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"Buhari könnte Boko Haram eindämmen"

Madeleine Meier31. März 2015

Muhammadu Buhari wird neuer Präsident Nigerias - das scheint nun sicher. Der Muslim könnte den von Terror geprägten Norden befrieden, sagt Robert Kappel vom GIGA Institut für Afrika-Studien im Gespräch mit der DW.

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Prof. Dr. Robert Kappel (Foto: Werner Bartsch/GIGA)
Bild: Werner Bartsch/GIGA

Deutsche Welle: Präsident Goodluck Jonathan hat seinem Kontrahenten Muhammadu Buhari zum Wahlsieg gratuliert. Was wird Buhari anders machen als sein Vorgänger Jonathan?

Robert Kappel: Er wird den Kampf gegen Boko Haram viel eindeutiger führen und dort möglicherweise nicht nur militärisch vorgehen, sondern auch Verhandlungslösungen anstreben. Das halte ich für ausgesprochen wichtig. Zum Zweiten wird er versuchen, die Korruption zu bekämpfen. Die hat unter dem bisherigen Präsidenten Jonathan unglaubliche Ausmaße angenommen. Buhari gilt als nicht bestechlich und wird sicher mit harter Hand gegen Korruption vorgehen. Drittens wird sich Buhari als Vertreter des Nordens und als Muslim auch den Problemen dort annehmen: der wirtschaftlichen Benachteiligung, der hohen Arbeitslosigkeit - auch unter Jugendlichen - dem mangelhaften Schulsystem. Damit könnte er zu einem Ausgleich zwischen dem relativ reichen Süden und dem sehr armen Norden beitragen.

Muhammadu Buhari war ja bereits einmal Präsident Nigerias: 1984 hatte er sich mit dem Militär an die Macht geputscht und das Land mit harter Hand regiert. Ist seine Wandlung zum Demokraten glaubwürdig?

Er hat immer betont, dass er geläutert sei. Ich habe da meine Zweifel. Aber ich habe die Hoffnung, dass die Opposition Widerstand leisten würde, wenn er eine Art Militärdiktatur niedriger Größenordnung zu etablieren versuchte. Sollten die Unruhen im Land doch zunehmen, weil Verlierer die Wahl anfechten, dann errichtet der neue Machthaber womöglich neue Ausgangssperren und etabliert vielleicht eine Art Militärregime. Die Gefahr besteht.

Wie wird sich das Militär verhalten?

Das ist schwer zu sagen. Das Militä ist überall präsent: in den Straßen, in den großen Städten, an den Regierungspalästen in den Bundesstaaten. Allein das führt schon zu einem erhöhten Spannungspotential. Man kann nur hoffen, dass die neue Staatsführung schnell gewählt wird. Ich hoffe, dass der neue Präsident das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen kann. Das war in den letzten Monaten ein bisschen verloren gegangen. Und dann wird sich auch das Militär in die Kasernen zurückziehen.

Jonathan hat seine Niederlage nun zwar offenbar anerkannt. Trotzdem ist nicht ausgeschlossen, dass es zu Protesten enttäuschter Jonathan-Wähler kommt, etwa in seiner Hochburg im ölreichen Nigerdelta. Was wäre die Folge?

Wenn die Sicherheitskräfte im ganzen Land eingesetzt würden, dann wird auch Boko Haram wieder zuschlagen. Denn das Militär müsste dann aus dem Norden abgezogen werden. Boko Haram könnte diese relative Instabilität nutzt, um dort wieder Terrorangriffe zu verüben. Das wäre das schlechteste Szenario für Nigeria, aber es steht leider zu befürchten.

Der voraussichtliche neue Präsident Muhammadu Buhari ist Muslim und stammt aus dem Norden Nigerias, wo Boko Haram aktiv ist. Welche Vorteile bietet das beim Kampf gegen die Terrorgruppe?

