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KonflikteNiger

180 Partei-Mitglieder seit Putsch in Niger verhaftet

31. Juli 2023

Die Regierungspartei wirft den Putschisten unrechtmäßige Festnahmen vor. Derweil wird der Niger zunehmend wirtschaftlich und finanziell isoliert - was für das Volk verheerende Folgen haben kann.

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Niger Niamey Demo Unterstützer des Militärputsch
Unterstützer des Militärputsches demonstrierten in den vergangenen Tagen auf der Straße - wie am Sonntag vor der Nationalversammlung in der Hauptstadt NiameyBild: AFP

Die demokratisch gewählte Regierungspartei warf den neuen Militärmachthabern vor, mindestens 180 ihrer Mitglieder verhaften zu haben, darunter Minister und hochrangige Politiker. Unter ihnen seien der Energieminister, die Bergbauministerin sowie der Parteivorsitzende der Nigrischen Partei für Demokratie und Sozialismus (PNDS), wie diese am Montag mitteilte. Zuvor seien der Innenminister, der Verkehrsminister und ein Stellvertreter inhaftiert worden. Die "missbräuchlichen Verhaftungen" seien Beweise für "das repressive, diktatorische und gesetzeswidrige Verhalten" der Militärs, sagte der Parteisprecher Hamid N'Gadé.

Zahlungen und Hilfen eingefroren

Unterdessen legt die Bundesregierung nach dem Putsch am vergangenen Mittwoch weitere Hilfen für den Niger auf Eis. Am Montag wurde auch die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit ausgesetzt, nachdem zuvor alle direkten Unterstützungszahlungen an die zentrale Regierung in Niamey vorerst gestoppt worden waren. Die Ministerien in Berlin handeln dabei im politischen Gleichklang mit den EU-Partnern sowie der Afrikanischen Union und der westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS, um den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum zurück ins Amt zu bekommen.

Im Niger sind im Rahmen internationaler Einsätze auch Bundeswehrsoldaten stationiert. Derzeit gebe es keine Pläne für Evakuierungen, hieß es aus dem Verteidigungsministerium.

ECOWAS stellt Ultimatum

Die 15 Staaten umfassende westafrikanische Gemeinschaft ECOWAS erwägt auch den Einsatz von Gewalt, sollte Präsident Bazoum nicht wieder eingesetzt werden. Der Staatenbund hatte den Putschisten am Sonntag ein Ultimatum von einer Woche gestellt. Tschads Übergangspräsident Mahamat Idriss Deby versucht seit dem Wochenende zu vermitteln. In sozialen Netzwerken lud er Bilder hoch, die ihn bei getrennten Treffen mit Bazoum und Putschanführer General Omar Tchiani zeigen.

Mahamat Idriss Deby Itno zusammen mit Mahamadou Issoufou in einem repräsentativ eingerichteten Raum
Der Übergangspräsident des Tschad Mahamat Idriss Deby Itno (links) ist auf Bitten der ECOWAS als Vermittler im NigerBild: Presidency of Chad/Handout/Anadolu Agency/picture alliance

Die ECOWAS war am Sonntag zu einer Dringlichkeitssitzung zusammengekommen. Die Gemeinschaft setzte mit sofortiger Wirkung alle Handelsgeschäfte mit dem Niger aus, fror staatliche Vermögenswerte bei diversen Banken ein und setzte jegliche finanzielle Unterstützung durch regionale Entwicklungsbanken aus.

Drohungen aus Mali und Burkina Faso

Nach dem Putsch im Niger haben die Militärregierungen der beiden Nachbarländer Burkina Faso und Mali die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS vor einem Eingreifen gewarnt. Jede militärische Intervention gegen Niger komme einer Kriegserklärung gegen Burkina Faso und Mali gleich, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung der beiden Regimes. Ein militärisches Eingreifen könnte katastrophale Folgen haben und die gesamte Region destabilisieren. Burkina Faso und Mali sind selbst ECOWAS-Mitglieder. 

Sanktionen treffen Bevölkerung

Die Wirtschaftssanktionen könnten in dem Land, das zu den ärmsten der Welt gehört, weitreichende Auswirkungen für die Bevölkerung haben: Nach Angaben der Internationalen Agentur für erneuerbare Energien ist das Land für bis zu 90 Prozent seines Strombedarfs auf Importe aus dem Nachbarland Nigeria angewiesen.

Auch der abgesetzte nigrische Premierminister Ouhoumoudou Mahamadou warnte vor den Folgen der ECOWAS-Sanktionen. Diese könnten zu einer Katastrophe für die Bevölkerung führen, sagte er dem französischen Nachrichtensender RFI. Zudem sei der Haushalt der Regierung stark von internationalen Zuschüssen und Zahlungen abhängig, etwa von der Weltbank. Die internationale Gemeinschaft müsse die richtigen Mittel finden, um der demokratisch gewählten Regierung wieder an die Macht zu verhelfen, sagte Mahamadou, der sich laut RFI im Ausland aufhält. Er sei weiter zuversichtlich, dass sich die Lage beruhigen werde.

Am vergangenen Mittwoch hatte die Präsidentengarde die Macht übernommen, das Militär schloss sich ihr an. Die Streitkräfte haben die Verfassung ausgesetzt und den Chef der Garde, General Omar Tchiani, zum Staatsoberhaupt an der Spitze eines Militärrates erklärt. Kurz nach Tchianis Machtübernahme als De-facto-Präsident setzten die Putschisten die Verfassung des westafrikanischen Landes außer Kraft und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf.

Seit der Unabhängigkeit 1960 hat das Militär im Niger fünf Mal geputscht, die neue Machtübernahme eingerechnet. Die Wahl Bazoums im Jahr 2021 war der erste demokratische Machtwechsel in dem bitterarmen Land mit gut 25 Millionen Einwohnern. Auch in Mali und Burkina Faso hat in den vergangenen zwei Jahren die Armee die Kontrolle übernommen.

ust/hf/kle (rtr, dpa, afp)