Revolutionär hinter der Linse
26. Januar 2003Als Guevara mit Fidel Castro auszog, Kuba zu erobern, deponierte er in Mexiko sicherheitshalber eine Kiste mit Negativen. "Ich war Fotograf, bevor ich Kommandante wurde", teilte er einmal einem erstaunten Zeitgenossen mit. Schon in den fünfziger Jahren wollte er auf Reisen den Alltag der Menschen kennen lernen, die Fotos waren auch Brotarbeit für Agenturen, und Guevara dokumentierte den kubanischen Umbruch Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre.
Fotografische Reise durch ein Leben
Diese unterschiedlichen Zeit- und Lebensphasen geben der Schau ein vielfältiges Gepräge: Mexikanische Bauern sind auf den Fotos zu sehen, Straßenszenen aus Indien, Pyramiden und Bauten der Maya, Hochspringer und Fechter auf den Panamerikanischen Spielen von 1955, der Aufbau eines Schulzentrums in Havanna. Für Camilo Guevara, der Sohn, bedeutet diese Ausstellung auch eine Reise durch das Leben seines Vaters: "Vor allem deshalb, weil er mal als Reporter auftritt, dann als Botschafter der Kubanischen Revolution; er fotografierte als Industrieminister oder als Vater."
Als Industrieminister besuchte Guevara die heimischen Fabriken. Doch es entstanden keine phantasielosen Dokumente für die Akten. Für diese Welt der Kräne und Maschinen wählte er ungewöhnliche Perspektiven und Bildausschnitte, um so den Eindruck gesellschaftlicher Dynamik zu vermitteln. Wer bei diesen konstruktivistisch angehauchten Fotos an Alexander Rodtschenko denkt, liegt nicht falsch. Guevara kannte nicht nur die Arbeiten Rodtschenkos, er war überhaupt mit der modernen Fotografie vertraut.
Soziales Gespür eines Revolutionärs
Nur ein Teil dieser Fotos verrät den politischen Kopf Guevara, aber viele Arbeiten lassen sein soziales Gespür erkennen, das Interesse an den Menschen, meint Gabriele Philipp vom Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe: "Wir sehen, dass er das Leben des arbeitenden Menschen wertschätzt, und dass dies die Basis ist für den Aufbau der neuen Gesellschaft in Kuba."
Ein besonderer Blickfang sind die wenigen Selbstbildnisse. Anfang der fünfziger Jahre zeigte sich Guevara bürgerlich ausstaffiert, mit leicht gelockerter Krawatte. Auch im Schattenriss ist er zu sehen, zigarrerauchend. Faszinierend sind diese Fotos, weil sich Guevara mithilfe eines anderen, zigfach reproduzierten Fotos von Alberto Korda eingeprägt hat. Es trug wesentlich zur Mythisierung Guevaras bei.
Talentierter Künstler mit Vorbildcharakter
Diese Ausstellung bietet keine fotografischen Sensationen, aber veranschaulicht doch Dimensionen der Persönlichkeit Guevaras. "Ich glaube, Che ist nicht deshalb ein Symbol, weil Alberto Korda ein Foto von ihm gemacht hat, sondern deshalb, weil er ein Mensch war, der positive Werte vertrat und ein vorbildliches Leben führte. Diese Fotos erzählen von einem Menschen, der sehr sensibel war. Er hatte zwar viele Berufe, war aber auch ein Künstler - in der Fotografie genauso wie in seiner Literatur, die zum Teil noch unveröffentlicht ist, die wir demnächst aber publizieren werden."
Camilo Guevara lebt in Havanna und arbeitet in einem Studienzentrum, das den Nachlass des Vaters betreut. Fragt man nach der Stagnation in seiner Heimat, reagiert Camillo Guevara wortkarg und wirkt leicht unwirsch. Und widerspricht der Behauptung, dass die Revolution in die Jahre gekommen sei. Das Bild seines Vaters sei in der kubanischen Öffentlichkeit keineswegs verblasst. Welche Erinnerungen hat er an seinen Vater? "So genau erinnere ich mich nicht. Aber wenn ich Che mit drei Worten beschreiben sollte, würde ich sagen: zärtlich, ernst und aufrichtig."