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Rennert: "Ai Weiwei wird mit Studierenden arbeiten"

Sabine Peschel10. August 2015

Wird der chinesische Künstler in Deutschland bleiben? Und was ist von seiner Gastprofessur an der Berliner Universität der Künste (UdK) zu erwarten? Sabine Peschel fragte den UdK-Präsidenten, Professor Martin Rennert.

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Ai Weiwei in seinem Atelier im Prenzlauer Berg in Berlin
Ai Weiwei in seinem Atelier im Bezirk Prenzlauer Berg in BerlinBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Prof. Rennert, danke für Ihre Bereitschaft, mit mir über zum Teil noch ungelegte Eier zu sprechen. Wie ist denn der Stand der Gespräche mit Ai Weiwei? Gibt es schon einen Termin?

Es gibt einen Gesprächstermin, der in dieser Woche stattfinden wird.

Haben Sie selber schon mit Ai Weiwei telefoniert?

Nein, jetzt nicht. Wir haben im Lauf der Jahre immer wieder miteinander gesprochen. Aber in diesem Fall haben wir den Termin über die Büros vereinbart. Ai Weiwei ist verständlicherweise zunächst auf seine Privatsphäre bedacht, zweitens ist er mit Terminen zugedeckt.

In einigen Medien war zu lesen, dass Sie Ai Weiwei schon sehr lange kennen und auch ein freundschaftliches Verhältnis zu ihm haben. Trifft das zu?

Ich kann nicht sagen, dass wir befreundet sind, das wäre eine übertriebene Formulierung, doch wir sind uns jetzt schon lange bekannt, fünf Jahre. Während der letzten, schwierigen Jahre sind wir in Kontakt geblieben. Und es stimmt auch, dass die UdK schon vor der Inhaftierung Ai Weiweis Anfang 2011 dabei war, ihn zu berufen. Wir waren damals noch nicht in Gespräche eingetreten über eine Professur oder so etwas, aber wir wollten die Position Ai Weiweis hier in der Universität der Künste wiederfinden und hätten ihn gerne bei uns gehabt. Insofern hatten wir unsere interne Willensbildung längst abgeschlossen, als sich dann alles überstürzte. Daher fiel es uns sehr leicht, schnell zu reagieren – allerdings nur mit Hilfe der Einstein Stiftung, die die Gastprofessur finanziert.

Früher Entschluss, Ai Weiwei nach Berlin zu holen

Sie hatten also, schon bevor Ai Weiwei im Frühjahr 2011 verhaftet wurde, beschlossen ihn in irgendeiner Form an die UdK zu holen. Was hat Sie damals dazu bewogen?

Es gibt verschiedene Gründe. Der erste Grund ist: Wir haben einen intensiven und sehr nachhaltigen Kontakt zu China. Wir haben seit 1998 Gespräche geführt und seit 2006 einen regulären Masterstudiengang in Hangzhou an der China Academy of Art. Wie jeder weiß, hat sich in den letzten 15, 17 Jahren, seit '98 eben, das Verhältnis Chinas zur Welt deutlich verändert. Während wir am Anfang mit der ganz großen Hilfe des DAAD eigentlich Entwicklungshilfe leisteten für verschiedene Aspekte, ist das mittlerweile ganz anders geworden. Wir haben es inzwischen mit einer selbstbewussten Wirtschaftsnation zu tun, auch einer selbstbewussten Kulturnation, und haben eine vollkommen andere Dynamik in der chinesischen Bevölkerung. Das bedeutet, dass wir uns sehr intensiv nicht nur mit der Frage beschäftigen, was wir den Künstlerkollegen und -kolleginnen dort geben können, sondern auch damit, was wir von ihnen lernen wollen. Was wollen wir von ihnen zurück? Das hat zu einem Dialog geführt, den wir in den letzten Jahren auch theoretisch intensiv begleitet haben.

