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Regierung macht Tempo bei der Energiewende

Bernd Gräßler19. Dezember 2012

Deutschland versucht, künftig ohne Atomenergie auszukommen. Die Regierung sieht sich auf gutem Wege und beschließt weitere Maßnahmen für die Energiewende. Hauptärgernis für den Bürger sind steigende Strompreise.

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Biogasanlage, Windrad und Sonnenkollektor auf engem Raum in einem deutschen Dorf vereint (Foto: Ingo Wagner/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Umweltminister Peter Altmaier (CDU) betont es gerne: Die Energiewende sei eine historische Aufgabe, vergleichbar mit der Deutschen Einheit. In vielen Bereichen werde Neuland betreten. Das gilt besonders für das komplizierte Zusammenspiel von erneuerbaren und konventionellen Energien bei der Versorgung einer großen Industrielandes. So treibt Deutschland zwar die Erzeugung von Strom aus Wind und Sonne stark voran und erreicht in diesem Jahr bereits einen Anteil von fast 25 Prozent an der Gesamtstromerzeugung, das Ziel von 40 Prozent im Jahr 2020 erscheint mühelos erreichbar. Doch gleichzeitig gibt es Kollateralschäden, wie steigende Strompreise oder eine geringere Sicherheit auf dauerhafte Versorgung.

Bei der Vorstellung eines ersten sogenannten Monitoring-Berichts der Regierung zu der nach der Fukushima-Katastrophe vollzogenen Kehrtwende in der Energiepolitik brachte Altmaier die Herausforderung auf eine Kurzformel: Es gehe darum, "die fluktuierenden erneuerbaren Energien so mit den regelbaren Energien zu verheiraten, dass wir mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Versorgungssicherheit und Stabilität gewährleisten können".

"Stromautobahnen" für Wind- und Sonnenkraft

Man sei "bereits ein gutes Stück vorangekommen", heißt es in dem Papier. Rund 160 Maßnahmen seien angestoßen worden, vor allem der beschleunigte Netzausbau, um den Strom aus den Windparks in der Nordsee und dem Küstenland in die weiter südlich gelegenen Industrieregionen und Ballungsräume zu transportieren.

Ihren 125-seitigen Zwischenbericht stellten die Minister vor, nachdem das Kabinett unmittelbar zuvor weitere konkrete Maßnahmen beschlossen hatte. Die Fördermittel für energetische Gebäudesanierung werden 2013 um 300 Millionen Euro auf 1,8 Milliarden Euro aufgestockt. Hausbesitzer können so im Jahr der Bundestagswahl bis zu 5000 Euro Zuschuss für die Fassadendämmung und neue Fenster erhalten, was auch die Handwerker freuen dürfte. Experten sehen beim sparsameren Umgang mit Wärmeenergie ein riesiges Einsparpotential.

Außerdem beschloss das Kabinett einen Netzentwicklungsplan für ganz Deutschland. Er sieht vor, dass drei große "Stromautobahnen" von insgesamt 2800 Kilometern Länge Windstrom von Norddeutschland in den Süden bringen sollen. Gleichzeitig sollen im bestehenden Hochspannungsnetz 2900 Kilometer Leitungen so optimiert werden, dass sie die Einspeiseschwankungen von Wind- und Sonnenenergie verkraften. Damit es schneller als üblich geht, haben sich die 16 Bundesländer bereit erklärt, alle Planung dem Bund zu überlassen. Klagen von Bürgern oder Kommunen gegen die Trassenführung sollen gleich vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden werden, um die Verfahrensdauer abzukürzen. Damit will man die Bauzeit von zehn auf vier Jahre verkürzen.

Der Vorsitzende der Expertenkommission zum Monitoring-Prozess "Energie der Zukunft", Andreas Loeschel (M.), Bundeswirtschaftsminister Philipp Roesler (FDP, l.), und Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) posieren mit einem Exemplar des Monitoringberichts zur Energiewende (Foto: Clemens Bilan/dapd)
Die Minister Rösler und Altmaier und der Energie-Experte Andreas LoeschelBild: dapd

Umwelt entlastet, Kunden belastet

Bei zwei der drei großen Nord-Süd-Leitungen soll zudem die teilweise Verkabelung unter der Erde geprüft werden, um den Bau in dicht besiedelten Gebieten zu beschleunigen. Erdverkabelung ist für Hochspannungsleitungen allerdings teuer, so dass neue Kosten auf die Stromkunden zukommen. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) mahnte, die Energiewende sei nicht zum Nulltarif zu haben, das habe man vorher gewusst: " Wir wollten alle die Energiewende, also den Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022, und wenn man dann neue Netze und alternative Erzeugungskapazitäten braucht, wird man das auch bezahlen müssen."

Die steigenden Strompreise entwickeln sich derzeit zum größten Ärgernis der Energiewende, weil auch die Windräder und Solardächer von den Bürgern subventioniert werden. Das im Jahr 2000 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung eingeführte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) schreibt den Energiekonzernen die Abnahme von Strom aus Windparks und Solaranlagen zu garantierten Einspeisepreisen vor, die Kosten dafür können sie auf ihre Stromkunden umlegen. Der Boom von Windrädern und Solardächern hat dazu geführt, dass die Umwelt zwar entlastet, die Verbraucher durch diese Umlage aber immer mehr belastet werden. Sinkende Marktpreise für Ökostrom werden von den Energielieferanten nicht an die Kunden weitergereicht. Altmeier und Rösler sind sich dessen bewusst und bekräftigten die Absicht, das EEG zu reformieren. Während Rösler den März 2013 als Termin nannte, wollte sich Altmaier nicht auf einen Termin festlegen.

Energiewende auf gutem Weg?

"Angespannte Netzsituation" im Süden

Der Monitoring-Bericht der Regierung nennt als Erfolge der Energiewende neben dem Zuwachs der "Erneuerbaren" einen rückläufigen Energieverbrauch, sinkende Treibhausgas-Emissionen und eine zuverlässige Stromversorgung trotz Abschaltung von acht Kernkraftwerken. Allerdings sei die Netzsituation in Süddeutschland "angespannt". Eine von der Regierung eingesetzte unabhängige Expertenkommission aus vier Energiewissenschaftlern sieht die Versorgungssicherheit besonders im süddeutschen Raum "kritisch". Übertragungsnetze für Windstrom und "steuerbare Kraftwerkskapazitäten" - sprich Gaskraftwerke - müssten beschleunigt gebaut werden, um die abgeschalteten Atomkraftwerke zu ersetzen.

Wesentlich kritischer als die Regierung sah die Unternehmensberatung McKinsey in einem Bericht Anfang Dezember die deutsche Energiewende. Sie verwies vor allem auf die hohen Strompreise für Haushalte und Industrie und die zu geringen Kraftwerksreserven.