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Politik

Risse im polnischen Regierungslager

Paul Flückiger
21. August 2017

Das Präsidentenveto gegen zwei Gesetze der Justizreform der Regierungspartei PiS hat die Einigkeit im Regierungslager zerstört. Gemäßigte Abgeordnete sollen schon die Chancen für eine eigene Präsidentenpartei sondieren.

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Andrzej Duda
Nun offen gegen seinen Mentor Jaroslaw Kaczynski - Polnischer Präsident Andzej DudaBild: picture alliance/Pap/P.Supernak

Fast eine Woche nach einem Unwetter im Süden von Danzig sind immer noch 3500 Haushalte von der Stromversorgung abgeschnitten. Geschlagene drei Tage dauerte es, bis sich die ersten Regierungsvertreter zu den Opfern des verheerenden Sturms in Nordpolen aufmachten. Ein Unwetter hatte dort sechs Todesopfer gefordert, rund 4000 Häuser zerstört und beschädigt, sowie 38.000 Hektar Wald. Erst am Dienstag (15. August) lief eine Hilfsaktion der Armee an, zuvor waren die örtlichen Feuerwehrleute mit der Schadensbekämpfung allein.

Inzwischen sind die späte Reaktion Warschaus sowie die Tatsache, dass nach wie vor Haushalte vom Strom abgeschnitten sind in Polen zu einem Politikum geworden. Den Grund für die Verspätung sehen viele in den Flügelkämpfen der Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS). Seitdem Staatspräsident Andrzej Duda Ende Juli gegen zwei zentrale Gesetze der Justizreform ein Veto einlegte, befindet sich Jaroslaw Kaczynskis Regierungspartei in hellem Aufruhr. Hatte es doch zuvor seit der Machtübernahme fast 20 Monate lang niemand gewagt Parteichef Kaczynski zu widersprechen.

Risse im Regierungslager

Nach dem Veto aber solidarisierte sich der Vizepremier und Bildungsminister Jaroslaw Gowin mit Duda, während Justizminister Zbigniew Ziobro den Staatspräsidenten scharf kritisierte. Ziobro gibt sich seit seiner Rückkehr zu Kaczynski, von dessen PiS er sich 2011 abgespalten hatte, besonders radikal. Auch weitere Abgeordnete, die Kaczynski besonders gefallen wollen, übertrumpfen sich seitdem mit Angriffen auf den aufmüpfigen Duda.

Polen Protest gegen Justizreform in Breslau
Zehntausende protestierten in Polen gegen JustizreformBild: Reuters/Agencja Gazeta/M. Michalak

Offiziell gibt es "keinen Krieg an der Parteispitze", wie die PiS jeden Tag erneut betont. In der Partei gärt es indes dennoch. Dies wird im Moment zusätzlich durch die Ferienabwesenheit von Parteichef Kaczynski gefördert. Dieser hat sich in die Wälder nach Nordpolen zurückgezogen. "Das Veto war ein großer Fehler", hatte Kaczynski vor seiner Abreise in die Ferien kritisiert, aber auch die Hoffnung geäußert, es bliebe bei diesem einen "Ausrutscher" Dudas, und der Präsident würde nun alles wieder nach den Wünschen der PiS einrenken.

Präsident auf Emanzipationskurs

Duda hatte angekündigt, bis zum Herbst eigene Gesetzesvorschläge für das Gesetz über den Obersten Gerichtshof und jenes über den Landesgerichtsrat (KRS) auszuarbeiten und diese dem Sejm - dem Parlament - vorzulegen. Der Präsidentenpalast bemühte sich seither auch, alle paar Tage zu betonen, die Justizreform sei nötig und man wolle "in dieselbe Richtung wie die Regierung gehen". Dennoch hat Duda Mitte August bei seiner traditionellen Rede zum Tag der Polnischen Armee den bisher nur leise dahinschwelenden Konflikt mit Verteidigungsminister Antoni Macierewicz (PiS) offen zum Thema gemacht und diesem gar öffentlich vorgeworfen, das Heer wie seine Privatarmee zu behandeln.

Auch sind lange vertuschte Konflikte mit Außenminister Witold Waszczykowski (PiS) um Botschafterbesetzungen wieder aktuell geworden. Als Staatspräsident ist Duda nicht nur der Oberbefehlshaber in Friedenszeiten, er hat auch in der Außenpolitik einiges mitzureden. Allerdings hatte sich Duda in beiden Bereichen von Kaczynskis Ministern bisher oft einfach unwidersprochen übergehen lassen.

Spekulationen über neue Partei

In Kreisen der marginalisierten liberalen Opposition werden bereits Hoffnungen auf einen offenen Bruch im PiS-Regierungslager und eine Präsidentenpartei wach. Diese könnte laut polnischen Medienberichten zusammen mit der rechtspopulistischen Partei Kukiz'15  des gleichnamigen Rockmusikers aufgebaut werden. Laut regierungsfreundlichen Medien soll es bereits Sondierungsgespräche zwischen Anhängern verschiedener Lager und Dudas gegeben haben.

Dudas stärkere Rolle ist auch deshalb wichtig, da er hofft, 2020 erneut als Präsident gewählt zu werden. Bisher galt eine Unterstützung der PiS für seine zweite Amtszeit als sicher. Inzwischen äußern aber einige Hardliner im Kaczynski-Lager Zweifel. Offenbar wollen sie Duda mit solchen Drohungen unter Druck setzen und wieder auf Kaczynskis harte Linie bringen.

Jaroslaw Kaczynski
Jaroslaw Kaczynski ist verärgert über die wachsende Selbstständigkeit des Präsidenten DudaBild: imago/Eastnews

Dabei ist noch völlig unklar, wie Dudas Justizreformvorschläge ausfallen werden und wie die PiS darauf reagieren wird. Da es keine Fristen für eine Abstimmung darüber gibt, wird in Warschau bereits darüber spekuliert, ob Dudas Vorschläge einfach in der Schublade landen könnten. Kaczynski hofft demnach bei den nächsten Parlamentswahlen auf eine verfassungsgebende Parlamentsmehrheit, wie sie heute sein großes Vorbild in der Europa-Politik, Viktor Orban, in Ungarn hinter sich weiß. Auf den Goodwill des Staatspräsidenten wäre er damit nie mehr angewiesen.