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Burundi steckt in der Krise

Philipp Sandner20. Februar 2014

In Burundi droht die Regierungskoalition zu zerbrechen. Es geht um die Frage, ob Präsident Nkurunziza für eine dritte Amtszeit kandidieren darf - und um das fragile Gleichgewicht zwischen alten Bürgerkriegsgegnern.

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Präsident Burundi Pierre Nkurunziza sitzt beim Gipfel der Afrikanischen Union 2009 hinter einer Burundi-Fahne (Foto: picture-alliance/landov).
Bild: picture alliance/landov

Formell ist das fragile politische System Burundis jetzt wieder im Gleichgewicht: Ende vergangener Woche (14.02.2014) leistete Prosper Bazombanza feierlich seinen Amtseid als Vizepräsident des kleinen zentralafrikanischen Landes. Die größte Partei im Parlament, der Nationalrat für die Verteidigung der Demokratie (CNDD-FDD) stellt mit Pierre Nkurunziza (Bild oben) nach wie vor den Staatspräsidenten und das kleinere Bündnis für den nationalen Fortschritt (UPRONA) mit Bazombaza wieder dessen Stellvertreter.

Tatsächlich ist die UPRONA, die die Tutsi-Minderheit im Land vertritt, jedoch wütender denn je auf den Hutu-Präsidenten und dessen Partei. Zwar ist der neue Vize-Präsident UPRONA-Mitglied, jedoch nicht der Wunschkandidat der meisten seiner Parteifreunde. Die Ernennung Bazombanzas gegen ihren Willen durch Präsident Nkurunziza empfinden sie als weiteren Affront in einem Streit, der das sensible Gleichgewicht zwischen den Bevölkerungsgruppen und Parteien in Burundi zerstören könnte.

Alte Konflikte, neue Interessen

Die politische Ordnung in dem Land, das sich noch immer von den Folgen eines langen Bürgerkriegs erholt, fußt auf einem Kompromiss. Demnach müssen 60 Prozent der Abgeordneten Burundis größter Bevölkerungsgruppe der Hutu angehören, die Tutsi sollen 40 Prozent stellen. Der Konflikt zwischen Hutu und Tutsi reicht in Burundi - ähnlich wie in Ruanda - weit zurück. Fast zeitgleich mit dem Völkermord in Ruanda, bei dem die Hutu-Regierung 1994 zum Mord an der Tutsi-Bevölkerung aufgerufen hatte, begann auch in Burundi ein grausamer Bürgerkrieg.

Die Aufarbeitung läuft in beiden Ländern jedoch unterschiedlich ab. Während Ruandas Präsident Paul Kagame selbst die Bezeichnungen Hutu und Tutsi aus dem öffentlichen Diskurs verbannte, habe Burundi mit seiner Quotenregelung einen Weg der offenen Aussprache gewählt, sagt Gesine Ames vom Ökumenischen Netz Zentralafrika (ÖNZ), einem Bündnis kirchlicher Organisationen für den Frieden in der Region der Großen Seen. "Andererseits ist die Zugehörigkeit zu beiden Gruppen in den politischen Köpfen und in der Bevölkerung immer noch verankert", sagt Ames. Die Spaltung des Landes ist nun mit der Regierungskrise wieder offen zutage getreten.

Paul Kagame sitzt bei einem Treffen afrikanischer Staatschefs in Kampala (Uganda) im September 2013 hinter einer Burundi-Fahne (Foto: Reuters).
Ruandas Präsident Kagame will nicht mehr von Hutu und Tutsi sprechenBild: Reuters

Der Streit entbrannte unter anderem um die Frage der Landverteilung in dem Staat, der vor allem von der Landwirtschaft lebt. "Das Land ist klein, aber viele Menschen wollen dort leben", sagt der Burundier Dieudonné Ntamishimiro. "Die Flüchtlinge, die Burundi vor langer Zeit verlassen haben, wollen zurückkehren, doch die Weise, in der sie burundischen Boden für sich beanspruchen, sorgt für Streit." Ein heikles Thema, das auch im Bürgerkrieg eine Rolle spielte, als nach dem Ende der Tutsi-Herrschaft Exilhutu in ihre Heimat zurückdrängten. In den letzten Jahren waren es vor allem Bürgerkriegsflüchtlinge, die zurückkamen. Um das Problem zu lösen, setzte die Regierung eine Kommission ein. Diese sei aber nicht paritätisch besetzt, beschwerte sich der langjährige Vizepräsident und UPRONA-Chef Charles Nditije.

Ein Wahlhelfer taucht den Finger einer Wählerin am 28. Juni 2010 bei der Präsidentschaftswahl in Bujumbura (Burundi) in ein Tintenfass (Foto: picure-alliance/dpa).
Bei der Präsidentschaftswahl 2010 gewann Nkurunziza ohne GegenkandidatenBild: picture-alliance/dpa

Ein Dorn im Auge war dem Vizepräsidenten auch Nkurunzizas Bestreben, die Verfassung zu ändern, um im kommenden Jahr ein drittes Mal für die Präsidentschaft zu kandidieren. Der Präsident, der Burundi seit 2005 regiert, war 2010 ein erstes Mal wiedergewählt worden. Trotz des Verdachts auf Fälschungen bei vorangegangenen Wahlen und Boykottaufrufen anderer Oppositioneller hatte die UPRONA das Ergebnis damals mitgetragen. Doch Nkurunzizas dritte Kandidatur und die dafür nötige Verfassungsänderung wollte Nditije nicht unterstützen. Ende Januar 2014 setzte der Präsident seinen Vize daraufhin ab.

Karte von Burundi mit Hauptstadt und Nachbarländern (DW-Grafik).

Machtspiele oder Überwindung der Vergangenheit?

Gesine Ames vom ÖNZ zeigt sich über diese Entwicklung besorgt. Auf die Frage, ob Nkurunzizas Machtspiel aufgehen könne, habe sie in Burundi oft dieselbe, klare Antwort erhalten: "Ebenso wie Präsident Kabila in der Demokratischen Republik Kongo und Ruandas Präsident Kagame es vorhaben, wird Nkurunziza die Verfassung ändern und ein drittes Mal kandidieren." Der fragile Frieden im Land sei damit in Gefahr, fürchtet Ames.

Ungewiss ist bisher auch, ob es 2015 wieder Gegenkandidaten geben wird, nachdem die politische Opposition sich 2010 zurückgezogen hatte. Infrage käme etwa Agathon Rwasa der Hutu-dominierten Nationalen Kräfte für die Befreiung (FNL). Rwasa, dem Kritiker vorwerfen, als Chef der einstigen Bürgermiliz Massaker an Tutsi angeordnet zu haben, gab sich im Gespräch mit der DW jedenfalls diplomatisch: "Die Menschen müssen erwachsen werden: Hier geht es nicht um Hutu und Tutsi, um CNDD/FDD, FNL oder UPRONA. Nur eine gute Regierungsführung auf der Basis von Recht und Gesetz kann unser Land weiterbringen."

Oppositionskandidat Agathon Rwasa bei einem Interview in Bujumbura (Burundi) eine Woche vor den Präsidentschaftswahlen im Juni 2010 (Foto:picture-alliance/dpa)
Oppositionspolitiker Agathon RwasaBild: picture-alliance/dpa