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Ruhrgas AG vor Milliarden-Deal in der Slowakei

15. März 2002

- Deutsche, Franzosen und Russen wollen sich wichtigen Knotenpunkt im Erdgas-Transit sichern

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Prag, 14.3.2002, PRAGER ZEITUNG, deutsch, Ewald Trojansky

Die deutsche Ruhrgas scheint am Ziel zu sein: Für 2,7 Milliarden Dollar will der Konzern gemeinsam mit der französischen Gaz de France und dem russischen Giganten Gazprom 49 Prozent des slowakischen Erdgasmonopolisten "Slovensky plynarensky priemysel a.s." (SPP) erwerben.

Die Chancen stehen gut: Am Freitag (8.3.) empfahl die für die Privatisierung von SPP zuständige Kommission der Regierung, dem Konsortium den Zuschlag zu erteilen. Es geht um den größten Privatisierungsdeal in der Geschichte der Slowakei; der gebotene Kaufpreis entspricht 13 Prozent des Bruttosozialproduktes der Slowakischen Republik.

Die Slowakei gilt mit ihrer Ost-West-Pipeline als eines der wichtigsten Transitländer beim Transport des russischen Erdgases in den Westen; Mit dem Kauf sichern sich Gaz de France und Ruhrgas das slowakische Teilstück, über welches 70 Prozent des russischen Gasexports nach Westeuropa gehen. Der deutsche und der französische Konzern werden zunächst den 49-Prozent Anteil kaufen und später bis zu einem Drittel an die russische Gazprom weiterverkaufen.

Wahlkampfthema

In der Slowakei ist die Privatisierung der SPP schon lange zum Wahlkampfthema verkommen, selbst ernannte Experten aus den Reihen der politischen Parteien jonglieren freihändig mit Summen in Milliardenhöhe. Der ehemalige Ministerpräsident Vladimir Meciar, unter dessen Regierung die Slowakei sich von EU und NATO entfernt und die Nähe zu Russland gesucht hatte, heizte Vorurteile gegen westliche Investoren an: "Die Regierung führt einen Verkauf durch, der für die transnationalen Konzerne von Vorteil ist." Ginge es nach Meciar, sollte ein Interessent mindestens zwei Milliarden Euro mehr zahlen. Meciars Bewegung für eine demokratische Slowakei (HZDS) liegt derzeit bei Meinungsumfragen klar an erster Stelle.

Robert Fico, Vorsitzender der populistischen Partei Smer (Richtung), derzeit auf Platz zwei der Wählergunst, drohte für den Fall der Machtübernahme mit Konsequenzen: "Die neue Regierung (nach den Wahlen im Herbst – MD) wird den Politikern auf die Finger schauen, die billig und unangemessen verkauft haben. Ich denke, wir werden spezielle Einheiten bilden, die sehr genau das Vermögenswachstum dieser Leute untersuchen. Wir werden uns dafür interessieren, was die Motivation der Politiker war, zu solch ungünstigen Bedingungen für den Staat zu verkaufen. Darauf kann man sich schon heute freuen."

Und die Vorsitzende der slowakischen Nationalpartei (SNS) Anna Malikova erklärte: "Wir warnen das Konsortium, dass wir auch in Zukunft nicht vor einem zweifelhaften Verkauf halt machen werden."

Selbst der Vorsitzende der mitregierenden Partei der Demokratischen Linken (SDL) Pavol Koncos meinte: "Wir werden alles tun, damit die Regierung nicht über die Annahme dieses Angebots entscheidet." Seine Partei will gut eine Milliarde Euro mehr für das Unternehmen.

Slowakische und internationale Experten halten den Preis für angemessen. "Das Angebot des Konsortiums ist nicht das beste, aber es liegt auch nicht unter Wert", schreibt die slowakische Tageszeitung "Sme." Die "Financial Times" meint: "Der Preis wird von Analysten als fair betrachtet."

Ruhrgas war zuvor in Tschechien im Wettbewerb um die Privatisierung der tschechischen Gasindustrie dem deutschen Mitbewerber RWE Gas unterlegen; dieser hatte offensichtlich ein höheres Angebot abgegeben. Auch in Ungarn war Ruhrgas mit dem Plan, 49 Prozent der Gassparte des Öl- und Gaskonzerns Mol Rt zu übernehmen, gescheitert. Der Mol-Vorstand hatte Ende Februar beschlossen, nur noch mit der staatseigenen ungarischen Entwicklungsbank MFB über den Verkauf zu verhandeln; offensichtlich wollte die ungarische Regierung durch die Verstaatlichung der Gas-Sparte mögliche - durch höhere Gaspreise verursachte - soziale Konflikte verhindern.

Beim Wettbewerb um den Kauf der SPP wurde das deutsch-russisch-französische Konsortium von Dresdner Kleinwort Wasserstein beraten. Die slowakische Regierung ihrerseits nahm die Beraterdienste der Credit Suisse First Boston und den juristischen Beistand von Linklaters in Anspruch.

Slovensky plynarensky priemysel a.s.

Die Aktiengesellschaft "Slovensky plynarensky priemysel a.s." (SPP) erzielt ihre Erlöse vor allem mit dem Transit von Erdgas aus Russland Richtung Westen, in 2000 weist der Jahresbericht für diesen Geschäftszweig 27,5 Milliarden Slowakische Kronen (ca. 655 Mio. Euro) aus; insgesamt wurden in diesem Zeitraum 79,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas weitergeleitet. Die Haupttrasse der Transit-Pipeline und Abzweigungen nach Tschechien und Österreich sind insgesamt etwa 2.200 Kilometer lang. Hauptabnehmer im Transitgeschäft mit dem russischen Erdgas sind unter anderem das Verbundnetz Gas, Wintershall, Ruhrgas, die tschechische Gasindustrie mit Transgas, die österreichische ÖMV, die französische Gaz de France und die italienische Snam.

Zweitwichtigster Posten in der Bilanz war in 2000 der Verkauf von sieben Milliarden Kubikmeter Erdgas, dabei wurden 26,1 Milliarden Slowakische Kronen (ca. 622 Mio. Euro) erzielt; an Großabnehmer gingen davon 4,8 Milliarden, an Kleinabnehmer 0,4 Milliarden, 1,8 Milliarden an Haushalte. Hauptlieferant des Erdgases ist Russland, von 7,7 Milliarden Kubikmetern Erdgas, welche die SPP 2000 kaufte, kamen 7,5 Milliarden von dort.

Insgesamt erzielte die Firma im Jahr 2000 einen Erlös von 69,8 Milliarden Slowakische Kronen (ca. 1 Milliarde und 663 Mio. Euro), der Gewinn vor Steuern lag bei 4,4, Milliarden Kronen (ca.105 Mio. Euro), der Gewinn nach Steuern bei 2,5 Milliarden Kronen (ca. 59,5 Mio Euro). Mit einer Leistung von rund 80 Milliarden Kubikmetern Erdgas pro Jahr ist das Transitvolumen der SPP - nach slowakischen Angaben - etwa doppelt so hoch wie das der tschechischen Transgas. Im Dezember hatte die deutsche RWE für 4,1 Milliarden Euro 97 Prozent der Transgas-Aktien und Anteile an acht regionalen Gasversorgungsunternehmen erworben.

(ykk)