Reiche Südeuropäer, arme Deutsche?
10. April 2013Die Bundesregierung fühlt sich im Nachhinein in ihrem Kurs bestätigt, reiche Bankkunden in Zypern an der Rettung ihres Landes zu beteiligen. Ansonsten hätten sich die Hilfen in Deutschland nicht vermitteln lassen, hieß es aus Regierungskreisen. Denn laut der am Dienstag (09.04.2013) veröffentlichten EZB-Studie sind die Zyprer dreimal vermögender als die Deutschen.
Die EZB ließ die nationalen Notenbanken insgesamt 62.000 Haushalte aus 15 Euroländern nach ihrem Besitzstand befragen. Von den 17 Mitgliedern der Währungsunion sind nur Irland und Estland nicht an der Umfrage beteiligt. Dabei werden Sparguthaben, Immobilien oder Autos addiert. Schulden werden abgezogen.
Brisante Ergebnisse
Die Ergebnisse sind brisant: Die Haushalte in den Krisenländern verfügen im Durchschnitt über ein größeres Vermögen als die in den soliden Nordländern, die für die Rettungsaktionen ihre beste Bonität aufs Spiel setzen.
Nach der Studie belegt der gerade gerettete Ministaat Zypern mit einem durchschnittlichen Nettovermögen von 670.900 Euro pro Haushalt den zweiten Platz in der Eurozone. Nur die Luxemburger sind noch reicher. Auf Platz fünf und sechs landen die zwei großen Krisenländer Spanien und Italien mit knapp unter 300.000 Euro. Das ist viel weniger als die Spitzenreiter, aber weitaus mehr als das, was die Deutschen ihr Eigen nennen. Mit 195.200 Euro pro Haushalt muss sich Deutschland mit Platz neun zufriedengeben, hinter Österreich und Frankreich. Dass die zwei Verbündeten in der Eurorettung, die Niederlande und Finnland, noch schlechter abschneiden, dürfte die Deutschen kaum trösten.
Mit anderen Worten: Die Nordeuropäer übernehmen Bürgschaften für Notkredite und müssen unter Umständen bald höhere Steuern zahlen, um die Südländer vor dem Staatsbankrott zu bewahren und die Währungsunion zusammenzuhalten.
Ein zweiter Blick lohnt sich
Doch so skandalös die Ergebnisse der Studie auf den ersten Blick anmuten mögen, verdienen sie unbedingt einen zweiten Blick. Da wurden beispielsweise die Pensionswerte und Ansprüche an die gesetzliche Rentenversicherung ausgeklammert. Gerade solche Ansprüche sind in Deutschland sehr hoch. Laut Bundesbank sind sie sogar ein wichtiger Grund, warum viele Deutsche es nicht für nötig halten, andere Vermögenswerte zu bilden.
Dass der Immobilienbesitz eine entscheidende Rolle für den Vermögensstand der Bürger spielt, relativiert zusätzlich die Aussagekraft dieser Studie. Während in Spanien beispielsweise die Quote der Eigenheimbesitzer 83 Prozent beträgt, leben nur 44 Prozent Deutsche in den eigenen vier Wänden. Das liegt auf der einen Seite daran, dass die deutschen Banken risikobewusster agieren und bei Immobilienkrediten viel Wert auf den Anteil des Eigenkapitals und die Bonität der Darlehensnehmer legen. Auf der anderen Seite hat sich die Einstellung der Deutschen im Laufe der letzten Jahrzehnte geändert. Junge Familien zieht es nicht mehr unbedingt aufs Land. Oft bleiben sie in Großstädten und nehmen eine Mietwohnung in Kauf. Immer mehr Singlehaushalte senken ebenfalls die Quote der Eigenheimbesitzer.
Platzen der Immobilien schmälert das Vermögen
Während in Deutschland ein Wohnen zur Miete kein Zeichen von Armut sein muss, bedeutet in Ländern wie Spanien ein Eigenheimbesitz keineswegs Reichtum. Denn in einigen Ländern der Eurozone ist eine Immobilienblase geplatzt. Wer eine Immobilie in Boomzeiten erworben hat, läuft jetzt Gefahr, die Schulden nicht mehr zurückzahlen zu können. In Spanien stammen die Daten für die EZB zudem aus dem Jahr 2008. Seitdem sind die Immobilienpreise um 40 Prozent eingebrochen.
Doch auch, wenn manche Daten inzwischen veraltet und zudem nicht umfassend sein mögen, ändert das nichts an der Kernaussage der Studie, dass großes Privatvermögen in Südeuropa existiert, während einige Länder dort hochverschuldet sind.
Es ist daher davon auszugehen, dass von der Strategie der Bundesregierung, Hilfen an harte Bedingungen zu knüpfen, auch in Zukunft nicht abgewichen wird.