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Politik

Rot-Rot-Grün - geht das wirklich?

26. September 2016

In Berlin loten SPD, Linke und Grüne jetzt erstmals aus, ob sie die Hauptstadt künftig gemeinsam regieren wollen. Könnte ein solches Dreierbündnis auch im Bund funktionieren? Oder polarisiert das die Gesellschaft?

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Deutschland von sommerlichem Grün zu herbstlichem Rot Weinberg bei Rimpar
Bild: picture-alliance/dpa/K.-J. Hildenbrand

Michael Müller, Sozialdemokrat und Regierender Bürgermeister von Berlin, wusste schon vor dem Sondierungsgespräch mit Linken und Grünen, dass es wohl angenehm verlaufen würde. Er habe den Eindruck, "dass Linke und Grüne wirklich etwas erreichen wollen", meinte der SPD-Politiker schon in der vergangenen Woche. Am Montag trafen sich die drei Parteien nun zu ersten Sondierungen. Nach dem Gespräch empfahl Müller seiner Partei die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit Grünen und Linken.

Neue Zauberformel: "r2g"

Schon vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus am 18. September galt die linke Koalition, im schicken neuen deutschen Abkürzungswahn auch "r2g" genannt, als die wahrscheinlichste Variante. Und nach der Wahl erst recht. Die sah die SPD als "Sieger" mit mageren 21,6 Prozent vor der CDU mit 17,6 Prozent. Noch nie hat bei einer Landtagswahl in Deutschland der Sieger so wenig Stimmen bekommen. Linke, Grüne und die rechtspopulistische AfD kamen auf Werte zwischen 14 und 16 Prozent, sogar die FDP schaffte den Sprung ins Landesparlament. Kurz: Es herrscht große Unübersichtlichkeit in Berlin. Zweierbündnisse wie die Große Koalition haben keine Mehrheit mehr: also "r2g".

Berlin Wahlen zum Abgeordnetenhaus erste Wahlergebnisse Bündnis 90/Die Grünen
Freude bei den Grünen am 18. September in BerlinBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Man kennt sich

Die SPD hat überdies an der Spree schon mit beiden Parteien regiert, mit Linken wie mit Grünen, man kennt sich. Was noch fehlt, ist, dass die SPD vom hohen Ross des Wahlsiegers absteigen muss. Ihr Wahlergebnis ist zu schlecht, um sich als große Berlin-Partei profilieren zu können. Wahrscheinlicher ist, dass alle drei Partner mehr oder weniger auf Augenhöhe agieren werden. 

Die Aussicht auf das Bündnis von SPD, Linken und Grünen im Roten Rathaus in der Hauptstadt hat die Debatte um ein solches Bündnis nach der Bundestagswahl in gut einem Jahr befeuert. Könnte das gehen? Könnten SPD, Linke und Grüne Angela Merkel mit vereinten Kräften vom Thron stoßen? Der bekannteste Linken-Politiker, Gregor Gysi, findet schon. 90 Prozent der Mitglieder seiner Partei seien offen für solche Gespräche, so der frühere Fraktionschef. Man müsse halt mal "etwas Mumm zeigen" und das angehen, so Gysi am Sonntag in der ARD.

Trittin ist skeptisch

Direkte Macht hat Gysi allerdings nicht mehr in seiner Partei. Skeptischer zeigte sich ausgerechnet Jürgen Trittin von den Grünen, auch er eher entmachtet, aber früher doch ein klarer Befürworter eines solchen Dreierbündnisses. Jetzt meinte der ehemalige Umweltminister: "Derzeit gibt es im Bundestag bloß rechnerisch eine rot-rot-grüne Mehrheit. Aber in der Bevölkerung ist das anders." Deutschland sei in den letzten Jahren nach rechts gerutscht. Mit anderen Worten: Ein Dreierbündnis im Bund müsste von Anfang an gegen erheblichen gesellschaftlichen Widerstand anregieren.

NATO und Bundeswehr: Gegensätze bei den Parteien wohl zu groß

Und harte Kompromisse eingehen: Die Linken müssten wohl ihre Positionen gegen die NATO und gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr räumen. Schwer vorstellbar, wie das mit der derzeitigen Fraktionschefin der Linken, Sahra Wagenknecht, gehen soll. Und SPD-Chef Sigmar Gabriel, der einer solchen Koalition wohl als Kanzler vorstehen würde, gilt ganz und gar nicht als Freund der Linken. Kurz. Was in Berlin geht, geht noch lange nicht in ganz Deutschland.

Sigmar Gabriel SPD (Foto: Getty Images/S.Gallup)
Winkt bislang ab: SPD-Chef Sigmar GabrielBild: Getty Images/S.Gallup

Und die neue Unübersichtlichkeit, die Schwierigkeit, tragfähige Koalitionen zu bilden, zeigt sich auch bei der Suche nach einem neuen Bundespräsidenten. Schon im Februar 2017 soll der gewählt werden. SPD, CDU und CSU haben sich jetzt geschworen, die Kür des Staatsoberhaupts aus dem Parteiengezerre im Wahljahr heraus zu halten. Kurzum: Sie wollen einen überparteilichen Kandidaten finden, so wie der jetzige Amtsinhaber Joachim Gauck einer ist. Der möchte aber nicht noch einmal antreten. Wer aber kommt als Nachfolger in Frage?

Bundespräsident: am besten überparteilich

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hat schon abgewunken. Andere Berichte nennen den früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, und die ehemalige Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt. Letztere ist nur Insidern ein Begriff. Fakt ist aber auch: Rot-Rot-Grün hat in der der Bundesversammlung, die den Präsidenten  wählt, keine Mehrheit und damit keine realistische Chancen, eigene Kandidaten durchzudrücken. Die Wahl des Bundespräsidenten: Nur ein kleiner Fingerzeig für die Probleme, die künftig auf die Mehrheitsbildungen in Deutschland zukommen könnten.