Reporter ohne Grenzen: Pressefreiheit weiter auf Talfahrt
3. Mai 2024Die Lage der weltweiten Pressefreiheit hat sich nach Angaben von Reporter ohne Grenzen (ROG) im vergangenen Jahr deutlich verschlechtert. In ihrer Rangliste der Pressefreiheit 2024 ordnet die Journalistenorganisation 36 Länder der schlechtesten Kategorie zu - so viele wie seit zehn Jahren nicht.
Insbesondere im Umfeld von Wahlen seien Journalistinnen und Journalisten besonders gefährdet, teilt ROG mit. Es komme zu Beschimpfungen, Gewalt und Festnahmen. "Das zunehmende Ausmaß der Gewalt gegenüber Medienschaffenden, die über Wahlen berichten, ist eine erschreckende Entwicklung. Autokraten, Interessengruppen und Feindinnen der Demokratie wollen mit allen Mitteln unabhängige Berichterstattung verhindern", so die Geschäftsführerin der Organisation, Anja Osterhaus.
"Informationswüste" Eritrea
Neues Schlusslicht der Rangliste, die zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai veröffentlicht wurde, ist Eritrea auf Platz 180 (Vorjahr: 174). Das Land sei eine "Informationswüste", sämtliche existierenden Medien stünden unter direkter Kontrolle des Informationsministeriums. Die Diktatur von Präsident Isayas Afewerki unterbinde den freien Fluss von Nachrichten mit großer Härte.
Den vorletzten Platz belegt Syrien (Vorjahr 175), wo sich die ohnehin katastrophale Lage weiter verschlechtert habe. Um 26 Plätze auf Rang 178 fiel Afghanistan. Unter den regierenden radikalislamischen Taliban seien dort im vergangenen Jahr drei Journalisten getötet worden, mindestens 25 Medienschaffende hätten zwischenzeitlich im Gefängnis gesessen.
Verschlechtert hat sich laut Reporter ohne Grenzen die Lage in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Einzig in der Ukraine hätte sich die Situation verbessert. Grund sei eine sinkende Zahl der durch russische Truppen getöteten Medienschaffenden und eine sinkende politische Einflussnahme auf Redaktionen.
Skandinavische Länder als Leuchttürme
Zum achten Mal in Folge liegt Norwegen auf Platz eins. Gründe für die gute Platzierung seien unter anderem die große Unabhängigkeit der Medien von der Politik, der gesetzliche Schutz der Informationsfreiheit sowie der traditionelle Pluralismus der norwegischen Medienlandschaft. Ähnlich gut seien die Voraussetzungen für journalistische Berichterstattung in den Nachbarländern Dänemark (2) und Schweden (3).
Deutschland kletterte im neuen ROG-Ranking um elf Positionen auf Platz 10. Grund sei unter anderem die geringere Zahl physischer Übergriffe auf Medienschaffende im vergangenen Jahr. Die Verbesserung sei allerdings auch darauf zurückzuführen, dass andere Länder sich verschlechtert hätten. Betrachte man die Gesamtpunktzahl im Ranking, habe sich Deutschland nur geringfügig verbessert.
Weniger Übergriffe in Deutschland, aber...
Für das Jahr 2023 verzeichnete Reporter ohne Grenzen insgesamt 41 verifizierte Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten in der Bundesrepublik, darunter 18 Attacken bei Kundgebungen von Verschwörungstheoretikern oder extremen Rechten. Diese Gewalt sei weiterhin besorgniserregend, zumal von einer hohen Dunkelziffer auszugehen sei. Im Vorjahr lag die Gesamtzahl den Angaben zufolge noch bei 103, im Jahr 2021 bei 80.
Insgesamt hätten pressefeindliche Tendenzen in Deutschland zugenommen, so das Fazit der Organisation. Besonders im Internet würden Journalisten immer wieder diffamiert. Seit Beginn des Krieges zwischen der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas und Israel seien zudem vermehrt Übergriffe auf Medienschaffende bei Pro-Palästina-Demonstrationen zu beobachten.
Die Rangliste von Reporter ohne Grenzen analysiert die Lage der Pressefreiheit nach fünf Kriterien: Sicherheit, politischer Kontext, rechtlicher Rahmen, wirtschaftliches und soziokulturelles Umfeld. Grundlage ist eine qualitative Untersuchung, für die in den einzelnen Staaten Journalisten, Wissenschaftler und Menschenrechtler befragt werden.
sti/AR (dpa, epd, kna)