Reformbedürftige UNO
22. September 2003Internationale Krisen sollte die UNO (United Nations Organization oder auch Vereinte Nationen - UN) bewältigen. Doch die Szenarien von zwischenstaatlichen Konflikten oder etwa einem befürchteten Weltkrieg haben sich zu regionalen Krisen und innerstaatlichen Konflikten gewandelt. Immer wieder steht die Frage im Raum, ob die Organisation den neuen Aufgaben gewachsen ist. Denn die innere Zerissenheit der UNO zeigte sich deutlich bei der Diskussion um den Irak-Krieg.
Alte Debatte
Dabei wird jedoch übersehen, dass die Autorität der UNO auch in der Vergangenheit nicht unangefochten war: Die Kaschmir-Frage ist bis heute ungeklärt, obwohl bereits 1950 von der UNO eine Volksbefragung über den Status der Region gefordert wurde (Resolution 80). Südafrika ignorierte Resolution 547 von 1984, die die Hinrichtung von Malesela Benjamin Maloise abwenden sollte. 1985 wurde das Todesurteil vollstreckt. Im Israel-Palästina-Konflikt sind UNO-Beschlüsse regelmäßig von beiden Seiten gebrochen worden; zuletzt, als Resolution 1435 mehrere Wochen offen missachtet wurde, die eine sofortige Beendigung der Belagerung des Amtssitzes Jassir Arafats forderte. Machtlosigkeit der UNO in regionalen oder innerstaatlichen Konflikten ist also kein Problem der vergangenen Jahre.
Die UNO wirkt jedoch auch deshalb schwach, weil Hoffnungen und Ansprüche an die UNO mit der Zeit gestiegen sind. „Die Debatte ist eine alte, die jetzt aber in neuer Schärfe auf der Agenda steht“, sagt Johannes Varwick vom Institut für Internationale Politik der Bundeswehr-Universität Hamburg. Vor allem das Ende des Kalten Krieges weckte die Hoffnung, dass nun drängende Probleme wie die weltweite Armut bekämpft werden könnten. So öffnete sich die Schere zwischen Ansprüchen an die UNO und deren Handlungsmöglichkeiten immer weiter.
Reformen sind notwendig
Ein drittes Problem der UNO ist ihre veraltete Struktur. Nach über 50jähriger Existenz ist die Organisation reformbedürftig. Varwick kritisiert zum Beispiel die Zusammensetzung des Sicherheitsrats, die immer noch die politische Situation von 1949 widerspiegelt. So ist Asien mit nur einem ständigen Mitglied (China), gemessen an seiner heutigen politischen Bedeutung, unterrepräsentiert. Auch die damaligen Kriegsverlierer Deutschland und Japan, deren ökonomische Stärke seit langem weit über die der Mitglieder Großbritannien, Frankreich und Russland hinausreicht, sind im ständigen Rat nicht vertreten.
Horst Fischer vom Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres an der Universität Bochum hält es zudem für einen Fehler, dass immer mehr Entscheidungen im Sicherheitsrat getroffen werden. Eine stärkere Einbeziehung der Generalversammlung würde die Anerkennung von Beschlüssen vergrößern. Denn durch die Mitgliedschaft von 191 Staaten würden internationale Interessen so breit wie möglich vertreten.
Die Mitgliedstaaten sind gefragt
Zwar setzte UNO-Generalsekretär Kofi Annan unter anderem eine umfangreiche Straffung der Verwaltungsstruktur durch um Kosten zu senken, und schuf zu seiner Entlastung das Amt des stellvertretenden Generalsekretärs. Eine grundlegende Änderung der Organisation der UNO setzt jedoch die Zustimmung der Mitgliedstaaten voraus. Dazu müssten diese bereit sein, ein Stück staatlicher Souveränität und Macht aufzugeben und an die Vereinten Nationen zu delegieren. Staaten, die die UNO kritisieren, müssen sich also die Frage gefallen lassen, inwieweit sie selbst bereit sind, an einer Reform mitzuwirken.