Briten werfen Kreml Einfluss auf Wahlen vor
21. Juli 2020Nicht nur auf die US-Präsidentschaftswahl 2016 hat Russland versucht, Einfluss zu nehmen. Auch das schottische Unabhängigkeitsreferendum 2014 wurde ins Visier genommen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Untersuchungsbericht des Geheimdienstausschusses im britischen Parlament, der 2019 erstellt und nun veröffentlicht wurde. Demnach gebe es glaubwürdige Hinweise darauf, dass sich Russland in das Referendum eingemischt habe. Es handele sich um die "erste postsowjetische Einmischung in eine demokratische Wahl im Westen", zitiert die britische Zeitung "The Telegraph" aus dem Bericht. Die Schotten hatten damals mit 55 Prozent gegen eine Abspaltung vom Vereinigten Königreich gestimmt.
Auch sollen Anzeichen dafür vorliegen, dass Russland versucht habe, auf das Brexit-Referendum 2016 Einfluss zu nehmen. So sollen Oligarchen mit Verbindungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin ihre Schirmherrschaften für Projekte in Großbritannien sowie ihren Einfluss "in weiten Kreisen des britischen Establishments ausgebaut" haben. Konkrete Beweise für eine russische Einmischung liegen laut dem Bericht aber nicht vor. Dies liege daran, dass die britische Regierung dem Verdacht bisher nicht wirklich nachgegangen sei, sagte Ausschussmitglied Kevan Jones. Stattdessen habe London es "aktiv vermieden", die Frage nach einer Beeinflussung des Referendums zu stellen.
Die russische Regierung wies die Vorwürfe umgehend als haltlos zurück und sprach von "Russenfeindlichkeit". Man habe sich nie in Wahlen eines anderen Landes eingemischt, teilte das Präsidialamt in Moskau mit.
Bedrohung für den Westen
In dem Bericht wird Russland als feindliche Macht dargestellt, die eine erhebliche Bedrohung für Großbritannien und den Westen darstelle - an verschiedenen Fronten von Spionage und Cyberangriffen bis hin zu Wahlmanipulationen und Geldwäsche. Großbritannien sei eines der Top-Ziele für russische Einflussversuche. Dies sei die"neue Normalität". Zudem seien zahlreiche Russen mit engen Verbindungen zu Putin in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Szene des Landes gut etabliert und wegen ihres Reichtums allgemein akzeptiert. Sollte sich die britische Regierung des Themas jetzt annehmen, könne daher nicht mehr von Präventivmaßnahmen gesprochen werden, sondern nur noch von Schadensbegrenzung.
Die Veröffentlichung des Berichts war lange erwartet worden. Premierminister Boris Johnson hatte eine Freigabe vor der Parlamentswahl abgelehnt. Das heizte Spekulationen in Großbritannien an, dass der etwa 50 Seiten umfassende Report wenig schmeichelhaft für die regierenden Konservativen ausfallen dürfte.
Nicht der erste Vorfall
Erst vor wenigen Tagen hatte Großbritannien Russland eine versuchte Interventionen in die Parlamentswahlen vom Dezember vorgeworfen. London beschuldigt den Kreml außerdem, Hacker beauftragt zu haben, an Informationen über die britische Forschung an Corona-Impfstoffen zu kommen. Moskau wies die Anschuldigungen zurück. Die Beziehungen zwischen Großbritannien und Russland sind seit längerer Zeit äußerst angespannt - unter anderem wegen des Giftanschlags auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter Julia im März 2018 im englischen Salisbury. Die britische Regierung macht den russischen Geheimdienst für den Anschlag verantwortlich. Moskau weist auch diese Vorwürfe zurück.
cwo/kle (rtr, dpa)