Rechtsextreme beim NRW-Verfassungsschutz
1. Oktober 2020Drei Verdächtige in Nordrhein-Westfalen (NRW) gehörten zu einem Observationsteam des dortigen Verfassungsschutzes, wie das Landesinnenministerium in Düsseldorf der "Rheinischen Post" (RP) mitteilte. Eine vierte Person sei Verwaltungssachbearbeiter/in in der Polizeiabteilung des Innenministeriums gewesen. Die Observationsgruppen würden grundsätzlich in allen Phänomenbereichen eingesetzt, also auch im Bereich des Rechtsextremismus. "Das betroffene Team im Verfassungsschutz wurde aufgelöst, das Führungspersonal ausgewechselt", erklärte das Ministerium der RP.
In sozialen Netzwerken und Chats verschickten die Verdächtigen laut Behörde Videos "mit islam- oder fremdenfeindlicher Konnotation". Den Hinweis auf die Chatgruppe innerhalb des Observationsteams hätten Kollegen geliefert, die diese Videos erhalten hätten. Bei dem oder der Angestellten in der Polizeiabteilung seien im Internet Facebook-Kontakte zu Personen aus der rechtsextremistischen Szene aufgefallen.
Inzwischen wurde ein weiterer Verdachtsfeld aus Bielefeld gemeldet. Arbeitsplatz und Wohnung eines Bielefelder Kommissars seien durchsucht worden, teilte die dortige Polizei mit. Der Beamte stehe im Verdacht, rechtsextremistische Propaganda in einer privaten Chatgruppe von 50 Polizisten gepostet zu haben. Erste Ermittlungen des Staatsschutzes hätten diesen Verdacht erhärtet. Der Beamte sei aktuell bei der Verkehrspolizei beschäftigt. Sein Smartphone und weitere Speichermedien seien sichergestellt worden. Bei der Durchsuchung seien bisher keine weiteren Hinweise auf eine rechtsextremistische Gesinnung des Polizisten festgestellt worden. Dennoch seien sein Dienstausweis eingezogen und ihm die Führung der Dienstgeschäfte untersagt worden.
Verfahren eingeleitet
Das Innenministerium in NRW leitete nach Angaben einer Sprecherin unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorfälle disziplinarrechtliche und personalrechtliche Maßnahmen ein. Von den vier Verfahren sei eines bereits mit der Verhängung einer Disziplinarstrafe abgeschlossen. Die anderen liefen aktuell noch.
Mutmaßliche Rechtsextremismus-Fälle waren Mitte September schon bei der NRW-Polizei bekannt geworden. Polizisten sollen in Chatgruppen rechtsextreme Hetze verbreitet haben. Etwa 30 Beamte wurden vom Dienst suspendiert, gegen 14 laufen Disziplinarverfahren mit dem Ziel, sie aus dem Dienst zu entfernen. Gegen zwölf Polizisten wird strafrechtlich ermittelt.
NRW-Innenminister Herbert Reul berichtete in der vorigen Woche dem Innenausschuss des Landtags in Düsseldorf, seit 2017 seien bei der nordrhein-westfälischen Polizei insgesamt 100 Mitarbeiter unter den Verdacht des Rassismus oder Rechtsextremismus geraten. Hinzu kämen vier Fälle im Innenministerium.
Rassistische Chatgruppe auch bei der Polizei in Berlin
Nach Recherchen des ARD-Magazins "Monitor" haben sich auch Berliner Polizisten in einem Chat immer wieder rassistisch geäußert. So seien Muslime als "fanatische Primatenkultur" bezeichnet und Flüchtlinge mit Vergewaltigern oder Ratten gleichgesetzt worden. Neonazis seien als mögliche "Verbündete" bei linken Demonstrationen genannt worden, berichtete Monitor. Mehr als 25 Beamte hätten sich in dem Chat ausgetauscht. Vor allem sieben Beamte seien aufgefallen, da sie sich regelmäßig eindeutig rassistisch geäußert hätten, häufig in Form vermeintlicher "Witze". "Monitor" liegt nach eigenen Angaben der Chatverlauf über mehrere Jahre bis Mitte 2020 exklusiv vor.
Zuständige bei der Polizei in Berlin teilten inzwischen mit, man habe ein Strafverfahren eingeleitet und Ermittlungen aufgenommen.
Die geteilten Inhalte seien "schlicht menschenverachtend", sagte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Sebastian Fiedler, der Auszüge aus den Chats eingesehen hat. "Diejenigen, die das hier posten, haben einen Eid auf unser Grundgesetz geschworen - und das steht in diametralem Gegensatz zueinander", so Fiedler.
Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) erklärte, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, sei dies absolut inakzeptabel und habe nichts mit einer modernen, weltoffenen Hauptstadtpolizei zu tun.
se/mak/kle (dpa, afp, wdr)