Rechter Höhenflug in Deutschland - die AfD und das Klima
31. Mai 2023Seit Wochen tobt die AfD. Die Politik der Bundesregierung ist für die deutsche Oppositionspartei nicht nur gescheitert, sondern eine Bedrohung von Frieden und Wohlstand. In praktisch allen Politikfeldern setzt die Partei auf Konfrontation: Im Ukrainekrieg fordert sie Friedensverhandlungen statt Waffenlieferungen. In der Migrationspolitik fordert sie "Grenzen dicht" statt der Anwerbung von Fachkräften.
Vor allem aber profiliert sich die Rechtsaußenpartei derzeit als aggressiver Gegenspieler in der Energie- und Klimapolitik. Die Maßnahmen der Bundesregierung unter grüner Beteiligung nennt die Fraktionsvorsitzende der AfD im Deutschen Bundestag, Alice Weidel, ein "Verarmungsprogramm". Die Pläne zur Umrüstung der Wohnungsheizungen auf erneuerbare Energien sind für sie nicht weniger als ein "Heizungsmassaker": "Menschen, die sich das nicht mehr leisten können, werden ihre Häuser verkaufen müssen", erklärt sie auf einer Pressekonferenz.
Emotionen wichtiger als Fakten
In ihrer Ablehnung der Maßnahmen zum Klimaschutz übertrifft die Partei dabei selbst viele andere europäische Rechtsaußenparteien, beobachtet Christoph Richter vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft, IDZ, in Jena: "Sie bezweifelt grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse zum menschengemachten Klimawandel und betrachtet entsprechende Klimaschutzmaßnahmen daher als sinnlos." Das IDZ erforscht derzeit den Umgang rechter Populisten und Extremisten in Europa und den USA mit der ökologischen Krise.
Das eigene Programm der AfD zum Klimaschutz ist überschaubar: Ja zu fossiler Energie und zur Kernkraft - Nein zur Windenergie. Die Experten beobachten dabei, dass die AfD stärker auf Emotionen setzt als auf programmatische Grundsätze. "Wir sehen bei der AfD, dass sie da "reingeht", wo die meisten Vorbehalte und Ängste in der Bevölkerung liegen", analysiert Christoph Richter. "Sie klinkt sich zum Beispiel in regionale Anti-Windkraftkampagnen ein."
Zum Lieblingsgegner der AfD sind dabei die Grünen aufgestiegen. Deren Entwurf von einem klimafreundlichen, weltoffenen und diversen Deutschland dient der rechten Partei als Blaupause für ein Untergangszenario: "Die Bürger werden enteignet!", "Sie vernichten unseren Wohlstand!", "Baerbock handelt kriminell und irre!" – mit solchen reißerischen Parolen kämpft die Partei vor allem in den sozialen Medien gegen die grüne Partei um Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck. Und das anscheinend mit Erfolg: Meinungsumfragen sehen die AfD gleich in drei ostdeutschen Bundesländern, in denen im kommenden Jahr wichtigeLandtagswahlen anstehen, als stärkste Partei.
Grüner Gegenpol
Die Wählerschaft der Grünen und der rechten AfD scheinen dabei in vielen Politikfeldern Gegenpole zu sein. So beobachtet das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap etwa im Monat April, dass 76 Prozent der Anhänger der Grünen die Klimaschutzmaßnahmen zu langsam gehen - 50 Prozent der AfD-Anhänger dagegen zu schnell.
Christoph Richter vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft sieht die europäische Rechte in ihrer Ablehnung der Klimaschutzmaßnahmen vereinigt: "Sie eint das Interesse, die bestehende Ungleichverteilung zwischen den Industrienationen und anderen Ländern, vorrangig denen im globalen Süden, aufrechtzuerhalten, weil die europäischen Industrienationen von diesem Gefälle profitieren."
Politische Gegner als Feindbilder
Die AfD setzt seit ihrer Gründung auf wechselnde Feindbilder. Ihre Lieblingsgegner waren nach ihrer Gründung im Jahr 2013 die liberalen Freidemokraten, FDP, und deren europäische Schuldenpolitik. Als die FDP im Jahr 2013 aus dem Bundestag flog, war der Jubel bei der AfD grenzenlos. Dann nahm die Partei die Christdemokraten um ihre Chefin und Bundeskanzler Angela Merkel ins Visier. Deren Flüchtlingspolitik brachte die AfD zum Kochen und bescherte ihr gerade in den östlichen Bundesländern große Erfolge. Merkel ist weg - jetzt setzt die AfD auf ein neues Feindbild: die Grünen. Die Form der Angriffe sind für Christoph Richter nichts Neues: "Die sehr aggressiven Angriffe auf Klima- und Umweltschützer kennen wir aus den USA der achtziger Jahre. Dort hatte sich damals eine starke Gegenbewegung gebildet."
Dass die Rechtsaußenpartei mit ihrer Strategie erfolgreich zu sein scheint, verdankt sie anscheinend aber vor allem auch der Unsicherheit der anderen Parteien, beobachtet Christoph Richter vom Institut für Demokratie und Zeitgeschichte in Jena: "Der relevante Erfolgsfaktor der AfD-Kampagnen besteht darin, dass ihre Narrative tatsächlich auch von der Mitte der Gesellschaft aufgegriffen werden. Das wiederum ist eine sehr gefährliche Strategie, die am Ende den etablierten Parteien und dem Klimaschutz schadet."