Rechtspopulismus: Deutschland schließt auf
14. März 2016Rechtspopulistische Parteien, die mit der deutschen "AfD" vergleichbar sind, regieren in fünf EU-Mitgliedsstaaten. In Polen und Ungarn stellen die nationalkonservativen Populisten die absolute Mehrheit im Nationalen Parlament. Der Sieger auf der nach oben offenen Populismusskala ist Griechenland: In Athen regieren eine linkspopulistische und eine rechtspopulistische Partei in einer Koalition. Auch in Norwegen und der Schweiz - die geografisch zu Europa zählen - sind sie Teil der Regierungskoalition.
Von einer Regierungsbeteiligung einer rechtspopulistischen Partei auf nationaler Ebene ist Deutschland auch nach diesem Wahlsonntag noch weit entfernt. Aber die Flüchtlingskrise und die Euro-Krise hätten eine Entwicklung in Europa verstärkt, meint der Parteiforscher und Politologe Florian Hartleb. "Generell ist es natürlich so, dass dieser Mangel an europäischer Solidarität und die Re-Nationalisierung Europas Trends darstellen, der sich in vielerlei Hinsicht breit machen. Hier muss man nicht nur nach Mittel- und Osteuropa schauen, sondern zum Beispiel auch nach Großbritannien", sagte Hartleb der Deutschen Welle. Dort fährt die britische "Unabhängigkeitspartei" (UKIP) auch bei nationalen Wahlen hohe Stimmzahlen ein und war der eigentliche Auslöser dafür, dass die britische Regierung ein Referendum über den Austritt der Briten aus dem EU-Klub angesetzt hat.
Populisten in den meisten Parlamenten
In weiteren zwölf EU-Mitgliedsstaaten sitzen rechtspopulistische Abgeordnete in den nationalen Parlamenten. Vom "Front National" in Frankreich über die "Freiheitlichen" in Österreich bis zur antisemitischen "Ataka" in Bulgarien - um nur einige zu nennen. In Deutschland sind die Rechtspopulisten bislang nur auf regionaler Ebene vertreten, seit Sonntag in acht von 16 Landtagen. Aber die AfD konnte 2014 sieben Vertreter in das Europaparlament entsenden. Dort sitzen nach einer Spaltung der Partei heute noch zwei AfD-Abgeordnete. Außerdem hat die rechtsextreme "NPD" einen Abgeordneten im Parlament in Straßburg.
Der Parteienforscher Florian Hartleb warnt: "Die Erfahrungen in Europa zeigen, dass es, wenn eine solche Partei einmal Teil des Systems geworden ist, sehr, sehr schwer ist, sie wieder loszuwerden. Selbst in Österreich und den Niederlanden, wo diese Parteien zwischenzeitlich verschwunden waren, sind sie wieder neu gegründet worden. In Deutschland war das lange Zeit nicht der Fall." Anfang der 1990er Jahren waren die "Republikaner" relativ erfolgreich und zogen in Landtage und das Europäische Parlament ein. Auch damals befürchtete man, Deutschland hole jetzt das nach, was in vielen anderen europäischen Ländern längst begonnen hatte. Doch die Republikaner verschwanden wieder. 2001 schaffte es der Rechtspopulist Roland Schill kurzzeitig sogar in die Regierung des Stadtstaates Hamburg. Schills Partei zerfiel nach Skandalen schnell.
AfD schlägt Kapital aus Europas Krisen
Bei der AfD könnte das anders laufen, meint Florian Hartleb. "Die AfD hat aber grundsätzlich gute Chancen, weil die zwei Themen Euro-Skepsis und Migration die politische Debatten in den nächsten Jahren sehr stark prägen werden." Wegen der Euro-Krise wurde die AfD von konservativen Professoren gegründet, in der Migrations-Krise übernahmen radikalere Nationalisten das Ruder in der Partei. Ausländerfeindlichkeit wird wegen der Angst vor Flüchtling mehr und mehr auch in Deutschland salonfähig. Diese Tabu hatten anderen Parteien in Europa schon früher gebrochen. Die AfD holt das jetzt nach, so der Parteiforscher Hartleb. "Das hat sich jetzt durch die Flüchtlingskrise schon dramatisch verändert."
"Front National" als Vorbild
Der österreichische Parteienforscher Werner T. Bauer sah in einer Analyse im November 2015 Deutschland relativ "immun" gegen Rechtspopulisten auf nationaler Ebene. Die Landtagswahlen böten ein geeignetes "Ventil" für die Protestwähler, die bei den etablierten Parteien enttäuscht wurden. Diese deutsche Sonderrolle scheint aber langsam auszulaufen. In Österreich und Frankreich erreichen die rechtspopulistischen Parteien FPÖ und der Front National bei landesweiten Wahlen um die 20 Prozent der Stimmen. Denen könnte die AfD jetzt nacheifern wollen, meint der Politikexperte Florian Hartleb im Gespräch mit der DW. "Momentan ist es so, dass die AfD sich die FPÖ oder den Front National als Vorbild nimmt und radikaler wird."
Nach der Flüchtlingskrise will die AfD wohl ähnlich wie der Front National stärker auf eine Abgrenzung gegen den politischen Islam und die muslimische Zuwanderer setzen. Treibende Kraft hinter dieser Richtung soll die Europa-Abgeordnete Beatrix von Storch sein, berichtete "Der Spiegel". In vertraulichen E-Mails soll von Storch geschrieben haben: "Euro und Flüchtlinge sind verbraucht, bringen nichts Neues."