Haseloff hält die AfD auf Abstand
6. Juni 2021Um 18.15 Uhr, wenige Minuten nach Schließung der Wahllokale, steht der Wahlsieger in der Landeshauptstadt Magdeburg vor den Kameras und wirkt überraschend wenig euphorisch. Stolze rund 36 Prozent hat Reiner Haseloff, der CDU-Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt, laut erster Prognose bei der Landtagswahl gerade geholt, deutlich mehr als vor fünf Jahren.
Am Ende des Abends werden es sogar 37,1 Prozent sein. Aber Haseloff ist abgekämpft, der Wahlkampf war hart. Jetzt sagt der 67 Jahre alte Physiker: "Die Menschen kennen mich und wissen auch, was wir für ein Programm haben. Aber sie wissen auch, was ich als Person einzubringen habe. Und wofür ich stehe. Und diese Glaubwürdigkeit ist wohl das entscheidende Moment gewesen."
In der Krise auf das Vertraute setzen
Offenbar wollten die Bürger in einer durch die Corona-Pandemie stark verunsicherten Situation auf das vertrauen, was sie haben und kennen. Haseloff ist seit mehr als zehn Jahren Ministerpräsident in dem kleinen Bundesland in der Mitte Deutschlands. Und er wird es bleiben.
Die letzte Landtagswahl vor der Bundestagswahl im September sieht also die CDU als klaren Sieger. Es ist auch ein Erfolg für den Parteichef und Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Hoch erfreut zeigt sich darüber in Berlin der Fraktionschef von CDU und CSU im Bundestag, Ralph Brinkhaus. Er betont im ARD-Fernsehen, dass Laschet und auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der CSU-Chef, sich im Wahlkampf stark engagiert hätten: "Wenn CDU und CSU zusammenhalten, wenn man einen guten Kandidaten hat mit hoher Glaubwürdigkeit, dann wird das auch funktionieren."
Mögliche AfD-Regierung schreckt viele Bürger ab
Von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der CDU und der "Alternative für Deutschland " (AfD) waren die meisten Umfragen zuletzt ausgegangen, jetzt liegen doch satte 16 Prozentpunkte zwischen den Rechtsextremen und der CDU. Der AfD-Landesverband in Sachsen-Anhalt, der 20,8 Prozent erhält, gilt als extrem rechts und wird deswegen vom Verfassungsschutz beobachtet. Bundes-Parteichef Tino Chrupalla versucht in der ARD, dem Wahlergebnis etwas Positives abzugewinnen, auch wenn seine Partei überraschend Stimmen verloren hat: "Die Bürger haben klar konservativ-bürgerlich gewählt. Also auch ein klares Votum an die CDU, welche Regierung sich die Bürger hier wünschen, denn die anderen Parteien wurden ja massiv abgestraft."
Problem nur: Alle Parteien, auch die CDU, haben eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch abgelehnt, auch wenn vereinzelte CDU-Mitglieder einem solchen Bündnis durchaus etwas abgewinnen können. Aber Ministerpräsident Haseloff will jetzt in Ruhe mit allen Parteien außer der AfD über eine Regierungsbildung sprechen, er ist dafür in einer deutlich gestärkten Position. Möglich sind Bündnisse mit den bisherigen Regierungspartnern von Grünen und SPD, aber auch die FDP bietet sich an. Unwahrscheinlich ist eine Regierungsbeteiligung der Linken, die mit elf Prozent drittstärkste Kraft werden. Die Unterschiede zwischen CDU und Linkspartei sind einfach zu groß.
Ernüchterung bei den Grünen nach dem Höhenflug
Für den Höhenflug der Grünen, die mit ihrer Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock erstmals nach der Macht in Deutschland greifen und im Bundestrend stabil über 20 Prozent liegen, ist das Ergebnis von 5,9 Prozent ein herber Rückschlag. Aber in den neuen Bundesländern bleibt das strukturelle Problem der Grünen massiv. Flächenländer mit wenigen Städten und geringem akademischem Milieu, mit Kohlerevieren, in denen sich die Menschen vor den Folgen einer stärkeren Klimaschutzpolitik fürchten: das ist kein gutes Feld für die Grünen. Dazu kommt noch der hohe Anteil von rechten bis rechtsextremen Einstellungen.
Annalena Baerbocks Mimik ist versteinert, als sie in der ARD erklärt: "Wir haben schon bei den vergangenen ostdeutschen Wahlen gesehen, dass in einer Situation, in der Rechtsextreme eine Regierung mitgestalten könnten, viele Menschen sagen, wir unterstützen die Partei des Ministerpräsidenten." In diesem Fall also Reiner Haseloff. Alle anderen Parteien haben deswegen Federn gelassen. Auch die SPD und die Linkspartei. Allein die FDP kann sich nach zehn Jahren über den Wiedereinzug in das Landesparlament freuen.
Ein erneuter Tiefschlag für die SPD
Die SPD in Sachsen-Anhalt war, obschon Regierungspartei, bereits in den vergangenen Jahren schwach, ihr einstelliges Ergebnis von 8,4 Prozent ist aber ein weiterer Tiefschlag. Der Generalsekretär der Sozialdemokraten, Lars Klingbeil, gibt seine Enttäuschung denn auch unumwunden zu. Er sagt in der ARD aber auch: "Ich glaube nur, dass es für die Bundestagswahl weder für Herrn Laschet noch für Frau Baerbock noch für die SPD etwas aussagt. Da werden die Karten in 112 Tagen gemischt und das ist noch lange hin."
Denn in 112 Tagen ist Bundestagswahl. Etwas anderes als ein solcher Durchhaltewille bleibt den Sozialdemokraten im Moment auch nicht übrig. Bundesfinanzminister und Kanzlerkandidat Olaf Scholz müsste schon ein kleines Wunder schaffen, wenn es für ihn und die SPD für das Kanzleramt reichen soll.