Rauchverbot - na und?!
29. Juni 2004Hier in Russland gilt noch das im Westen inzwischen überholte Klischee vom Malboro-Mann, der erst durch die Kippe im Mund das Gefühl von Abenteuer und Freiheit spürt. Rauchen ist gesellschaftlich keineswegs verpönt, der Tabak ist in Russland, zumindest im Vergleich zum Westen, sensationell billig. Sieben Rubel, etwa 20 Cent, kosten die billigsten russischen Zigaretten, die schon zu Sowjetzeiten mit ihrem trockenen und schweren Tabak die Atemwege der Arbeiter und Bauern teerten und ungefähr so wirken, als würde man eine billige Zigarre auf Lunge rauchen.
Russland raucht
Die Mehrheit der rauchenden Russen ist inzwischen auf westliches Rauchwerk umgestiegen. Das rumpelt weniger im Rachen und kostet kaum mehr als vaterländische Glimmstengel, denn die bekannten westlichen Tabakkonzerne lassen ihre Marken in Russland mit Lizenz herstellen - zum Durchschnittspreis von 60 Cents die Packung. Zwar stehen längst schon die bekannten Warnhinweise auf den Zigarettenschachteln, doch davon lassen sich bekanntlich Nikotinsüchtige weltweit kaum beeindrucken. Und Russen schon gar nicht.
Erstens haben Russen eine ziemlich entspannte Einstellung zu Risiken und Gefahren, die sich, zweitens, mit einer offenbar tief in der Seele verankerten Abneigung gegen Verbote paart. Sei es das relaxte Benutzen der Gegenfahrbahn mit dem Auto oder das eben völlig selbstverständliche Rauchen dort, wo es brandgefährlich wird. "Dort, wo die Luftfahrt anfängt, hört die Disziplin auf", erklärte mir kürzlich lapidar ein Mechaniker auf einem Rollfeld, als er sich nur wenige Meter entfernt von Kerosinfässern und einem MiG-Abfangjäger, der gerade betankt wurde, ganz entspannt ein Zigarettchen anzündete und meinen panisch-entsetzten Blick sah. Dass in der Ukraine vor zwei Monaten ein Munitionsdepot in die Luft flog, nur weil Soldaten entgegen aller strengsten Vorschriften geraucht hatten, wundert weder in der Ukraine noch in Russland jemanden. Vorschriften sind in Russland eben dazu da, gebrochen zu werden. So sehen das auch viele Russen im Flugzeug.
Die Geheimdienst-Falle
Jahrzehnte lang war man daran gewöhnt, im Flugzeug zu rauchen. Doch inzwischen haben die meisten Fluggesellschaften auf allen Flügen ein absolutes Rauchverbot eingeführt. Dies führt nun dazu, dass die starken Raucher sich gleich paarweise in die engen Toiletten zwängen, um trotz oder gerade wegen des Verbots ihrer Nikotinsucht nachzugehen. Über einen Rauchalarm verfügen die wenigsten Flugzeuge russischer Bauart. Schwieriger wird es bei westlichen Flugzeugen, die mehr und mehr im internationalen Flugverkehr eingesetzt werden. Als kürzlich bei einem Auslandsflug der Rauchalarm anspring, öffnete die Stewardess kurzerhand die Toilettentür.
Noch bevor die Aeroflot-Dame mit ihrer Schimpftirade beginnen konnte, zog der ertappte Raucher seinen FSB-Ausweis. Der Geheimdienstmann beanspruchte für sich offenbar die Lizenz zum Rauchen. Doch davon liess sich die Stewardess nicht beeindrucken und schrie, gut hörbar für die übrigen Passagiere: "Sie sollten sich schämen. Gerade Sie, als Geheimdienstmann sollten mit leuchtendem Beispiel voran gehen." Das wirkte: Der ertappte Raucher schlich zu seinem Platz. Mit hochrotem Kopf.