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#rp18: Die Digitalisierung und wir

Paula Rösler
3. Mai 2018

Sind wir der digitalen Revolution hilflos ausgeliefert? Auf der Republica 2018 geht es einmal mehr um die Frage, wie es weiter gehen kann im Netz. Stargast Chelsea Manning gibt den entscheidenden Impuls.

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Berlin Chelsea Manning bei Internetkonferenz re:publica
Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene

Die Republica wagt in diesem Jahr die Flucht nach vorne. Denn, da sind sich die Macher einig, die digitale Revolution geht uns alle an. Und damit ist Europas größtes Internet-Event in Berlin ganz willentlich im Mainstream angekommen. Das Motto lautet "Pop the Bubble" (etwa: "Lasst die Blase platzen"). Die Kurzform POP, die auch als Motto-Hashtag dient, weckt dabei verschiedene Assoziationen. Massentaugliche Populärkultur ist nur eine davon. Sie ist außerdem eine Abkürzung für Power of People, es geht also auch um die Menschen selbst, nicht bloß um digitale Technologien.

Whistleblowerin appeliert an humanitäre Werte

Tatsächlich scheint allem Menschlichen ein besonderer Stellenwert zuzukommen auf dieser 12. Ausgabe der Republica in Berlin, zu der an insgesamt drei Tagen (2. bis 4. Mai) über 9000 Teilnehmer erwartet werden. Es wirkt wie ein verzweifelter Hilferuf: Ist da jemand, der fühlt, denkt und zweifelt wie ich? Oder sind wir alle längst zu digitalen Sklaven geworden? Als Stargast trat die US-amerikanische Whistleblowerin Chelsea Manning am ersten Konferenztag auf. Erst vor einem knappen Jahr wurde die einst in der US-Armee tätige IT-Spezialistin aus dem Gefängnis entlassen, begnadigt vom damaligen US-Präsidenten Obama. Ihr Appell an das Publikum: humanitäre Werte hochhalten.

Berlin Internetkonferenz re:publica 18
Bild: DW/K. Klein

Der Aufruf wird von anderen Speakern dankend angenommen und aufgegriffen. "Was wir jetzt brauchen, ist eine Debatte darüber, in was für einer Gesellschaft wir eigentlich leben wollen", glaubt Philosoph und Publizist Richard David Precht ("Jäger, Hirten Kritiker: eine Utopie für die digitale Gesellschaft", April 2018). Es gebe gute Gründe, sich zu fürchten, führt er im DW-Interview weiter aus. "Wir haben mit Google, Amazon, Facebook und Apple gewaltige Monopolisten in den USA." Mit ihrer Macht seien sie in der Lage, Menschen kybernetisch zu steuern und ihre Bedürfnisse zu kanalisieren. Ein Beispiel dafür hat gerade erst der Cambridge Analytica-Datenskandal geliefert.

"Wir stecken in einer Phase der mentalen Pubertät"

Bildungswissenschaftler und Autor Bernhard Pörksen ("Die große Gereiztheit", Februar 2018) warnt jedoch vor pauschalen Ängsten im Zuge der digitalen Revolution. "Ich glaube, dass die apokalyptische Horrorvision von einer Gesellschaft, die von Technologien völlig manipuliert wird, niemandem nutzt." Wichtig sei, das Ideal der Mündigkeit zu verteidigen, sagte er gegenüber der DW. "Es gibt fantastische mediale Möglichkeiten, denen wir aber noch nicht gewachsen sind", so Pörksen. "Ich würde sagen, wir stecken in einer Phase der mentalen Pubertät im Umgang mit diesen Möglichkeiten."

Re:publica 18 Conferences On Digital Society
Bild: Getty Images/S. Gallup

In Sachen Digitalkultur scheint also noch nicht alles verloren. Doch herrscht dringender Handlungsbedarf, wie Pörksen mit einen Vergleich verdeutlicht: In Anlehnung an das in den vergangenen Jahrzehnten gewachsene Umweltbewusstsein hoffe er auf einen Wandel der "digitalen Ökonomie" hin zur "digitalen Ökologie". Gegenwärtig zeugt die Kommunikation in sozialen Medien immer öfter von einer verrohten Sprache in Form von Hass-Kommentaren bis hin zu Gewaltdrohungen. Laut Pörksen geht es also darum, den Klimawandel im Netz zu stoppen, bevor es zu spät ist.

Technologie ist der Verstärker, nicht der Grund

Wie das gelingen kann, darüber wird auf der Republica in diesen Tagen weiter diskutiert. Was dabei immer wieder zum Ausdruck kommt, ist, dass jeder Einzelne dazu beitragen kann, ein produktives und konstruktives Netzklima zu schaffen. In ihrer Eröffnungsrede betonte die US-amerikanische Medienwissenschaftlerin Danah Boyd, Technologie sei bloß der Verstärker, nicht aber der Grund. Dass die Google-Bild-Suche zum Beispiel bei dem Stichwort "Baby" fast ausschließlich weiße Neugeborene ausspucke, liege an den Nutzern selbst, die genau diese Bilder anklickten, um sie beispielsweise in Powerpoint-Präsentationen zu packen. Der Algorithmus passe sich diesem Verhalten bloß an.

Gesellschaftliche Vielfalt, humanitäre Werte und ein kollektives Verantwortungsgefühl, darauf wartet also das Netz. Ein guter erster Schritt: die Blase platzen lassen.