Prof. Martin Rennert, Präsident der Universität der Künste Berlin
Prof. Martin Rennert, Präsident der Universität der Künste BerlinBild: Matthias Heyde

Gleichzeitig ist aber durch die Globalisierung auch vieles in der Kunst der gesamten Welt passiert. In der Bildenden Kunst, aber auch in allen anderen Künsten, werden Positionen eingenommen, die nicht mehr rein national betrachtet werden dürfen. Und Ai Weiwei gehört bestimmt zu den Menschen, die auf eine kosmopolitische Art einerseits global, aber andererseits sehr stark aus der eigenen Erfahrung künstlerisch tätig sind. Bei ihm führt das weit über die Einzeldisziplin hinaus. Er ist nicht multimedial, das will ich nicht sagen, weil das so ein seltsames Wort ist, aber er ist im Städtebau aktiv, im Filmemachen, in der Bildenden Kunst, natürlich in der Installation, in der Medienkunst. Er ist überall unterwegs. Das ist auf jeden Fall eine Ausprägung unserer Zeit und etwas, was innerhalb einer Universität der Künste von großem Interesse ist – einer Universität, die ja alle Künste vertritt und eben auch die wissenschaftlichen Theorien dazu, die sich auf diese Künste beziehen.

Gute Kontakte nach China

Da schließen sich zwei Fragen an: Haben denn die guten Beziehungen, einerseits zur Kulturbürokratie, andererseits zu chinesischen Kunsthochschulen wie Hangzhou unter der Causa Ai Weiwei gelitten?

Ich kann nicht bestätigen, dass es so wäre. Ich hatte es befürchtet, aber es ist nicht passiert. Ich nehme an, es wird aufmerksam verfolgt, was wir tun. Ai Weiwei selbst hat in einem Interview vor ein paar Tagen gesagt, dass es so viele Akteure gibt in dieser Causa "Ai Weiwei und die Kunst und Kultur in China", dass nicht ganz nachvollziehbar ist, auf welcher Ebene was verhandelt wird. Ich habe in der Vergangenheit nicht das Gefühl gehabt, dass die UdK durch die Beziehung zu Ai Weiwei einen schlechteren Stand hatte. Er wurde nach meiner Erinnerung in den Gesprächen mit Hangzhou kein einziges Mal wirklich zum Thema. Wir haben es aber auch nicht verschwiegen, dass wir ihn mit Hilfe der Einstein Stiftung hierher berufen haben. Das konnte man auch nicht verschweigen, das ging ja durch die Weltpresse.

Der Malkurs der China Academy of Art in Hangzhou
Der Malkurs der China Academy of Art in HangzhouBild: Imago/Xinhua

Die zweite Frage ist: Sie sprachen davon, dass Ai Weiwei auch in der Architektur aktiv ist, als Videokünstler und Filmer, mit seinen Installationen und Arbeiten, auch dokumentarischen Kunstwerken – in welcher Form stellen Sie sich eine künftige Mitarbeit idealerweise vor? Wird er einem bestimmten Fachbereich zugeordnet sein? Wird er nur Vorträge halten? Oder konkret mit Studenten arbeiten?

Ganz sicher wird er konkret mit Studierenden arbeiten. Das ist sein Hauptinteresse, meines ebenso. Es geht hier nicht um eine Feder, die wir uns an den Hut stecken wollten. Es ist klar, dass eine dreijährige Einstein-Professur, wie wir sie ihm anbieten und er sie auch angenommen hat, nichts ist, das wir in den normalen Curriculums-Alltag integrieren können. Das ist gar nicht der Punkt. Was wir benötigen, ist die Zugänglichkeit einer künstlerischen Person für ein, zwei Jahre, jeweils für diejenigen Studierenden einer Klasse, die er aufnehmen will und mit denen er in Kontakt kommen kann. Dies als Angebot für die Studierenden, eine weitere künstlerische Qualifikation innerhalb dieser Klasse zu bekommen.

