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Rendezvous in Mons

Sabine Oelze24. Januar 2015

Die belgische Kulturhauptstadt ist mehr als nur eine Autobahnausfahrt auf dem Weg von Köln nach Paris. Mons wird zu Unrecht vom Tourismus links liegen gelassen. 2015 will die Stadt das beweisen.

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Eröffnung Mons Kulturhauptstadt
Bild: picture-alliance/dpa/C.Lefebvre

Die Anreise nach Mons hat so ihre Tücken: Einen Bahnhof im eigentlichen Sinne gibt es derzeit nicht. An seiner Stelle stapeln sich graue Container, er wurde abgerissen, um dem neuen Platz zu machen. Doch der lässt auf sich warten. Erst 2017 ist der neue Fernbahnhof nach einem Entwurf von Stararchitekt Santiago Calatrava fertig. Wie ein Insekt mit riesigen Flügeln sieht er aus.

Mons scheint damit ungewollt einer für Kulturhauptstädte typischen Tradition zu folgen. Die wallonische 95.000-Einwohnerstadt ist nämlich bei weitem nicht die erste, die zur Eröffnung noch nicht fertig ist. Bei den hochgesteckten Zielen ist das kein Wunder. Mons will sich neu erfinden, sich auf der touristischen und kulturellen Landkarte Europas neu positionieren. Denn seit dem Ende der Montanindustrie im Jahr 1958 war die Stadt nicht gerade als Kulturstadt bekannt. Der Niedergang wirft noch immer seinen düsteren Schatten: Die Arbeitslosenquote liegt bei 20 Prozent. Zahlreiche der niedrigen Backsteinhäuser, die sich entlang der Ausfallstraßen endlos aneinanderreihen, stehen leer. Doch der Stolz ist noch da.

Malerisch verfallen

Yves Vasseur, Kurator der Kulturhauptstadt 2015, beschreibt die Anziehungskraft der wallonischen Stadt so. "Mons ist eine schlafende Schöne, die außerhalb von Belgien niemand gekannt hat. Wir erwecken sie zu neuem Leben." Das Motto "Mons Metamorphosis" zeigt, wohin die Reise geht. Wenn Yves Vasseur von seinen Visionen spricht, klingt er ehrlich begeistert. Und auch wenn einige Häuser dringend einen Eimer Farbe nötig hätten, hat Mons Besonderheiten, auf die andere neidisch sein können. Allein auf fünf UNESCO-Weltkulturerbestätten kommt die Stadt. Neunzehn sind es in der gesamten Region. Eine ist der Glockenturm, der weithin sichtbar macht, dass Mons lange Jahre Anspruch auf seine Unabhängigkeit geltend machte. "Kaffeekanne" nannte ihn der französische Schriftsteller Victor Hugo einst hochnäsig. Kaffeekanne, weil seine barocken Formen so ausladend und bauchig sind. Doch vor seiner Größe hatte er Respekt.

Auch das "Mundaneum" ist ein Symbol für eine offene und moderne Stadt. Im April wird das UNESCO-Weltkulturerbe als neues Wissenschaftsmuseum eröffnet. Denn hinter der weißen Fassade schlummert ein Hort des Wissens. Wegen seiner 18 Millionen Karteikarten, die aufeinander verweisen, nennen es die Monteser "Google aus Papier".

Technologie trifft auf Kultur

Die Brücke in das 21 Jahrhundert schlägt auch das Kongresszentrum von Daniel Libeskind. Vor zwei Wochen erst wurde es eingeweiht. Der Bahnhof von Calatrava bildet die Nahtstelle von historischem Zentrum und "Digital City", wie in Mons die Zone heißt, in der sich mehrere größere IT-Betriebe angesiedelt haben. Warum in Mons? "Kleine Städte sind die Zukunft", sagt der Bürgermeister von Mons und ehemalige belgische Premier, Elio di Rupo. Kurze Wege, Sicherheit, Geschichte und Kultur seien verlässliche Weichen auf dem Weg zum Wirtschaftsstandort. Wie kaum ein anderer Politiker hat sich di Rupo für die Bewerbung auf den Titel stark gemacht. 2004 bekam Mons den Zuschlag. Seitdem laufen die Vorbereitungen für den Bau von fünf neuen Museen: ein Klangmuseum, ein Design-Zentrum, zwei Musikhallen, dem Mons Memorial Museum, das an den Ersten Weltkrieg erinnert und eine Artothek, untergebracht in einer ehemaligen Kirche. Für Blockbuster-Ausstellungen und Performances von 5000 Künstlern aus zwölf Ländern steht außerdem viel Geld zur Verfügung: 70 Millionen Euro, das zum Teil aus EU-Fördertöpfen stammt.

Eröffnung Mons Kulturhauptstadt
Am 24.01.2015 eröffnete Mons das Kulturhauptstadtjahr mit LichtinstallationenBild: picture-alliance/dpa/C.Lefebvre

Van Goghs Anfänge

Mons Kulturhauptstadt Van Gogh Ausstellung
Bild: picture-alliance/dpa/Belga Photo B. Doppagne

Zur Eröffnung ist das Fest gelungen. Allein die Ausstellung "Van Gogh au Borinage" lohnt einen Besuch. Wenn sich im Sommer der Todestag des Malers zum 125. Mal jährt, dann hat der Ausstellungsreigen in Mons seinen Anfang genommen. Der Niederländer kam 1880 nicht freiwillig in die Bergbauregion. Als Laienprediger wurde er von seinen Brüsseler Vorgesetzten zwangsverpflichtet. Damals war van Gogh schon 27 Jahre alt. Die einschneidenden Erfahrungen in Borinage, zehn Kilometer von Mons entfernt, beeindruckten ihn zutiefst. Zwei Jahre studierte er das Elend der Menschen und die harten Arbeitsbedingungen unter Tage, was in ihm veranlasste, das Gesehene mit Bleistift und Kohle zu Papier zu bringen: Frauen, die schwere Kohlesäcke schleppen, Männer, die kaum noch etwas auf den Rippen haben, die ins Bergwerk einfahren. Noch nie waren diese Zeichnungen des Frühwerks zu sehen. Die Motive tauchen zu seinem Tod wieder auf. Eine sensationelle Entdeckung.

Mons erfindet sich neu

"Wir machen nichts anderes, als die Augen für die frühe Periode van Goghs zu öffnen", sagt der Direktor der Kulturhauptstadt 2015 Yves Vasseur. "Das Vertrauen in Wallonien zurückgeben", nennt er das. Denn die ganze Region soll profitieren und gemeinsam die Krise überwinden. Dafür geht Mons auf Tour, um in Städten der Umgebung Werbung zu machen. Und es weiht ein Haus der Städtepartnerschaften ein, um sich besser zu vernetzen. Auch mit der ehemaligen Kulturhauptstadt Lille gibt es gemeinsame Projekte. Ihrem Vorbild will Yves Vasseur folgen. Sechs Euro pro investiertem Euro habe die Stadt zurückerhalten, sagt Vasseur. Wenn es genau gut läuft, dann macht sich die Metamorphose von Mons für alle bezahlt.