Innenpolitische Eskalation erreicht neuen Höhepunkt
20. November 2018Der liberal-konservative Präsident Klaus Iohannis hat die Kabinettsumbildung nicht in dem Umfang akzeptiert, wie sie ihm von der sozial-liberalen Regierung vorgeschlagen wurde. Premierministerin Viorica Dancila und ihr mächtiger Chef der regierenden Sozialdemokraten (PSD), Liviu Dragnea, hatten nach heftiger Kritik aus den eigenen Reihen den Austausch einiger "abtrünniger" Minister beziehungsweise eine Umbesetzung loyaler Anhänger vorgeschlagen - ungeachtet des niederschmetternden Fortschrittsberichts der EU-Kommission und einer parteiübergreifenden Resolution des EU-Parlaments gegen die Regierung in Bukarest wegen mangelnder Korruptionsbekämpfung und wiederholter Angriffe auf die unabhängige Justiz.
Präsident Iohannis begründete in einer ersten Erklärung seinen Schritt mit dem Hinweis, er habe nach der schwachen Leistung des Kabinetts und vor allem vor Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft in wenigen Wochen eine komplette Regierungsumbildung erwartet. Dennoch wolle er einen Teil der vorgeschlagenen Umbesetzungen akzeptieren. Zwei von acht Ministern lehnte er ab.
Harter Schlag für Dragnea
Zum einen wies Iohannis die Umsetzung der bisherigen Arbeitsministerin Lia-Olguta Vasilescu, einer braven Anhängerin Dragneas, in das Verkehrs-Ressort zurück. Mehr noch: der Präsident nahm die Ernennung des neuen Arbeitsministers an, so dass Vasilescu nicht länger am Kabinettstisch sitzen würde. Ein harter Schlag für den PSD-Chef, der gleichzeitig Parlamentspräsident ist und mit einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Wahlmanipulation nicht selbst Premierminister werden durfte.
Zum anderen lehnte Iohannis die Absetzung des Vizepremiers und Ministers für Regionale Entwicklung, Paul Stanescu, ab. Dieser hatte sich in den letzten Wochen offen gegen seinen mächtigen Parteichef gestellt. Das Ministerium ist für Dragnea besonders wichtig, weil er darüber Gelder an Regionalpolitiker verteilen und Kritikern zufolge deren Loyalität erkaufen kann. Mit seiner Ablehnung vereitelte Iohannis die Ernennung des jungen PSD-Politikers Ilan Laufer in diesen Schlüsselbereich. Der 35-jährige Laufer war schon einmal Minister in einer früheren PSD-geführten Regierung und Anfang des Jahres mitsamt dem damaligen Premierminister wegen schwacher Leistungen von der eigenen Parteispitze abgesetzt worden.
Internationales Komplott vermutet
Brisant an dieser Personalie sind Reaktionen der Medien in Bukarest, die ein internationales Komplott wittern. Ilan Laufer, in Israel geboren, kam als 14-Jähriger mit seiner Familie nach Rumänien, studierte später Sport und wurde bald zu einer schillernden Figur in der Promi-Szene der rumänischen Hauptstadt. Er gilt als erfolgreicher Geschäftsmann, der mehrere Sprachen spricht und, so seine Befürworter, über gute Kontakte in die USA und nach Israel verfügt. Seine Ablehnung sei unverständlich und könne nur in Zusammenhang mit gewissen internationalen Optionen des Präsidenten in Zusammenhang gebracht werden, kommentierte ein Journalist, dem eine enge Regierungsnähe nachgesagt wird.
Für die Kritiker des Staatschefs scheinen diese Optionen offensichtlich. Vor gut einer Woche war in der israelischen Tageszeitung "Jerusalem Post" zu lesen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel noch im April mit Iohannis telefoniert und ihn gedrängt haben soll, die von Dragnea und der sozial-liberalen Regierung angekündigte Verlegung der rumänischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verhindern. Die Meldung hat in Rumänien für gehörige Unruhe gesorgt, wurde aber bislang weder vom rumänischen Präsidialamt noch von der Bundesregierung dementiert. Laufer selbst bezeichnete in einer Pressekonferenz seine Ablehnung durch den Präsidenten als klaren antisemitischen Akt und kündigte an, bei der rumänischen Anti-Diskriminierungsbehörde Beschwerde einzulegen. Es sei nicht das erste Mal, dass Iohannis "Juden sabotiere", so Laufer.
Krisentreffen in Bukarest
Noch fehlt eine detaillierte Begründung des Präsidenten für die Teil-Ablehnung des Kabinetts. Laut Verfassung hat er das Recht, jede Ernennung oder Umbesetzung einmal zurückzuweisen. Jetzt ist die Regierung am Zug, neue Vorschläge vorzulegen. Lia-Olguta Vasilescu soll nach Wunsch der PSD doch in der umgebildeten Regierung bleiben - und zwar als neue Vizepremierministerin und Ministerin für Regionale Entwicklung. Damit wäre sie die neue Chefin des umstrittenen Schlüsselressorts. Ein geschickter Schachzug, lauten die ersten Kommentare aus Bukarest.
Am Dienstagnachmittag hatten Dragnea und sein Koalitionspartner Calin Popescu-Tariceanu, Chef des kleinen liberalen Ablegers ALDE und Senatspräsident, ein erstes Krisentreffen. Gegen Tariceanu hat die rumänische Anti-Korruptionsbehörde DNA Anfang November auf Antrag österreichischer Behörden Ermittlungen eingeleitet und die Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität gefordert. Er soll in seiner Zeit als Premierminister vor rund zehn Jahren von einer österreichischen Firma 800.000 Dollar (etwa 700.000 Euro) Schmiergeld kassiert haben. Gegen den vorbestraften PSD-Chef Dragnea laufen zwei Verfahren wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch und möglicher Veruntreuung von EU-Geldern in Höhe von rund 21 Millionen Euro.