Republik Moldau - 25 Jahre unabhängig
27. August 2016"Die Moldau ist wie eine 25-jährige, junge, intelligente und schöne Frau", sagt der bekannte Blogger und Autor Vitali Cipileaga. Noch auf der Suche nach dem eigenen Ich, nach Werten und Vervollkommnung wolle sie sich beweisen, lerne manchmal aus ihren Fehlern, manchmal auch nicht. Aber sie gehe unbeirrbar ihren Weg nach vorn, davon ist er überzeugt. Er selbst ist im Jahr der Unabhängigkeit seines Landes geboren und voller Zuversicht.
Wenn an diesem Samstag die Feierlichkeiten in Chisinau mit Militärparade und Folklore über die Bühne gehen, sehen die meisten Moldauer die Entwicklung ihres Landes mit gemischten Gefühlen. Armut, Korruption und Abwanderung sind allgegenwärtig.
Die sogenannte pro-europäische Polit-Elite ist nicht in der Lage, für politische Stabilität zu sorgen. Im vergangenen Jahr wurden fünf Premierminister ausgetauscht, das Land droht im Würgegriff der Oligarchen zu ersticken. Hinzu kommt der eingefrorene Konflikt in der pro-russischen separatistischen Region Transnistrien, der trotz OSZE-Vermittlung unlösbar scheint.
Vergessene Dörfer
Visafreiheit in der Europäischen Union und das EU-Assoziierungsabkommen haben zwar für einen neuen Schwung im pro-europäischen Kurs Chisinaus gesorgt, doch ein riesiger Bankenskandal, bei dem umgerechnet eine Milliarde US-Dollar verschwand, hat das Vertrauen der Menschen in die Politik erschüttert.
Folge war eine neue Auswanderungswelle, diesmal allerdings der jungen und gut ausgebildeten Fachkräfte, die in ihrem Land keine Zukunft mehr sahen. 106 Moldauer verlassen täglich ihr Land, heißt es in einer aktuellen Studie, die im Auftrag der BBC veröffentlicht wurde. Sie lassen ihre Eltern, Großeltern und ihre Häuser zurück auf der Suche nach einem besseren Leben für sich und ihre Kinder.
Grozesti, ein Dorf 100 km westlich von Chisinau: Die meisten Häuser stehen leer, man trifft nur noch ältere Menschen an. "Die von nebenan sind in Italien", erzählt uns Valeriu Butnaru, ein 60-jähriger Handwerker. Die anderen Nachbarn seien in Russland, die von der anderen Straßenseite in Spanien. Und so geht es weiter bis an den Dorfrand. Auch viele der neuen Häuser stehen leer da. Moldauer aus dem Ausland haben sie gebaut in der Hoffnung, irgendwann einmal nach Hause zurückzukehren.
Valeriu Butnaru hat drei Kinder, von denen zwei in Deutschland leben und arbeiten: "So sind halt die Zeiten. Kaum Arbeitsplätze und Jammerlöhne - unseren Kindern bleibt nichts anderes übrig als wegzuziehen." Er würde auch im Ausland nach Arbeit suchen, wenn er jünger wäre, erzählt er. Sein Haus steht kaum einen Kilometer weit von der EU-Grenze nach Rumänien. Mit dem Geld, das seine Kinder ihm monatlich überweisen, will er ihnen ein neues Haus bauen und hofft, dass sie zurückkehren, wenn es in der Moldau wieder bergauf geht.
Brain Drain - wie eine Pest
Ende der 1980er Jahre lebten in der Republik Moldau rund 4,5 Millionen Menschen. Heute sind es laut Nationalem Statistikamt noch knapp 3,5 Millionen. In der BBC-Studie erscheint die Moldau weltweit als das Land mit der am stärksten schrumpfenden Bevölkerung.
Olga Gagauz, Leiterin des Zentrums für Demographie in Chisinau, spricht von einer dauerhaften Migration ihrer Landsleute, die vor allem wegen der sozialen und wirtschaftlichen Instabilität ihr Glück im Ausland suchten: “Über 600.000 Moldauer haben sich längerfristig oder sogar dauerhaft im Ausland niedergelassen“, sagt sie.
Die meisten davon seien gut ausgebildet und würden nicht zurückkehren. Die Familien seien integriert, die Kinder gingen dort zur Schule. “Der schlimmste Effekt für unser Land ist der, dass wir die jungen Arbeitskräfte verlieren, die zum Aufschwung anderer europäischer Volkswirtschaften beitragen und nicht unserer“, ist ihr bitteres Fazit.
Der Soziologe Doru Petrut, Leiter des Meinungsforschungsinstituts IMAS-INC in Chișinau, sieht die jahrelang verschleppten Reformen als Hauptgrund für die Auswanderung und den allgemeinen Unmut der Bevölkerung. Er ist jedoch davon überzeugt, dass die Regierung das Vertrauen der Bevölkerung durch harte Arbeit wiedergewinnen kann: “Wenn der Kampf gegen die Korruption ernst gemeint ist, kann die Republik Moldau wieder attraktiv für Investoren werden. Und dann wird auch die Glaubwürdigkeit der politischen Klasse wieder steigen“, sagt er.
Internationale Unterstützung
Mit einer ähnlichen Botschaft war der rumänische Premierminister Dacian Ciolos zwei Tage vor der Unabhängigkeitsfeier zu Besuch in Chisinau. Im Gepäck hatte er 60 Millionen Euro, eine erste Tranche des zugesagten Kredits in Höhe von 150 Millionen Euro. Das "Schwesterland" Rumänien hatte die Zahlung von der Umsetzung der versprochenen Reformen abhängig gemacht. Vorher hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) die Verhandlungen mit der Regierung des Premierministers Pavel Filip über ein neues Finanzierungsabkommen wieder aufgenommen.
Wie schnell die Republik Moldau wieder in ruhigere Gewässer kommt, hängt allerdings nicht nur von finanziellen Hilfen ab. Geopolitisch bleibt die Lage in der Region angespannt. Die gespaltene Bevölkerung des Landes pendelt zwischen der EU und Russland hin und her. Enttäuscht von den zerstrittenen pro-europäischen Kräften wenden sich viele wieder verstärkt den pro-russischen Sozialisten zu. Diese haben große Chancen, dass ihr Spitzenkandidat Igor Dodon die Präsidentschaftswahlen am 30. Oktober gewinnt. Nach den Feierlichkeiten am 27. August wird der Wahlkampf eingeläutet.
Sollten weiterhin korrupte Politiker die Strippen ziehen, dürfte der Exodus weitergehen. Die demokratischen Politiker haben eine letzte Chance zu zeigen, dass sie tatsächlich etwas aus der jüngsten Geschichte ihres Landes gelernt haben. Sollten sie diese Chance verpassen, ist die nächste große Krise programmiert. Dann könnte wohl auch die internationale Hilfe nicht mehr viel bewirken.