Ausgehen in Sarajevo
11. Februar 2009Am späten Nachmittag spannt der Himmel sein kupfernes Tuch über die Bacarcija, das alte Marktviertel im Zentrum Sarajevos. Der Duft von Cevapcici-Grills dringt durch die Straßen. Am schönsten ist es am Abend, wenn das Klopfen der Kupferschmiede die Geräuschkulisse langsam durchdringt und der Ruf des Muezzins klarer wird.
Immer wenn ich in Sarajevo bin, treffe ich Jasmin. Tagsüber arbeitet er bei einer Bank. Abends sitzt er unweit der Bacarcija in einem kleinen Sendestudio und moderiert eine Hip-Hop-Sendung. Die bosnische Hip-Hop Szene sei vor Jahren noch recht klein gewesen, sagt Jasmin Mesanovic. Jetzt werde sie immer größer. "Deswegen moderiere ich hier die GP-Radio-Show, benannt nach der "Groups People Crew", einer Gruppe von vielleicht 30 Leuten. Alle gute Rapper."
Abseits der Touristenmagneten
Jasmin und seine Freunde zeigen mir immer ein Stück vom anderen Sarajevo, jenem, das sich nicht auf den Ansichtskarten findet – das Sarajevo der Bars, der besten Live-Acts. Und schon wenig später finde ich mich in einer Art Oase inmitten der Stadt wieder. "The Club" ist eine der angesagtesten Bars der Stadt. Abends tanzen hier die Leute in den Katakomben, an sonnigen Tagen entspannen sie im Cocktail-Garten.
Es sei ein Kult-Club und für sie heute einer der liebsten Plätze in der ganzen Stadt, erzählt Jasmins Freundin. Kein anderer Ort sei so entspannend. "Du sitzt auf weichen Kissen oder Liegestühlen im Garten, das Sonnenlicht fällt durch die Schatten spendenden Bäume und die Musik unterstreicht diese Atmosphäre. In der Regel bin ich jeden Tag hier", sagt Jasmina.
Musik nach Wahl
Gegen Abend füllt sich der Garten mit den kleinen Geschichten und Dramen des Tages, mit den Witzen, dem Lachen, dem Klirren der Gläser. Dass gerade dieser Fleck Jasminas Lieblingsplatz ist, wundert mich nicht. Jasmina war der erste weibliche DJ in Bosnien. Hier begann sozusagen ihre Karriere, hier war sie lange Residence-DJ. Jetzt aber steht ein anderer Club auf ihrem Programm.
Es ist ein Jazz-Club nahe des Flüsschens Miljacka, nur ein paar Stufen führen von der Straße hinunter in einen Keller mit Ledersesseln und Schwarzweiß-Fotos internationaler Jazz-Legenden: Es ist das Café Davor. "Hier werde ich heute Abend auflegen. Ich habe nichts Spezielles ausgesucht. Mal sehen, was sich für eine Atmosphäre entwickelt", sagt Jasmina.
Als sich der Club füllt, erklärt Jasmin, dass es nicht nur Hip-Hop, House oder Jazz in der Stadt gebe, sondern auch die Stadthalle. An diesem Abend spiele eine seiner Bekannten mit ihrer Band dort. Meinen Einwand, dass wir doch keinerlei Eintrittskarten hätten, lässt Jasmin nicht gelten. "In Sarajevo brauchst du keine Eintrittskarten, du brauchst nur die richtigen Freunde", sagt er augenzwinkernd.
Heiße Liebe statt Heavy Metal
Am Skenderija-Platz in Sichtweite des Parlaments ist der Teufel los. Jung und alt drängen sich. Jasmin schleust mich am Türsteher vorbei direkt in den Backstage-Bereich. Jasmins Bekannte trägt ein schwarzes T-Shirt mit einem Totenkopf, hat rote Haare und die Stimme von Janis Joplin. "Mit 13 habe ich angefangen Musik zu machen", sagt Irina Kapitanovic, "wir fingen mit Metal und Hard-Core an. Dazu passten die Texte, denn damals war Krieg. Heute singe ich über die Liebe, weil ich denke, dass die Leute etwas Anderes hören wollen als nur Probleme."
Als das Konzert zu Ende ist, die Band die Instrumente einpackt, fängt für die Nachtschwärmer die Party erst richtig an. Unweit der Skenderija, in der alten Stadthalle fühle ich nun endgültig den Puls der Stadt - 80 Beats pro Minute – Techno in Sarajevo.