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Rittner: "Auf Rasen hilft Gelassenheit"

Marko Langer
2. Juli 2017

Seit Montag läuft an der Londoner Adresse SW19 das wichtigste Tennisturnier der Welt. Für Bundestrainerin Rittner ist Angelique Kerber nicht zu unterschätzen. Aber den Sieg traut sie einer anderen Spielerin zu.

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Barbara Rittner
Barbara RittnerBild: Getty Images/Bongarts/O. Hardt

DW: Frau Rittner, Sie kennen sich doch aus! Wer gewinnt in diesem Jahr Wimbledon?

Rittner: Bei den Herren ist es Roger Federer, und bei den Frauen denke ich, dass Petra Kvitova gewinnt - trotz ihrer schweren Handverletzung. Wobei ich selbst ganz gespannt bin und es total offen ist. Es gibt bestimmt 30 Spielerinnen, die in diesem Jahr gewinnen können. Ich lasse mich überraschen.

Kann Shooting-Star Jelena Ostapenko ihren überraschenden Erfolg von Paris wiederholen?

Eher nicht. Ostapenko ist überhaupt keine Rasenspezialistin. Auf Rasen braucht man mehr Erfahrung und eine besondere innere Ruhe, da würde mich ein Erfolg von Ostapenko schon sehr wundern. Auf Rasen hilft eine gewisse Gelassenheit. Man sollte auch einmal über sich selbst lächeln, wenn es nicht so läuft. Ich sehe andere Spielerinnen vorne.

In der vergangenen Woche war das Vorbereitungsturnier in Mallorca: Julia Görges, lange mit Verletzungsproblemen unterwegs und Formschwankungen unterworfen, kam bis ins Finale. Sie hat auch zuletzt für das Fed-Cup-Team stark gespielt. Ist Julia die stärkste deutsche Spielerin in diesem Jahr in London?

WTA Tennis Damen Tour 2017 Mallorca Open Julia Görges
Julia GörgesBild: Imago/Beautiful Sports

Man darf natürlich unsere Nummer eins, Angelique Kerber, nicht unterschätzen. Sie war in Wimbledon im vergangenen Jahr im Finale, davor auch schon mal im Halbfinale. Angies Spiel ist ideal für Rasen. Ihr Aufschlag, der sonst nicht ihre Stärke ist, wird auf Rasen zu einer Waffe. Wenn sie fit ist und mit Selbstvertrauen gut in das Turnier kommt, wird sie in Wimbledon sicherlich ein Wörtchen mitreden. Was Julia Görges angeht, so ist sie nach Formschwankungen inzwischen sehr konstant und wieder zurück in den ersten 50 der Weltrangliste. Ihr fehlt noch ein großer Erfolg bei einem Grand-Slam-Turnier. Aber sie hat eine stark verbesserte körperliche Fitness, und sie hat sich ein Team gebastelt, mit dem sie sich wohlfühlt, sie arbeitet konzentriert an ihren Schwächen. Und wenn sie wie in der Form von Mallorca auch in Wimbledon aufläuft, möchte wohl keiner gerne gegen Julia Görges spielen.

Von Jägerinnen und Gejagten

Zurück zu Angelique Kerber: Ist ihr der Wimbledon-Sieg 2017 zuzutrauen?

Wenn eine Spielerin die Nummer eins der Welt ist und die erste Runde gut übersteht, dann gehört sie zu den Top-Favoritinnen. Aber man muss nicht immer gleich vom Turniersieg reden. Ich wünsche Angie, dass sie mit Leichtigkeit und Freude nach Wimbledon kommt und gut ins Turnier startet. Aber man sollte die Kirche im Dorf lassen und Angie ein bisschen Zeit geben. Sie hat gezeigt, dass sie große Turniere gewinnen kann - aber auch, dass sie Spiele verlieren kann.

Tennis Profi Angelique Kerber
Angelique KerberBild: Imago/Hasenkopf

Ist es ein Problem für Kerber, dass sie sich womöglich nicht wirklich auf dem Thron sieht? Meiner Ansicht ist sie besser in der Rolle der Angreiferin, wenn eine andere - etwa Serena Williams - an der Spitze steht.

Ich glaube, das ist bei den Spitzenspielerinnen und -spielern generell so. Ich habe darüber auch mit Boris [Becker, die Red.] und Roger Federer gesprochen, der das Gefühl kennt, lange vorne zu stehen. Es ist viel leichter, zu jagen, als oben zu stehen und gejagt zu werden. Und Angie ist jemand, der sich immer wieder hinterfragt und vielleicht manches Mal auch ein bisschen zu viel nachdenkt.

In den vergangenen Tagen hat eine verbale Auseinandersetzung zwischen John Mcnroe und Serena Williams die Twitter-Gemeinde beschäftigt. Wenn wir McEnroe richtig verstanden haben, will er mit seiner Kritik an Serena Williams, der er das Level eines Herren-Spielers um Position 700 attestierte, gleichzeitig das Niveau im Damen-Tennis in den Blick nehmen. Hat er Recht?

Nein, ich finde die Aussagen peinlich! Das kann man doch nicht machen, sondern man muss die körperlichen Voraussetzungen berücksichtigen, Kraft, Hebelfunktionen und so etwas. In keinem Sport dieser Welt kann man Damen und Herren vergleichen. Ich schätze John McEnroe als Kommentator und höre ihm gerne zu, aber das jetzt .... Ich habe gehört, er will ein Buch verkaufen und braucht die Aufmerksamkeit.

Wo wir schon einmal bei den Männern sind: Ist Alexander Zverev bereit für einen ersten Grand Slam-Sieg? Oder für den Einzug ins Finale?

Ich hätte nie damit gerechnet, dass er das Turnier in Rom gewinnt. Ein Grand-Slam-Finale ist eine Frage der Zeit. Ich wünsche ihm, dass er in Wimbledon in die zweite Woche kommt. Er ist ja immer noch ein junger Mann in der Entwicklung. Man sollte Geduld mit ihm haben. Viel wird davon abhängen, wie viel Energie er in den ersten Runden verbraucht. Die Fünf-Satz-Matches sind schon eine andere Nummer. Aber irgendwann wird der Grand-Slam-Sieg kommen. Es ist unglaublich, wie konstant Alexander Zverev schon spielt.

Barbara Rittner (44) ist seit 2005 Fed-Cup-Chefin und Damen-Bundestrainerin des Deutschen Tennis-Bundes (DTB). Sie zählte als Profi zu den erfolgreichsten deutschen Tennis-Spielerinnen. In Wimbledon hat sie 1991 den Juniorinnen-Titel gewonnen.

Das Gespräch führte Marko Langer