Ich glaube, dass er die besseren Möglichkeiten hat, um Boko Haram einzudämmen. Dass er mit den islamischen Gruppen im Norden eine Strategie entwickelt, wie man Boko Haram aushebeln kann. Also, indem man alle Gruppen zusammenführt, die im Norden gesellschaftlich und politisch aktiv sind, und dann Boko Haram das Wasser abgräbt. Buhari ist sehr gut mit den Eliten des muslimischen Nordens vernetzt. Er genießt dort große Unterstützung - auch bei der armen Bevölkerung, die ja sonst keine wirkliche Stimme hat. Er versteht die Leute und kennt ihre Probleme. Man wird ihn dort eher mit offenen Armen empfangen. Wie der Süden das sieht, ist eine ganz andere Frage.

Anders als befürchtet, hat die islamistische Terrorgruppe Boko Haram am Wahlwochenende nur vereinzelt Anschläge verübt. Zuvor hatte die nigerianische Armee einige militärische Erfolge gegen die Gruppe vermeldet. Ist Boko Haram geschwächt?

Ich glaube nicht, dass es Grund zum Aufatmen gibt. Boko Haram wartet jetzt ab, wie sich die Lage entwickelt, und organisiert seine Kräfte neu. Sie werden auf jeden Fall zurückkommen und weitere größere Anschläge verüben. Boko Haram ist keineswegs vernichtet, sondern nur ein bisschen 'eingehegt' worden - vor allem durch die Truppen aus dem Kamerun, dem Tschad und den Söldnern aus Südafrika, Russland und der Ukraine, die auf Seiten der nigerianischen Armee kämpfen. Die werden aber irgendwann abgezogen, weil sie nicht finanzierbar sind. Auch wenn Boko Haram hunderte Kämpfer verloren hat, gehe ich davon aus, dass sie immer noch fünf- bis sechstausend Kämpfer haben und dass sie sich Waffen beschaffen.

Wie konnte sich Boko Haram in den vergangenen Jahren von einer lokalen Rebellengruppe zu einer Terrorgruppe entwickeln, die die gesamte Region bedroht?

Man muss das Milieu verstehen, in dem die Kämpfer groß geworden sind: Sie sind im Norden sehr gut mit der Polizei, dem Militär und den Eliten vernetzt. Sie sind isoliert - durch ihre Terroranschläge, die massenweise Tötung von Menschen, das Ausradieren von Kleinstädten und Dörfern. Niemand will diese Gruppe haben. Aber sie haben durchaus Anhänger - und zwar nicht wenige. Das sind Menschen, die keine Chance auf Bildung oder Jobs haben. Boko Haram hat einen großen Zulauf, weil sie ihren Kämpfern ein kleines Gehalt und eine eigene Aufgabe bieten. Deshalb muss da jetzt was passieren, sonst bricht dieses Land auseinander. Es kann nicht sein, dass der Norden komplett abgekoppelt ist vom wirtschaftlichen Erfolg des Landes.

Ganz Afrika schaut nun auf Nigeria. Welche Vorbildfunktion haben diese Wahlen für andere afrikanische Staaten?

Nigeria ist sehr wichtig für Westafrika und den gesamten Kontinent. Wenn Nigeria freie und faire Wahlen abhält und in keine schwierige politische Krise schlittert, dann strahlt das natürlich auf die Nachbarländer aus. Dass es in diesem Land gelingen konnte, einen Präsidenten abzuwählen - das ist ein sehr gutes Zeichen und ein Beweis für die Stärke der Demokratie dort. Meine Hoffnung ist, dass man in Nigeria den scharf geführten Wahlkampf nun hinter sich lässt und sagt: 'Wir arbeiten alle zusammen.'

Der Volkswirt und Soziologe Robert Kappel hat bis 2011 das GIGA Institut in Hamburg geleitet. Seitdem beschäftigt er sich am Giga Institut für Afrika-Studien unter anderem mit dem politischen System in Nigeria.