Eine künstlerische Lehre ist ja sehr unterschiedlich, es kommt immer auf die Disziplin an. Ein angehender Architekt muss allen Anforderungen seines Berufes genügen. Es kann nicht sein, dass er dann zwei Jahre oder vier Jahre seines Studiums bei Ai Weiwei studiert und dafür Statik nicht kann. So funktioniert das ja nicht. Bei der Bildenden Kunst sieht das völlig anders aus. Da haben Sie Atelierunterricht, und da kann jemand durchaus drei Jahre bei Ai Weiwei verbringen, und nachher seinen Meisterschüler machen. Bei der Visuellen Kommunikation ist es wieder anders. Ich glaube, dass die Zugänglichkeit für verschiedene Studiengänge der Schlüssel zum Erfolg sein kann.

Gewollte künstlerische Auseinandersetzung

Auf Ihrer Website findet sich ein Motto, das sich auf das Ziel der künstlerischen Ausbildung an der UdK Berlin bezieht. Das sei jedenfalls nicht Einheitlichkeit, "denn in der Kunst entsteht Erkenntnis durch Vielfalt plus Reibung". Fürchten Sie nicht, dass jetzt vielleicht ein bisschen zu viel Reibung entsteht, auch durch den ganzen medialen Hype um Ai Weiwei?

Ach nein, überhaupt nicht. Da bin ich ganz ruhig. Wir werden innerhalb der Universität medialen Hype nicht zulassen. Ich denke mir, dass dieser Hype sich auch wieder legen wird. Ich habe großes Verständnis gehabt für das Zögern Ai Weiweis, aus China heraus zu gehen, auch wenn er es möglicherweise mit der Zusage, nicht mehr zurück zu kommen, geschafft hätte. In anderen Worten, ich bin daran interessiert, dass Ai Weiwei die Freiheit hat, die er nun erlangt hat, und zwar in beide Richtungen. Der Hype wird sich dann legen, wenn sich das ein bisschen eingespielt hat. Innerhalb der Universität wird die Zusammenarbeit mit Ai Weiwei hoffentlich zu einem ebenso erfreulichen Projekt führen, wie es mit Ólafur Elíasson gelungen ist. Um den entstand ja auch ein medialer Hype, dennoch hat er hier eine unglaublich gute und langfristige Arbeit gemacht. Reibung, die es sonst noch geben könnte, die ist erwünscht.

Martin Rennert (links) mit dem Künstler Olafur Eliasson (mitte)
Martin Rennert (links) mit dem Künstler Ólafur Elíasson (Mitte)Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Rechnen Sie damit, dass er die drei Jahre seiner Professur in Deutschland verbringen wird?

Ai Weiwei wird hier gewiss nicht jeden Tag um acht anfangen und um 17 Uhr aufhören in den nächsten drei Jahren. Ich bin aber überzeugt davon, dass er hier ein starkes Standbein hat. Er hat hier ein Atelier, Freunde, seine Familie, sein Kind geht in Berlin in die Schule – das sind alles Indizien dafür, dass er durchaus vorhat, hier zu bleiben. Ob wirklich, kann ich aber nicht vorher bestimmen, das weiß ich nicht. Ich gehe fest davon aus, dass Berlin einer der wenigen Orte ist, an welchem ein Mann wie er erstaunlich gut tätig werden kann. Das sage ich jetzt nicht als Lokalpatriot, sondern wegen des Klimas, das hier in Berlin herrscht. Das Klima eines Austausches, den es anderswo so eben nicht gibt.

Gehört das Atelier, das Sie erwähnt haben, zum Angebot der UdK, oder ist das sein privates Atelier?

Wir bieten jedem Professor ein Dienstatelier in der Universität an, und natürlich Räume für seine Studierenden. Manche nehmen das in Anspruch, so dass sie da tatsächlich auch ihre eigene Arbeit machen, und manche tun das nicht, sie haben anderswo ein Atelier. Ai Weiwei hat sein Atelier am Pfefferberg, und ich kann mir vorstellen, dass die erheblichen Baumaßnahmen, die er da gemacht hat, nicht umsonst sein sollen. Das sind bestimmt Orte, wo er tätig sein will, aber – wir werden sehen. Er kann es machen, wie er will. Mir geht es um die Betreuung der Studierenden.