. Der Premierminister wurde von seiner eigenen Partei durch einen Misstrauensantrag im Parlament gestürzt - eine Premiere in Rumänien.
Schnell zauberte Dragnea einen Nachfolger aus dem großen Hut der Sozialdemokraten. Der frühere Wirtschaftsminister Mihai Tudose sollte die politischen Visionen und vor allem die als Justizreform kaschierten Wünsche seines Chefs umsetzen. Doch auch Tudose hielt es nur ein halbes Jahr an der Regierungsspitze aus. Ein Konflikt mit der amtierenden Innenministerin - einer ehemaligen Mitarbeiterin und engen Vertrauten Dragneas - wurde ihm zum Verhängnis. Kurzerhand setzten ihn Dragnea und die mächtigen Regional-Barone der PSD, die Parteichefs in den Landeskreisen, ab.
Eine Frau soll es richten
Er habe wohl ein schlechtes Händchen bei den bisherigen Vorschlägen zum Regierungschef gehabt, sagte Dragnea anschließend in einem Fernsehinterview. Er wolle es diesmal besser machen und sich mit der Parteispitze beraten. Das Ergebnis: Neue Regierungschefin ist eine weitere frühere Mitarbeiterin und enge Vertraute Dragneas. Viorica Dancila hatte - wie Innenministerin Carmen Dan - mit ihm zusammengearbeitet, als dieser im südlichen Landeskreis Teleorman den Kreisrat leitete.
Angesichts der verfassungsrechtlichen Regelungen und der bestehenden Parlamentsmehrheit akzeptierte der rumänische Präsident Iohannis "nach reiflicher Überlegung" den Vorschlag. Die Sozialdemokraten müssten aber ab sofort die Leistungen erbringen, die sie im Wahlkampf versprochen hätten, forderte er. An diesem Montag vereidigte er die neue rumänische Regierung und warnte eindringlich vor Überschreitung der roten Linie im Justizwesen.
Dancila ist im Bukarester Politikapparat ein unbeschriebenes Blatt. Sie war die letzten neun Jahre Europa-Abgeordnete und als solche kaum in Erscheinung getreten - und wenn, dann nur um die sogenannte Justizreform der rumänischen Regierung im Europaparlament zu verteidigen. Das neue Kabinett ist eine Mischung aus alten Ministern und neuen Gesichtern. Doch sie alle scheint ein Wunsch zu einen: im vierten Anlauf alles "richtig" zu machen, um Dragnea und seinen Freunden zum politischen Persilschein zu verhelfen.
Die EU ist besorgt
Die Europäische Kommission hat das Spiel offensichtlich durchschaut. Kommissionschef Jean-Claude Juncker und sein Vize Frans Timmermans haben die wiederholten Versuche zur Lockerung der Anti-Korruptionsgesetze scharf kritisiert. "Wir verfolgen die jüngsten Entwicklungen in Rumänien mit Besorgnis. Die Unabhängigkeit des rumänischen Justizsystems und seine Fähigkeit, Korruption wirksam zu bekämpfen, sind wesentliche Eckpfeiler eines starken Rumäniens in der Europäischen Union", heisst es in einem Schreiben der beiden EU-Politker.
An diesem Mittwoch soll der rumänische Präsident Klaus Iohannis, ein Verfechter des Rechtstaats, zu Gesprächen in Brüssel mit Juncker und Ratspräsident Donald Tusk über die politische Lage in Rumänien zusammenkommen.