Ruhrfestspiele spähen nach Russland
1. Mai 2012Die Ruhrfestspiele gehen diesmal gleichsam auf Nummer sicher: Sie führen Stücke bedeutender Autoren wie Puschkin, Tschechow, Tolstoi oder Dostojewski auf. Als Eröffnungspremiere ist am 3. Mai Nikolai Gogols bissige Komödie "Der Revisor" zu sehen. Der Klassiker handelt von einem verarmten Beamten, der irrtümlich für einen gefürchteten Regierungsinspektor gehalten wird und aus dieser Situation Kapital schlägt.
Obwohl 1836 geschrieben, sei das Stück auch heute noch aktuell, sagte der Intendant des Recklinghäuser Festivals, Frank Hoffmann, der den "Revisor" selbst inszeniert. Die Gesellschaftskomödie sei in Russland so bekannt wie in Deutschland Goethes "Faust". Die Hauptrollen spielen Jevgenij Sitochin und Michael Lade, den viele TV-Zuschauer vor allem als Leipziger "Tatort"-Kommissar kennen.
Ein Kessel Buntes aus Russland
Auf dem Spielplan tauchen zudem "Der Kirschgarten" und "Die Möwe" von Anton Tschechow, "Krieg und Frieden" nach dem Roman von Leo Tolstoi und "Der Großinquisitor" von Fjodor Dostojewski aus dem fünften Buch der "Brüder Karamasow" auf.
Die Festspielmacher bleiben aber nicht bei Theaterklassikern stehen: In mehreren Lesungen präsentieren die Schauspieler Günter Lamprecht und Hannelore Elsner sowie der Chef der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, Werke russischer Autoren. An ein "Late-Night-Kabarett" mit Wladimir Kaminer schließt sich eine "Russendisko" an. Und die russische "Bryats-Band" präsentiert im Theaterzelt ein ungewöhnliches Balalaika-Rock-Konzert.
266 Aufführungen geplant
Insgesamt umfasst das Programm der zwölf Spielstätten 80 Produktionen und 266 Aufführungen, - das parallel stattfindende "Fringe Festival" der internationalen freien Theaterszene eingeschlossen. Die Spannweite der Angebote reiche von Verwechslungskomödien über bissige Satire bis zu melancholischen Liebesgeschichten und historische Epen, teilten die Veranstalter mit.
Zu den Uraufführungen zählt ein bisher unentdecktes Stück des Autors und Theaterregisseurs George Tabori mit dem Titel "Abendschau". Außerdem gibt es Lesungen, Kabarett, Konzerte und Musikveranstaltungen. Das Abschlusskonzert am 16. Juni im Stadtgarten bestreiten die Kölsch-Rocker von BAP.
Theaterkunst für Kohlenwärme
Die Ruhrfestspiele Recklinghausen sind eines der größten Theaterfestivals Europas. Sie haben ihre Wurzeln in einem ungewöhnlichen Gastspiel der Hamburger Bühnen im Jahr 1947. Bergleute der Zeche König Ludwig 4/5 in Recklinghausen hatten dem Theater im harten Winter Kohle geliefert, damit die Bühnen ihren Spielbetrieb aufrechterhalten konnten. Die Schauspieler bedankten sich mit einer Theateraufführung. "Ohne uns Bergleute gäbe es die Ruhrfestspiele nicht", sagte der Betriebsratsvorsitzende des Bergwerks Auguste Victoria in Marl, Norbert Maus, zur Eröffnung.
Seit 1965 hat Recklinghausen ein eigenes Festspielhaus. Die Ruhrfestspiele werden von der Stadt Recklinghausen und dem Deutschen Gewerkschaftsbund getragen. Im vergangenen Jahr verzeichnete das Festival mit etwa 81.000 Besuchern einen neuen Rekord.
kle/sc (dpa, epd, dapd)