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AIDS-Infektion

10. August 2008

Eine halbe Million Ukrainer sind HIV-infiziert – ein Prozent der Bevölkerung. Inge Banczyk, Vorstandsmitglied der Berliner AIDS-Hilfe, engagiert sich seit Jahren in der Ukraine und beurteilt die Lage dort als dramatisch.

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Sophias Eltern sind positiv, das Mädchen aus Odessa konnte dank eines AIS-Programms davor bewahrt werden, Quelle: AP
Sophias Eltern sind positiv, das Mädchen aus Odessa konnte dank eines AIS-Programms davor bewahrt werden (Archivbild)Bild: UNICEF

DW-Ukrainisch: Frau Banczyk, Sie gehören zu einem Netzwerk von Personen, die sich für die Menschen mit HIV in der Ukraine engagieren. Wie schätzen Sie die Lage dort ein?

Inge Banczyk: Ich war bestimmt schon 15 bis 20 Mal in der Ukraine und finde, dass sich die Lage dramatisch verschlimmert. Am Anfang waren es hauptsächlich drogenabhängige Menschen, die sich mit dem Virus infiziert hatten. Leider hat die Ukraine es versäumt, rechtzeitig Prävention zu betreiben. Diese Menschengruppe, die anfangs davon betroffen war, war ihr egal, und man hat nicht daran gedacht, dass es auch sexuell aktive Menschen sind. Und jetzt hat sich die Infektion in die sogenannte Normal-Bevölkerung gestreut. Wir haben gehört, dass 60 Prozent aller Neuinfektionen über heterosexuellen Geschlechtsverkehr verbreitet wurden.

Wie steht es denn derzeit um die Prävention und die Aufklärung von Jugendlichen?

Es ist nach wie vor so, dass zu wenig Prävention gemacht wird, zu wenig darüber gesprochen wird. Menschen werden nach wie vor stigmatisiert, wenn sie HIV-positiv sind. Die wenigsten haben Zugang zu Medikamenten. Wir haben Kollegen, die mit Jugendlichen in Ferienlagern arbeiten. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass bei Jugendlichen großes Interesse besteht, mehr darüber zu erfahren, aber dass leider die Eltern zum Großteil dagegen Sturm laufen, die Schule Sturm läuft und auch das lokale Amt, weil sie nicht wissen, ob sie es zulassen dürfen oder nicht, wenn plötzlich offen über Sex gesprochen wird. Und natürlich reden die Kirchen ein ganz großes Wort mit. Viele lokale Würdenträger sind gegen Kondome, weil sie Abstinenz bis zur Ehe und dann Monogamie fordern. Das ist aber unrealistisch in der heutigen Gesellschaft.

Wer kann die Probleme lösen, die Zentralregierung in Kiew oder die Politiker vor Ort?

Eine Zusammenarbeit zwischen der Zentralregierung in Kiew und den Lokalpolitikern ist sicherlich ganz wichtig, weil es doch sehr unterschiedliche Schwerpunkte gibt, wo die meisten Infizierten leben. Es muss auch eine Zusammenarbeit zwischen den Nichtregierungsorganisationen und dem staatlichen Gesundheitssystem erfolgen. Die Nichtregierungsorganisationen bekommen das Geld vom Global Fund, und ich persönlich finde es schade, dass nicht auch die Regierungsorganisationen welches bekommen, weil das Gesundheitssystem eine öffentliche Institution ist. Man muss Ärzte und Krankenschwestern auch mitschulen und mitbezahlen, damit sie die Arbeit gut machen können.

Glauben Sie, dass man in der Ukraine die Lage in den Griff bekommen könnte?

Wir arbeiten mit Caritas Ukraine und dem Aids-Zentrum in Donezk zusammen. Die Menschen, die ich kennen gelernt habe, sind sehr gut ausgebildet, klug und engagiert. Ich glaube, dass sie das in den Griff bekommen könnten. Die Ukraine ist ein Land mit vielen Problemen: Sie hat Tschernobyl, eine hohe Tuberkuloserate, sie hat jetzt diese wahnsinnige Überflutung in der Westukraine. Sie haben ganz viel anzupacken in der Ukraine. Auch die ukrainische Regierung spricht inzwischen von einer AIDS-Epidemie. Es gibt auch einen Masterplan bis 2015, den sie jetzt bearbeitet, wo sie ganz akut gegen die Epidemie vorgehen und auch Prävention machen will. Man wird sich dem Problem langsam bewusst, nur wird nicht schnell genug umgesetzt, was getan werden muss.

Das Gespräch führte Roman Goncharenko