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Kulturgut in Gefahr

Silke Bartlick12. Dezember 2014

Raubgrabungen und Plünderungen zerstören das kulturelle Erbe der Menschheit. Der illegale Handel mit Kulturgut garantiert Milliardenumsätze. Eine Tagung in Berlin hat die Lage verdeutlicht – und nach Auswegen gefragt.

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Syrien Aleppo Umayyaden-Moschee Große Moschee Nach Zerstörung Minarett
Bild: Getty Images/AFP/Jalal Al-Halabi

Mexikos kulturelles Erbe wird geplündert, seit die Spanier das Land vor Jahrhunderten erobert haben. Vieles, was sie für ihre Könige mitnahmen, ist heute in den großen Museen dieser Welt zu bewundern. Unzählige Kulturgüter aber schlummern immer noch in der Erde. 48.724 archäologische Stätten hat man, Stand 30.11.2014, in Mexiko offiziell erfasst. Zu viele, um alle zu sichern – zu viele, um sie zeitnah systematisch zu erforschen. Obwohl historische Kulturgüter vom zuständigen Ministerium für unverkäuflich erklärt wurden und als unantastbar gelten, tauchen immer wieder Objekte außerhalb Mexikos auf. Auf dem Landweg gelangen sie in die USA, per Schiff nach Europa.

Bedrohliche Ausmaße

1591 Diebstähle aus Museen und archäologischen Stätten wurden in den letzten fünf Jahren registriert, in den Katalogen großer Auktionshäuser tauchen selbst zwei- bis dreitausend Jahre alte Objekte auf, sagt Pedro F. Sanchez Nava, der nationale Koordinator für Archäologie am Mexikanischen Institut für Anthropologie und Geschichte. Sanchez Nava hat die Situation in seinem Land skizziert – im Rahmen der internationalen Tagung "Kulturgut in Gefahr: Raubgrabungen und illegaler Handel", die am 11. und 12. Dezember in Berlin stattfand. Ausgerichtet wurde die Tagung von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und dem Deutschen Archäologischen Institut, unterstützt vom Auswärtigen Amt und der Beauftragten für Kultur und Medien, Monika Grütters. Eines der Anliegen dieses Expertentreffens war es, die bedrohlichen Ausmaße des illegalen Handels mit Kulturgütern zu verdeutlichen. Und das gelang.

Plünderung von Gräbern im Irak ARCHIV AUSSCHNITT NEU 2007
Plünderung von Gräbern im IrakBild: Mohammed Sawaf/AFP/Getty Images

"Kulturgüter im Wert von jährlich ca. 8 Milliarden Dollar sind Gegenstand illegaler Transaktionen, Tendenz steigend", heißt es in einer Broschüre des Auswärtigen Amtes unter Berufung auf Schätzungen der US-amerikanischen Sicherheitsbehörde ICE von 2012. Die illegal gehandelten, oft gestohlenen oder raubgegrabenen Objekte stammen aus allen Teilen der Welt – von Porzellan über Keilschrifttafeln bis hin zu Figurinen, Münzen, Schmuck, Skulpturen und Sarkophag-Teilen ist alles dabei. Vor der Küste Mozambiks werden jahrhundertealte Schiffswracks systematisch ausgeräubert. Das Land selbst, so Décio Muianga von der Universität Eduardo Mandiane, verfügt dagegen nur über einen einzigen Experten im Bereich der Unterwasser-Archäologie.

Bedrohte Wiege der Menschheit

Ägyptens Minister für Antiken und Kulturgut,Mohamed Gad ElDamaty, merkte an, dass die Kulturgüter seines Landes zwar immer gefährdet gewesen seien – dass Diebstähle und Zerstörungen aber seit der Revolution vor drei Jahren deutlich zugenommen hätten. Der Grund: grassierende Armut und deutlich zu wenig Wachpersonal. Besonders angespannt ist die Situation bekanntlich im Irak und in Syrien. Es sei zwar gelungen, so Maamoun Abdulkarim, Chef der syrischen Antikenverwaltung, nahezu alle Objekte aus den Museen seines Landes in Sicherheit zu bringen. Auf den rund 10.000 Grabungsstätten aber sähe die Situation ganz anders aus: In Teilen des Landes seien bewaffnete mafiöse Gruppen unterwegs – darunter auch der IS. Teilweise sogar mit Bulldozern würden die archäologische Stätten systematisch geplündert. Die Gesetze Syriens, so Abdulkarim, verbieten seit 1963 den Verkauf syrischer Antiquitäten. Über die offenen Grenzen aber gelangt das Raubgut ungehindert ins Ausland. Bislang arbeitet nur der Libanon eng mit Syrien zusammen, beschlagnahmt Objekte und gibt sie zurück.

