Lewandowski gewinnt Torjäger-Showdown
6. März 2021Erling Haaland war sichtlich angefressen, als er in der 60. Minute den Platz verlassen musste. Sein Dortmunder Trainer Edin Terzic hätte sein Sturmjuwel sicher gerne weiterspielen lassen, aber die aufreibenden Zweikämpfe mit der Bayern-Abwehr hatten ihre Spuren hinterlassen. Noch auf der Bank wurde seine blutige Ferse vom medizinischen Personal behandelt.
Die Partie zwischen dem Meister und dem letzten Team, das vor den Münchnern im Jahre 2012 den Titel gewonnen hatte, schien schon nach neun Minuten entschieden und ihren Helden gefunden zu haben. Da hatte Haaland, der junge Norweger mit der Wucht eines US-amerikanischen Show-Wrestlers gerade das 0:2 erzielt. Es war der zweite Schuss auf den Kasten von Manuel Neuer, aus kurzer Distanz, und auch diesmal hatte der Welttorhüter keine Abwehrchance. Für das 0:1 war ebenfalls Haaland verantwortlich gewesen, nachdem Jerome Boatengs Schuhsole dem 18-Meter-Schuss noch die entscheidende Wendung verpasst hatte.
Blitzstart des BVB
Der BVB war also gerade dabei, die Bayern von der Tabellenspitze zu schießen, die Stunden zuvor RB Leipzig durch einen Sieg in Freiburg an sich gerissen hatte. Die Bayern mussten sich schütteln, sortieren. Kapitän Neuer war fuchsteufelswild. Das Duell der Top-Torjäger schien sich zu einer One-Man-Show zu entwickeln. Denn wenn Robert Lewandowski an den Ball kam, waren die Flanken und Pässe zu unpräzise. Keine Chance für den Polen, Druck hinter seine Kopfbälle zu bringen oder einen gezielten Schuss anzubringen.
Es dauerte seine Zeit, bis der Triple-Sieger die Kontrolle über das Spiel erlangte. "So ein Rückstand gehört nicht zu unserem Matchplan, das ist nicht so toll", ärgerte sich Bayerns Weltmeister Thomas Müller anschließend bei Sky, "aber es gehört zu unserer DNA, zu unserm Spirit, so eine Partie noch zu drehen." Und den Anfang machten die Gastgeber in der 26. Minute. Nationalspieler Leroy Sane dribbelte sich rechts durch den Strafraum, sein Ball, halb Schuss, halb Hereingabe, landete kurz vor dem Tor bei Lewandowski, der eiskalt einnetzte.
Bayern dreht das Spiel
In dem Maße, in dem die Zuversicht bei den Roten zunahm, verging Erling Haaland im Dress der Schwarz-Gelben die Lust. Nach verlorenen Zweikämpfen ging der Norweger nicht mehr konsequent hinterher, seine wuchtigen Vorstöße in die Tiefe wussten die Bayern meist schon bei der Ballannahme zu unterbinden. Und auf der anderen Seite war Lewandowski erneut da, als er gebraucht wurde. Mo Dahoud hatte Kingsley Coman ungeschickt am Strafraumeck zu Fall gebracht, den Strafstoß nach Intervention des Video-Schiedsrichters verwandelte der Weltfußballer sicher unten links (44.).
Bundestrainer Joachim Löw, einer der wenigen Gäste im sonst leeren Stadion, hatte zur Pause eine "hochintensive, sehr spannende Partie zweier Mannschaften, die ständig nach vorne spielen, ein richtiges Spitzenspiel" gesehen. Wobei die Dortmunder eben nur in der ersten Viertelstunde wirklich nach vorne spielten. Nach dem zwischenzeitlichen 2:0 waren tauchten sie immer seltener gefährlich vor dem Bayern-Tor auf. "Wir waren nicht gut genug, haben gut angefangen, und dann nicht mehr versucht, Fußball zu spielen", bemängelte Dortmunds Emre Can nach der Begegnung bei Sky. "Wir hätten mutiger sein müssen."
Lewandowski auf des Bombers Spuren
Dennoch dauerte es bis zur 88. Minute, bis den Bayern ein weiterer Treffer gelang. Diesmal nutzte Leon Goretzka eine missglückte Abwehr von Thomas Meunier zu einem Flachschuss ins linke Eck. Und kurz nach Wiederanpfiff erhöhte Lewandowski auf 4:2 - sein 31. Saisontor, sein 267. insgesamt. In der ewigen Torjäger-Rangliste fehlt Lewandowski nur noch ein Tor, um mit Klaus Fischer auf Rang zwei gleichzuziehen. Auch der legendäre Rekord von 40 Treffern in einer Spielzeit von "Bomber" Gerd Müller aus dem Jahr 1972 wackelt gewaltig.
Und Robert Lewandowski entschied auch den Kampf der Generationen um die Rolle des besten Torjägers für sich. Auch, weil er fokussierter wirkte als die zwölf Jahre jüngere Urgewalt der Dortmunder. Die gute Nachricht zu Haaland gab's dann nach dem Schlusspfiff von Trainer Terzic: "Haaland hat ein sehr gutes Spiel gemacht, zwei Tore geschossen, und einen kleinen Schlag abbekommen." Die erlittene Verletzung sei aber nicht der Grund für die Auswechslung gewesen, ein längerer Ausfall des Norwegers nicht zu befürchten. "Er spielt seit Wochen jedes Spiel. Da mussten wir ihn schützen."