König Felipe pocht auf die Verfassung
3. Oktober 2017Nach dem Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien hat Spaniens König Felipe VI. (Artikelbild) scharfe Vorwürfe gegen die Regionalregierung in Barcelona gerichtet. "Mit ihrem unverantwortlichen Verhalten können sie die Stabilität Kataloniens und ganz Spaniens in Gefahr bringen", sagte das Staatsoberhaupt in einer Fernsehansprache. "Angesichts dieser Situation von extremer Tragweite" sei es die Pflicht der "legitimen" Staatsführung, "die verfassungsmäßige Ordnung und das normale Funktionieren der Institutionen sicherzustellen".
Nach dem Unabhängigkeitsreferendum am Sonntag und dem gewaltsamen Vorgehen der spanischen Sicherheitsbehörden gegen die vom Verfassungsgericht als rechtswidrig eingestufte Abstimmung hatten zahlreiche Organisationen in Katalonien an diesem Dienstag zu einem Generalstreik aufgerufen. Mehrere Hunderttausend Menschen beteiligten sich - und erwarteten aufmerksam, was der spanische Monarch am Abend zu der Krise zu sagen haben würde. Als Brückenbauer trat Felipe nicht in Erscheinung.
Der Einheit verpflichtet
Der König bezeichnete die Lage als sehr ernst. Die führenden Vertreter der Regionalregierung hätten die katalanische Gesellschaft gespalten, kritisierte Felipe. Das Königshaus bleibe der Verfassung und Einheit des Landes verpflichtet. Die Führung in Barcelona bewege sich "außerhalb des Gesetzes".
Mehrere Hunderttausend Menschen gingen am Dienstag gegen die Polizeigewalt und für eine Unabhängigkeit ihrer Region vom Zentralstaat auf die Straßen. Zugleich legte der Generalstreik weite Teile des öffentlichen Lebens lahm. In Barcelona blieben die meisten Geschäfte und auch die die Metro-Stationen geschlossen. Der Protest richtete sich vor allem dagegen, dass bei den Polizeiaktionen am Sonntag nach Angaben der Regionalregierung rund 900 Menschen verletzt wurden.
"Die Straßen gehören uns!"
Bei den Demonstrationen herrschte nach Korrespondenten-Berichten überwiegend Partystimmung. Tausende sangen die katalanische Nationalhymne und riefen Parolen wie: "Die Straßen gehören uns!" Die Zentralregierung prangerte zur selben Zeit in Madrid eine "Verfolgung" von Staatsbeamten durch die Katalanen an. Man werde alles Nötige unternehmen, um die Verfolgung zu stoppen, warnte Innenminister Juan Ignacio Zoido. Die 10.000 von Madrid entsandten Polizisten blieben am Dienstag jedoch fast alle in den Unterkünften. Einige Hundert wurden von katalanischen Hotels aus Protest vor die Tür gesetzt.
Unterdessen will Regionalpräsident Carles Puigdemont womöglich noch in dieser Woche die Unabhängigkeit von Spanien erklären. Sobald das vollständige Ergebnis des Referendums vorliege, werde Katalonien binnen 48 Stunden die Unabhängigkeit ausrufen, sagte Puigdemont dem britischen Sender BBC in einem Interview. Voraussichtlich bis zum Ende der Woche würden noch Stimmen aus dem Ausland ausgezählt. "Wir werden also Ende dieser Woche oder Anfang kommender Woche handeln", sagte Puigdemont.
"Faschistin!"
Die Gegner dieses Vorhabens argumentieren, dass die schweigende Mehrheit in Katalonien nicht für die Abspaltung von Spanien sei. Die Deutsche Presse-Agentur zitierte eine ältere Unabhängigkeitsgegnerin, die unter Tränen rief: "Wir sind allein hier. Die spanische Regierung tut nichts und hat uns unserem Schicksal überlassen." Sie könne nicht die Fahne ihres Landes auf den Balkon hängen, denn man bezeichne sie sofort als Faschistin. Katalonien ist die wirtschaftsstärkste Region Spaniens und steuert knapp ein Fünftel zum Bruttoinlandsprodukt des Königreichs bei.
ml/ww (dpa, afp)