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Arbeitsmarkt verspürt bislang kaum Krisensignale

Klaus Ulrich
31. Juli 2019

Jahrelang hatte ein Rekordtief das andere gejagt - inzwischen stellt sich die Bundesagentur für Arbeit auf steigende Arbeitslosenzahlen ein. Eine Trendwende ist aber nicht in Sicht.

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Stahlindustrie Reparatur einer Anlage Symbolbild
Bild: Imago/Westend61

Das geringere Wirtschaftswachstum in Deutschland trifft auf dem Arbeitsmarkt vor allem Helfer-Berufe und gering qualifizierte Zuwanderer. In diesem Bereich sei die Arbeitslosigkeit im Juli stärker gestiegen als für die Jahreszeit üblich, teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Mittwoch mit. "An dieser Stelle touchiert die Konjunktur den Arbeitsmarkt", sagte BA-Vorstand Daniel Terzenbach in Nürnberg.  

Im Juli stieg die Arbeitslosigkeit nach BA-Angaben wie in diesem Monat üblich vor allem ferienbedingt. Viele Unternehmen warten mit Neueinstellungen das Ende der Sommerferien ab. Bei der Behörde waren 2,275 Millionen Menschen als arbeitslos registriert. Das seien 59.000 mehr gewesen als im Juni, aber 49.000 weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote legte um 0,1 Prozentpunkte auf 5,0 Prozent zu. 

Zur aktuellen Situation sprach die DW mit Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung.

DW: Professor Weber, im Juli verzeichnet die Bundesagentur für Arbeit 59.000 mehr Arbeitslose als im Juni. Ist das lediglich die Sommerflaute oder erleben wir eine Wende hin zu höherer Arbeitslosigkeit?

Enzo Weber: Wir haben Ferienzeit und da ist es durchaus normal, dass die Arbeitslosenzahlen etwas nach oben gehen. Deswegen gibt es eine Saisonbereinigung, die solche Effekte rausnimmt. Und wenn wir uns die Entwicklung saisonbereinigt anschauen, dann haben wir in diesem Monat die gleiche Arbeitslosenzahl wie im letzten Monat.

Trotzdem müssen wir aber feststellen: Wir sind inmitten eines konjunkturellen Abschwungs, das rührt von der Weltwirtschaft her und betrifft in Deutschland mit seinem stark exportorientierten verarbeitenden Gewerbe. Und auch die Zeitarbeit, die immer sehr schnell auf die Konjunktur reagiert. Dementsprechend entwickelt sich der Arbeitsmarkt jetzt schlechter, als wir das in den letzten Jahren gewohnt waren.

Enzo Weber Forschungsbereichsleiter IAB
Prof. Enzo WeberBild: IAB/J. Palm-Nowak

Großkonzerne wie VW, BASF, Bayer oder Thyssenkrupp haben einen massiven Arbeitsplatzabbau angekündigt oder ziehen ihnen bereits durch. Wie wirkt sich das auf das Gesamtbild des Arbeitsmarktes aus?

In der letzten Zeit haben sich in der Tat die Meldungen von prominenten Großkonzernen über Stellenabbau gehäuft. Wenn man auf den gesamten Arbeitsmarkt schaut, dann muss man aber doch ganz klar feststellen: Das ist nicht repräsentativ. Die Entlassungsquote insgesamt liegt heute so niedrig wie sie seit der Wiedervereinigung noch nie war und das hat auch einen Grund: nämlich, dass die Arbeitskräfte mittlerweile einfach deutlich knapper sind als früher. Und wenn Arbeitskräfte knapp sind, dann sichere ich mir die. Das heißt, ich greife dann nicht so schnell zu Entlassungen, weil ich weiß, eine Neueinstellung im Aufschwung kann sehr lange dauern, die wird schwierig, vielleicht wird sie auch gar nicht klappen.

Bei welchen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt würden denn bei Ihnen die Alarmglocken läuten?

Wir sind mittlerweile sicher in einer Situation, wo wir feststellen müssen: Der Konjunkturabschwung ist schon substanziell und das betrifft mittlerweile in Deutschland viele Betriebe. Aber wir sehen eben auch, dass der Arbeitsmarkt deutlich robuster ist als das früher der Fall gewesen ist. Das heißt, wir sollten jetzt wirklich alles tun, um diese Robustheit des Arbeitsmarkts auch zu unterstützen; Kurzarbeit ist zum Beispiel ein bewährtes Mittel, um gerade exportierende Betriebe während einer Auftragsflaute zu unterstützen, sodass sie ihre Leute auch wirklich halten können. Das haben wir in der letzten Rezession bereits hinreichend geprobt. Von daher sehe ich gute Bedingungen, dass wir auch durch diese Flaute wieder durchkommen werden. Aber man muss sicherlich wachsam bleiben.

Das Interview führte Klaus Ulrich.

Prof. Enzo Weber leitet am Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit den Forschungsbereich "Prognosen und gesamtwirtschaftliche Abnalysen". Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Empirische Wirtschaftsforschung der Universität Regensburg.