Roma-Notfallplan soll Integration fördern
9. September 2010Die französische Regierung hat Rumänien aufgefordert, mehr für die Eingliederung der Roma zu tun. Dazu solle ein Dreijahresplan aufgelegt werden, sagte Europa-Staatssekretär Pierre Lellouche am Donnerstag (09.09.2010) kurz vor einem Treffen mit rumänischen Regierungsvertretern in Bukarest.
Kooperation von Polizei und Justiz
Der nationale Notfallplan soll zudem helfen, den Menschenhandel zu bekämpfen. Dazu sei eine Kooperation zwischen Polizei und Justiz notwendig. Finanziert werden könnten die Maßnahmen durch einen europäischen Fonds in Höhe von einer Milliarde Euro. Lellouche begleitet den französischen Einwanderungsminister Eris Besson bei seinem Besuch in Bukarest. Gemeinsam wollen sie Rumäniens Präsident Traian Basescu das harte Vorgehen der konservativen Regierung in Paris gegen Roma erklären.
Im Vorfeld der Gespräche hatte Präsident Basescu seine Kritik an der Abschiebung der Roma aus Frankreich erneuert: "Die französische Regierung handelt außerhalb der Bedingungen eines europäischen Staates", sagte Basescu. Die kürzlich ausgewiesenen 500 Roma hätten sich keinerlei Vergehen zu Schulden kommen lassen. Basescu räumte aber auch ein, dass sein Land die Verantwortung für die Roma trüge: "Das sind unsere Staatsbürger".
Gemeinsame Lösung als Ziel
Seit Juli wurden dutzende illegale Roma-Lager in Frankreich geräumt. Fast 1.000 Mitglieder der ethnischen Minderheit wurden nach Rumänien und Bulgarien abgeschoben. Basescu sagte, er werde den französischen Ministern in der Frage der Gruppenabschiebungen "nicht recht geben". Allerdings hoffe er, dass bei dem Besuch eine gemeinsame Lösung für das Problem gefunden werden könne.
In Rumänen formiert sich der Widerstand gegen die Abschiebepraxis des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy derweil weiter. Ein Sprecher der Roma verglich Sarkozy mit dem früheren rumänischen Diktator Marshall Ion Antonescu. Dieser hatte im Zweiten Weltkrieg den Nationalsozialisten nahegestanden. Während des Regimes von Antonescu wurden etwa 11.000 Roma getötet, nachdem sie aus Rumänien deportiert worden waren. Iulian Radulescu kritisierte, dass mit den derzeitigen Abschiebungen viele Roma "für die Verbrechen von wenigen" bezahlten.
Kritik an Wortwahl
Auch der Menschenrechtsbeauftragte des Europarats, Thomas Hammarberg, übt massive Kritik. Die Abschiebungen der Roma aus Frankreich seien menschenrechtswidrig, sagte der Schwede weiter. Die Menschen würden nicht über ihre Rechte aufgeklärt. Die "angeblich freiwillige Rückreise" sei nicht freiwillig. Die Roma würden vielmehr zur Ausreise gezwungen. "Wer nicht gehen will, wird aus dem Land getrieben."
Zudem bemängelt Hammarberg die Wortwahl der Politiker. Manche benutzen eine Rhetorik, die der von Nazis und Faschisten der 30er und 40er Jahre ähnele, schrieb der Schwede im Internet-Netzwerk Twitter. Mit Blick auf eine Äußerung des französischen Staatschefs Nicolas Sarkozy zum "fahrenden Volk" sagte Hammarberg, er mache sich "große Sorgen". Die Politiker müssten "verantwortlicher mit ihren Worten umgehen", wenn sie sich zu sozialen Problemen mit den Roma äußerten.
Europaparlament fordert Abschiebungs-Stopp
Das Europaparlament in Straßburg hat ebenfalls am Donnerstag mit einer Resolution die französische Regierung aufgefordert, die Abschiebung der Roma sofort auszusetzen. Die von Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken gemeinsam eingebrachte Entschließung wurde mit 337 Ja-Stimmen bei 245 Nein-Stimmen und 51 Enthaltungen angenommen. Darin unterstreichen die Abgeordneten, Einschränkungen der Freizügigkeit und Ausweisungen von EU-Bürgern seien lediglich in Ausnahmefällen möglich.
Mangelnde finanzielle Mittel könnten unter keinen Umständen eine Rechtfertigung für automatische Ausweisungen sein. Auch Störungen der öffentlichen Ordnung müssten jeweils Einzelpersonen nachgewiesen werden und könnten nicht mit der ethnischen Zugehörigkeit der Staatsangehörigkeit begründet werden. An EU-Ministerrat und EU-Kommission appellieren die Europaabgeordneten, die Anwendung des EU-Rechts zu überwachen.
Proteste gegen die Abschiebepraxis
Frankreich hat seit Jahresbeginn rund 8.000 Roma nach Rumänien und Bulgarien abgeschoben und damit heftige internationale Kritik ausgelöst. Am Samstag hatten in Paris und 130 anderen französischen Städten Zehntausende von Bürgern gegen die Abschiebepraxis und die Auflösung von Roma-Lagern demonstriert.
Autorin: Marion Linnenbrink (afp, dpad, kna)
Redaktion: Susanne Eickenfonder