Schatzsuche mit Metalldetektor
Schatzsuche mit MetalldetektorBild: Fotolia/nspooner

"Jede archäologische Grabung ist illegal, sofern sie nicht offiziell genehmigt ist", mahnte Friederike Fless, die Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts. Gräber wie Händler stört das indes wenig, mit den Antiken lässt sich immens viel Geld verdienen. Weshalb selbst in Deutschland Tausende illegal mit Sonden nach Schätzen suchen. Sie werden von der schlichten Gier getrieben. Und es gibt zumeist wenig, auch das machte die Tagung in Berlin deutlich, was sie an ihrem kriminellen Handwerk hindert: zu wenig Polizei – in Deutschland etwa sind es gerade einmal drei BKA-Mitarbeiter, die sich mit Raubgut und illegalem Handel befassen – eine unzureichende bzw. komplizierte Gesetzeslage, zu wenig gut bestückte Datenbanken sowie ein fehlendes öffentliches Bewusstsein für das ganze Ausmaß des Problems. "Sehenden Auges zerstören wir die Quelle, aus der sich das kulturelle Gedächtnis der Menschheit speist, das Geschichtsbewusstsein, und damit einen zentralen Aspekt dessen, was den Menschen ausmacht", sagte Michael Müller-Karpe vom Mainzer Forschungsinstitut für Archäologie.

Und nun?

Was also tun? Die Kairoer Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts weist einen Weg, wie man das Bewusstsein der einheimischen Bevölkerung über den Wert archäologischer Stätten stärkt: mit Broschüren und Unterrichtseinheiten für Schulkinder. Sophie Lenski, Professorin für Staats- und Verwaltungsrecht, Medienrecht, Kunst- und Kulturrecht an der Universität Konstanz, fordert ein umfassendes gesetzliches Schutzkonzept, das sich von der nationalen Perspektive löst. Der Kontakt mit den Händlern müsse gesucht werden, heißt es am Ende der Tagung, der Zoll sei zu sensibilisieren, Objekt-Datenbanken müssten ausgebaut und das öffentliche Bewusstsein geschärft werden. "Jeder Käufer kann den illegalen Handel unattraktiv machen, indem er nach der Provenienz fragt", so Michael Müller-Karpe. Für Museen sei die Transparenz der Erwerbsumstände archäologischer Werke unabdingbar, meint Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz – und verspricht lückenlose Untersuchungen der eigenen Bestände.

Nationalbibliothek Bagdad, verbrannte Findkataloge
Nationalbibliothek Bagdad, verbrannte FindkatalogeBild: cc-by-sa-nd-DAI

Etwas scheint in Gang gekommen zu sein. Denn auch die Bundesregierung stellt sich ihrer Verantwortung: Für 2015 stellt Kulturstaatsministerin Monika Grütters(CDU) die Verschärfung des Gesetzes zum Schutz von Kulturgütern in Aussicht: "Wer in Zukunft Antiken nach Deutschland einführt, braucht für jedes Stück eine gültige Ausfuhrerlaubnis des jeweiligen Herkunftslandes, das bei Einfuhr vorzulegen ist." Damit soll sichergestellt werden, dass der Antikenhandel sich künftig auf Objekte eindeutiger und legaler Herkunft beschränkt. Das käme einem Paradigmenwechsel gleich, gilt Deutschland bislang doch als wichtiger internationaler Umschlagplatz für den illegalen Handel mit geraubten Kulturgütern. Man darf also gespannt sein auf das, was sich dann wirklich tut – in der nahen Zukunft.